Neubiberg:Alter Feind Kupferstecher

Neubiberg: Borkenkäfer legen für ihre Larven ein Netz aus Gängen unter der Rinde des Baumes an.

Borkenkäfer legen für ihre Larven ein Netz aus Gängen unter der Rinde des Baumes an.

(Foto: Christian Endt)

Nach dem Sturm "Niklas" und dem trockenen Sommer hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. Förster und Waldbesitzer im Landkreis haben dem Schädling den Kampf angesagt.

Von Christian Endt und Konstantin Kaip, Neubiberg

Der Borkenkäfer ist ein sehr kleines Insekt: Gerade einmal fünf bis sechs Millimeter groß wird die in Bayern häufigste Art, der Buchdrucker. In Massen können die Käfer jedoch großen Schaden anrichten, wie man gerade in Neubiberg sehen kann. Dort mussten wegen des Schädlings im Bahnhofswald zahlreiche stattliche alte Fichten fallen. Etwa 90 Bäume, gut 150 Festmeter Holz, sagt der zuständige Revierförster Michael Matuschek vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mussten gefällt und schnellstens entnommen werden, um eine Ausbreitung des Parasiten zu verhindern.

Der Kampf gegen den Borkenkäfer, der derzeit flächendeckend im gesamten Landkreis geführt wird, hat eine Vorgeschichte. Im Frühjahr tobte der Sturm Niklas übers Land und riss viele Bäume um. Das in den Wäldern verstreute Bruchholz, weiß Matuschek, ist "super Brutmaterial" für die Käfer. Im Neubiberger Bahnhofswald ließ der Förster zwar gründlich aufräumen, doch der Sturm hatte auch die älteren Fichten, die noch standen, geschwächt. Ihre Feinwurzeln wurden beschädigt und konnten weniger Wasser in die Kronen transportieren. Und dann kam der trockene Sommer, der den Bäumen wochenlang zusetzte. "Fichten sind feuchtigkeitsbedürftig", sagt Matuschek. Die Münchner Schotterebene biete ohnehin keine Idealbedingungen für das wichtige Nutzholz.

Die Fichtenblüte macht die Bäume heuer besonders anfällig

"Und dieses Jahr kommt auch noch eine Fichtenblüte dazu. Das passiert nur etwa alle sieben Jahre und schwächt die Bäume zusätzlich", sagt Christoph Schwer von der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München-Ost. Gerade die großen alten Fichten im Bahnhofswald, ästhetisch wertvoll, aber längst hiebreif und "eigentlich überaltert", wie Matuschek sagt, sind nun einfach zu schwach, um sich gegen die Käfer zu wehren. Matuschek und seine Kollegen rechneten überall mit einem starken Befall. Denn der heiße trockene Sommer schwächt nicht nur die Bäume, er kurbelt auch die Entwicklungszyklen der Borkenkäfer mächtig an. "Natürlich war da ein großer Verdachtsmoment", sagt der Förster. "Nur hätte ich nicht gedacht, dass es so schnell geht."

Borkenkäfer erobern einen Baum als Liebespaar. Männchen und Weibchen bohren sich ein gemeinsames Loch in die Rinde. Der Baum wehrt sich, in dem er diese sogenannte Rammelkammer mit Harz befüllt und so versucht, das Ungeziefer zu ertränken. Zugleich senden die Käfer Pheromone aus. Diese Duftstoffe locken wiederum Artgenossen an, die den Baum befallen. Unter den vielen Attacken bricht der klebrige Widerstand der Fichte irgendwann zusammen, nach wochenlanger Hitze und Trockenheit umso schneller. Ist die Rammelkammer erfolgreich eingenommen, knabbern sich die Käfer weiter durch die Rinde. Für den Nachwuchs legen sie ein Netz aus Gängen an, sodass jede Larve ihre eigene kleine Abzweigung bekommt. Das zerstört das Kambium, die Schicht unter der Borke, die für den Transport von Wasser und Nährstoffen zuständig ist.

