Süddeutsche Zeitung

Nationalratswahl in Österreich:Kurz und gut

Die Österreicher sind die drittstärkste Bevölkerungsgruppe im Landkreis. Entsprechend verbreitet ist das Interesse an der Nationalratswahl. Nach Ibiza-Skandal und Regierungsbruch sehnen sich die meisten von ihnen nach politischer Stabilität und setzen auf den Ex-Kanzler.

Von Francesco Collini, Unterhaching/Planegg

Diesen Sonntag werden die Österreicher an die Urne gerufen. Die Nationalratswahl wird im Landkreis München mit besonderer Spannung verfolgt, denn Staatsbürger der Alpenrepublik sind eine der größten Bevölkerungsgruppen. Nach Angaben des Landratsamtes wohnen zwischen Aying und Unterschleißheim 4954 Menschen, die ausschließlich einen österreichischen Pass besitzen. Damit sind sie die drittgrößte Nation hinter Kroaten und Italienern. Unter ihnen sind Wirte, Adlige und ehemalige Fernsehmoderatoren. Einige sind beruflich hier, andere der Liebe wegen.

"Wir Österreicher sind hier das Salz in der Suppe", sagt Thomas Aigner. Der Wiener war in den Achtziger- und Neunzigerjahren Radio- und Fernsehmoderator beim ORF und später bei Tele 5. Weil dieser Fernsehsender seinen Sitz in Grünwald hat, zog Aigner in den Landkreis. Heute lebt er in Haar und ist als Medienunternehmer tätig. Seine Stimme hat er bereits per Briefwahl abgegeben: "Natürlich habe ich gewählt! Das ist meine Pflicht, egal ob ich in Österreich bin oder nicht", sagt er mit Leidenschaft.

Aigners Bindung zur Heimat ist noch stark. Er besuche oft seine Familie und verfolge jeden Tag das politische Geschehen. Den Ibiza-Skandal, als der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin halb Österreich zu Füßen legte, hat Aigner "mit großem Staunen verfolgt". Die Affäre sei noch immer ein beliebtes Gesprächsthema bei seinen Bekannten. Für die Zukunft seines Landes wünscht sich der Medienprofi, der mit seiner Firma in Haar Flugaufnahmen aus der Perspektive von Piloten produziert, keine Turbulenzen mehr: "Nach dieser Wahl wünsche ich mir Stabilität", sagt er. Österreich habe in letzter Zeit zu viele "kurzlebige Legislaturperioden" erlebt.

Auch viele Unterhachinger warten gespannt auf die Wahlrunde

Welche Regierung er präferiert, nachdem die türkis-blaue von ÖVP und FPÖ am Ibiza-Skandal geplatzt ist, mag Aigner nicht öffentlich sagen. Im Gegensatz zu Erika Ide. Die Putzbrunnerin würde eine Fortsetzung der Technokraten unter der amtierenden Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein nicht schlecht finden. "Nach dem, was ich von meinen Landsleuten mitkriege, ist die Stimmung im Land zurzeit ganz gut", sagt die gebürtige Grazerin, die seit 1973 im Landkreis München lebt. In Putzbrunn hat sie ihre zweite Heimat gefunden, doch ihr Herz schlägt nach wie vor für Österreich. Vor etwa neun Jahren hat sie den Altbayerisch-schwäbischen Verein der Österreicher gegründet, zu dem österreichische Staatsbürger, aber auch deutsche Liebhaber des Alpenlandes gehören. In Putzbrunn fühlt sich die Österreicherin "gar nicht im Ausland", vor allem aufgrund der Nähe zu ihrer Heimat. "Wir fahren manchmal zum Kaffeetrinken nach Österreich", erzählt Ide. Wenn sie zum Ibiza-Skandal gefragt wird, nimmt Ide ihr Land in Schutz: "Solche Sachen passieren auf der ganzen Welt." Das gehöre zu Demokratien. Dennoch hoffe sie, "dass das aufgeklärt wird". Für Zukunftsprognosen will sie die Wahlergebnisse abwarten: "Erst dann wird klar, wie es weitergehen wird."

Auch viele Unterhachinger werden gespannt auf die Wahlrunde blicken. Die Gemeinde hat seit 40 Jahren eine Partnerschaft mit Bischofshofen, einer 10 000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Salzburg. Thomas Jaeger, der Vorsitzende von Unterhachings Städte-Partnerschaftskreis, hat viel Herzblut in die Beziehungen mit der österreichischen Kommune gesteckt: "Mit denen haben wir keine Sprachschwierigkeiten", scherzt er. Der Austausch zwischen den Gemeinden sei durch die geografische Nähe regelmäßig. Jedes Jahr werde ein Bus voller Unterhachinger in Bischofshofen zum Abschluss der Vierschanzentournee empfangen. Erst heuer wurde das Jubiläum groß mit Gästen aus Bischofshofen gefeiert. Wegen der Partnerschaft fahren viele Unterhachinger zum Skifahren oder zum Wandern nach Bischofshofen. Deswegen werden am Sonntag einige mitfühlen: "Über die Jahre sind viele Freundschaften entstanden."

Ein Planegger war Nachbar von Arnold Schwarzenegger

Eine weitere Gemeinde des Landkreises, die eine intensive Beziehung zu Österreich hat, ist Planegg. Michael Kukovetz ist Wirt des gleichnamigen Gasthauses - und ehemaliger Nachbar von Arnold Schwarzenegger. Der Grazer ist 1999 mit seiner Frau in den Landkreis gezogen, in Bayern sei er "recht gerne". Auch er hat schon per Briefwahl gewählt. Die Zukunft des Landes sieht er in den Händen von Sebastian Kurz. Dieser werde das Land "in eine gute Zukunft führen", sagt Kukovetz.

Dass Kurz sich auf eine Regierung mit der FPÖ eingelassen hat, sieht der Wahl-Planegger nicht problematisch. Straches Verhalten aber sei "einfach furchtbar" gewesen. Der Ansicht ist auch ein anderer Planegger: der parteifreie Gemeinderat Peter von Schall-Riaucour: "Ich hoffe, dass Kurz mit seinem jungen Alter Österreich in Schwung bringt." Die österreichische Politik ist Familientradition bei Schall-Riaucour. Sein Großvater war Adjutant von Kaiser Franz Joseph. Der hat deutlich länger regiert als Kurz.

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SZ vom 28.09.2019/hilb
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