Naturschutz:Blühende Landschaft

Tobias Maier ist neuer Gebietsbetreuer im Münchner Norden und als solcher gleichermaßen Naturschützer und Botschafter. Ein Spaziergang

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Mit geübtem Schwung fliegt das Schmetterlingsnetz durch die Luft. Ehe sie sich aus dem Staub machen kann, sitzt die Bläulingsdame im Glas und wird neugierig beäugt. Tobias Maier, der neue Gebietsbetreuer für die Natura-2000-Gebiete im Münchner Norden verfügt offensichtlich über viel Übung. Bei seiner Führung am Oberschleißheimer Flughafen vorbei macht er die Gruppe auf die besondere Artenvielfalt des Gebiets aufmerksam. Und er gibt auch dem normalen Gartler einige Denkanstöße, etwa mit seiner Bemerkung "wenn alles immer aufgeräumt wird, wird der Lebensraum für manche Tiere sehr klein".

Maier steht neben der Flugwerft auf einem früheren Rollfeld, das irgendwann überflüssig war und schon seit Jahren von der Natur zurückerobert wird. Auf einer Karte zeigt der Biologe, wie das Natura-2000-Gebiet um den Flughafen und den Standort der Hubschrauberstaffel der Bundespolizei herumführt. Natura 2000 das sind europaweite Biotopverbundnetze aus Schutzgebieten nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt.

Maier bezeichnet sie als alte Kulturlandschaften, die besonders artenreich sind. Das Gebiet rund um den Flugplatz Oberschleißheim umfasst 336 Hektar, ausgenommen sind nur Acker- und bebaute Flächen, das Gelände der Hubschrauberstaffel, Sportplätze, Parks und ein Teil im Norden des Flugplatzes.

Eichen, Hainbuchen und Kiefern

Typisch sind im Norden Münchens die Heideflächen, Kalkmagerrasen, Weideflächen und Wälder mit Eichen und Hainbuchen und viele Kiefern. Wobei, wie Maier erzählt, eine Vielzahl der Kiefern wohl erst von den Amerikanern nach dem Zweiten Weltkrieg angepflanzt worden sind. Er habe bei einer seiner Führungen eine ältere Dame kennengelernt, die als Schulkind mit ihrer Klasse mithelfen musste, diese Kiefern zu pflanzen, berichtet er.

Hier auf dem ehemaligen Rollfeld gedeihen wilder Thymian und der gelbblühende Hornklee prächtig. Er dient der Raupe des Bläulings als Nahrung und diese wiederum lebe in Symbiose mit den Ameisen, wie der 51-Jährige sagt. Die Ameisen könnten der Raupe durchaus gefährlich werden, aber diese habe einen Trick, um sich zu schützen. Sie sondert einen süßen Saft ab, den die Ameisen trinken. Der positive Nebeneffekt für die Raupe: "Die Ameisen beschützen ihren Honigtopf." Wie auf Bestellung flattert da ein Bläuling vorbei. Dass es sich um ein weibliches Exemplar handelt, erkennt Maier sofort an der Punktezeichnung der Flügel. Nur die Männchen haben die charakteristischen blauen Flügel.

Was das denn für eine Pflanze sei, will eine Frau wissen. Sie zeigt auf ein niedriges Gewächs am Boden. Der Biologe ist sich sicher, es ist ein Moos, aber welches, das kann er nicht sagen. Das wäre aber etwas, das er gerne noch machen würde. Wenn er sich wie Herzog Wilhelm V. seinerzeit zurückziehen könnte, würde er das nicht tun, um zu beten, sondern um die Moose zu studieren. "Das wäre meine Art der Kontemplation."

Am Würmkanal entlang führt er die Gruppe in Richtung Korbinianiholz. Unterwegs erläutert er noch die Waldsaumpflanzen, wie etwa die wilde Pastinake oder die wilde Möhre, die unschwer an dem schwarzen Punkt in der Mitte ihrer Blüte zu erkennen ist. Sie ist zwar ein Vorfahre unserer Karotte und riecht auch ähnlich, aber die Wurzeln schmecken nicht, wie der Biologe sagt. An dieser Pflanze könne man erkennen, wie viel Zuchtarbeit nötig sei.

Vögel als Indikatoren für die Naturnähe der Landschaft

Maier hat viel zu erzählen. Davon, dass Landschaften immer trockener werden, desto mehr Bäume und Sträucher entfernt werden. Davon, dass Totholz wertvoller Lebensraum für einige Tiere ist. Davon, wie sinnvoll Hecken sind, weil sie die Äcker vor Sonne und Bodenerosion schützen. Oder davon, dass Vögel "Indikatoren für die Naturnähe der Landschaft" sind. Im Gebiet um Oberschleißheim herum leben noch Feldlerchen und Schafstelzen. Am Korbinianiholz schließlich verweist der Biologe auf ineinander übergehende Vegetationszonen, in denen ein emsiges Treiben herrscht. Offenes Land wechselt zu Wald mit lichtem Charakter.

Hier blühen zahlreiche Pflanzen, wie etwa die Wiesenflockenblume oder die Schafgarbe, die besonders von Wildbienen und Hummeln geschätzt werden. Wildbienen, so erläutert Maier, fliegen nur Strecken zwischen 50 bis 300 Metern zwischen ihrer Brutstätte und der Nahrungsquelle. Hier am Waldrand finden sie gute Lebensbedingungen, denn im Totholz gibt es passende Höhlen für die Eiablage, die von Käfern vorgebohrt wurden. Oder sie graben selbst im Boden kleine Vertiefungen. An diesem Tag zählt Maier fünf verschiedene Bienenarten, darunter die Honigbiene, zwei Wildbienen und zwei Hummelarten.

Zwei Stunden lang dauert die Führung, in der Maier nicht nur die Landschaft, sondern auch sich selbst vorgestellt hat. Der Biologe hat sein Büro im Heidehaus am Rand der Fröttmaninger Heide. Zuständig ist er für die Heideflächen und Lohwälder nördlich von München, wozu auch beispielsweise die Garchinger Heide oder das Mallertshofener Holz und die Fröttmaninger Heide gehören. "Ich soll die Anliegen der Bürger entgegennehmen", sagt er, also beispielsweise, wenn sich jemand eine Bank an einem Spazierweg wünscht oder auch eine Infotafel. Die Nutzung des Gebiets am Rande Münchens ist vielfältig. Maier hat es mit Leuten zu tun, die ihre Hunde Gassi führen, mit Reitern, Radlern, aber auch mit Schäfern und Landwirten.

Der Biologe will die Schutzziele der Landschaft vermitteln, wie er sagt. Dabei ist ihm klar, dass es durchaus Interessenkonflikte geben kann. Zum Beispiel zwischen Schäfern, die ihre Tiere auf speziellen Flächen weiden lassen, und Menschen, die einen Parkplatz in der Nähe des Hollerner Sees suchen. Ist die Wiese jedoch platt gefahren, haben es die Schafe schwer, sie abzugrasen. Maier muss auch die Behörden miteinander vernetzen. Kein leichtes Unterfangen, da die Natura-2000-Gebiete von mehreren Gemeinde- und Landkreisgrenzen durchschnitten werden. Ihm geht es jedoch immer um eine gute Gesamtlösung für das Gebiet, über das er so viel zu erzählen weiß, in dem es eine so faszinierende Tier- und Pflanzenwelt gibt. Dass er noch nicht jede Moosart bestimmen kann, ist dabei wahrlich unerheblich.

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