Normalerweise werden die Bäume den Eindringlingen Herr

Anders als der Asiatische Laubholzbockkäfer, der als Neozoon schon an sich eine Gefahr darstellt, gehören Borkenkäfer zur heimischen Fauna und sind fester Bestandteil des Ökosystems Wald. Als Reduzenten spielen sie ihre Rolle im Kreislauf der Natur, gesunde Bäume können sich in der Regel mit Harz gegen die Eindringlinge wehren. Zum ernsthaften Problem wird der Borkenkäfer erst, wenn er sich explosionsartig vermehrt. Das kann er bei günstigen Bedingungen vor allem in den Fichtenreinbeständen, die noch immer einen großen Teil unserer Waldflächen ausmachen. So bescherte etwa der extrem trockene Sommer 2003 ein verheerendes Käferjahr, das in vielen Wäldern Bayerns weite Kahlflächen zurückließ.

So dramatisch sei es in diesem Jahr nicht, sagt Matuschek. Was aber Besorgnis errege, sei die Verteilung auf der gesamten Fläche. So gebe es fast überall Herde, von denen aus sich der Käfer verbreiten könne. Zudem sei in diesem Jahr auch der Kupferstecher aktiv, eine Unterart, die auch junge Bäume befalle. Vor allem an Waldrändern im Süden des Landkreises habe man ihn entdeckt. Deshalb müssten jetzt überall befallene Bäume erkannt, markiert und konsequent rasch entfernt werden, sagt Matuschek. Da seien auch die privaten Waldbesitzer gefordert, denen ein Großteil der Waldflächen im Landkreis gehört. Die Staatsforsten arbeiteten daher eng mit den Waldbesitzervereinigungen zusammen und böten schnelle Hilfe an, erklärt der Förster. Zum Beispiel für die immer größer werdende Zahl "urbaner Waldbesitzer", die Wälder geerbt haben, aber keine aktiven Waldbauern mehr sind.

Und weil die Larven unter der Rinde über wintern können, gilt es rasch zu handeln. "Sonst haben wir im Frühling viel größere Schäden." Deshalb werden Matuschek und seine Kollegen im Landkreis auch in den kommenden Monaten weiterhin aufmerksam durch die Wälder gehen und nach Spuren des Schädlings suchen. Wenn die Baumkronen braun und abgestorben sind, ist es schon zu spät, die Käferlarven haben den Baum dann schon verlassen und sind weitergezogen.

"Wir werden den ganzen Winter ausnutzen"

Matuschek sucht dann an den Stämmen der umliegenden Bäume nach dem verräterischen Bohrmehl, das die Käfer beim Eindringen in die Rinde hinterlassen. "Wie Schnupftabak" sehe das aus und sei, bei trockener Witterung, auf Spinnweben und Moosen leicht auszumachen. Ist ein Baum befallen, müssen auch die angrenzenden Bäume entnommen und auf Käferlarven untersucht werden. Matuschek ist zuversichtlich, dass die Förster und Waldbesitzer eine Epidemie des Schädlings im Landkreis verhindern können. "Wir werden den ganzen Winter ausnutzen", sagt er.

Die Schäden, die Stürme und Borkenkäfer seit Jahren in den Fichtenwäldern anrichten, haben zu einem Umdenken im Waldbau geführt: Die anfälligen Fichtenmonokulturen werden nach und nach, durch Pflanzungen von Laubbäumen und Naturverjüngung, zu standort- und klimagerechten Mischwäldern umgebaut. Im Neubiberger Bahnhofswald seien die Auswirkungen schon sichtbar, sagt Revierförster Matuschek. Auch wenn ein Waldumbau sehr viel Zeit brauche. Der Borkenkäfer könne aber auch diese Pläne verändern, erzählt Matuschek. Denn die Buchen, die gerade heranwachsen, haben nur eine Chance, wenn sie im Schatten großer Bäume wachsen. Im Licht, das die nun geschlagenen alten Fichten auf den Waldboden lassen, werden sie von Lichtbaumarten wie der Birke überholt.

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