Nahversorgung:Lebensmittel aus dem Lastwagen

Weil es im Unterschleißheimer Stadtzentrum keine Einkaufsmöglichkeit mehr gibt, hält jeden Montag ein rollender Supermarkt des Roten Kreuzes für eine Stunde auf dem Rathausplatz. Vor allem ältere Menschen nehmen das Angebot dankbar an

Von Sabine Wejsada, Unterschleißheim

Normalerweise sind Christian Mangold und Markus Lommer mit ihrem rollenden Supermarkt im Erdinger Hinterland unterwegs. In kleinen Dörfern, wo es keine Lebensmittelgeschäfte gibt, weil sich Discounter und Supermärkte auf der grünen Wiese angesiedelt haben. Vor allem ältere Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind und kein Auto haben, um an den Ortsrand oder in die Nachbargemeinde zu fahren, zählen zu ihren Kunden. Nun fahren die beiden Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuzes auch die größte Kommune im Landkreis München an. Jeden Montag von 8.30 bis 9.30 Uhr machen sie auf dem Rathausplatz in Unterschleißheim direkt vor der Kreissparkasse Halt - und werden von den Kunden bereits erwartet.

Der 11,50 Meter lange und zehn Tonnen schwere Truck stoppt, dann wird die Tür von innen aufgemacht, das Treppchen mit den drei Stufen hinuntergeklappt und schon kann der Einkauf losgehen. Mangold und Lommer helfen den älteren Herrschaften hinein in den rollenden Supermarkt, dessen Sortiment kaum Wünsche offen lässt. "Hier kriegt man wirklich alles", sagt eine 80-Jährige, die eigentlich nur einen Becher saure Sahne kaufen wollte, jetzt aber noch ein paar andere Sachen entdeckt hat, die sie über die Woche bringen. "Dass der Wagen montags kommt, finde ich nicht gut", sagt die Frau, "ein anderer Tag wäre schon besser."

Nahversorgung: Montags kommen Markus Lommer (vorne) und Christian Mangold (hinten) mit ihrem Truck nach Unterschleißheim.

Montags kommen Markus Lommer (vorne) und Christian Mangold (hinten) mit ihrem Truck nach Unterschleißheim.

(Foto: Catherina Hess)

Eine zweite Kundin, die an diesem Morgen mit Knäckebrot und Kapseln für die Kaffeemaschine den Truck verlässt, teilt diese Meinung nicht ganz. "Das ist doch besser wie nichts", findet die gut gekleidete 90-Jährige, der man ihr Alter überhaupt nicht ansieht. Die Stufen aus dem Verkaufsraum, in dem Obst, Gemüse, Brot und Milch neben Hygieneartikeln, Keksen, Konserven sowie Katzen- und Hundefutter zu handelsüblichen Preisen säuberlich in Regalen und Kisten verstaut sind, hat die Seniorin ohne fremde Hilfe überwunden.

So fit ist sie noch, Auto aber fährt sie seit einiger Zeit nicht mehr. Und ohne fahrbaren Untersatz zu einem Discounter oder großem Supermarkt außerhalb des Stadtzentrums zu kommen, ist ein Problem. Seitdem vor ein paar Wochen der Edeka im maroden Einkaufszentrum IAZ geschlossen hat, haben die vielen dort lebenden Senioren weite Wege in Kauf nehmen müssen. Dass nun ein rollender Supermarkt am Rathausplatz Station macht, ist für sie eine Erleichterung. "Es wäre nicht schlecht, wenn er zweimal die Woche zu uns kommt", sagt die 90-Jährige, vielleicht freitags noch einmal, "dann könnte man den Kühlschrank fürs Wochenende füllen".

Nahversorgung: Rollender Supermarkt des Roten Kreuzes.

Rollender Supermarkt des Roten Kreuzes.

(Foto: Catherina Hess)

Der Supermarkt-Truck aus Erding ist eine weitere Anstrengung der Stadt, die trostlose Einkaufssituation rund um den Rathausplatz zu verbessern. Zuvor hatte die Kommune bereits in Kooperation mit der Nachbarschaftshilfe Einkaufsfahrten vom Rathausplatz zu örtlichen Einkaufsmärkten initiiert. Beides aber kann nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass die Lage nach der Edeka-Schließung im IAZ schwierig ist. Während der Unterschleißheimer Bürgermeister Christoph Böck (SPD) in den beiden Angeboten der Stadt eine Verbesserung der Einkaufssituation im Zentrum sieht, gibt es Kritik von vielen Seiten: Martin Reichart von den Freien Bürgern (FB) etwa hält die Öffnungszeit des rollenden Supermarktes von einer Stunde in der Woche für ein "Tröpfchen auf den ganz heißen Stein", wie er kürzlich im Stadtrat sagte. Diese Aktivitäten würden nicht zudecken, was am IAZ seit Jahren versäumt worden sei, kritisierte Reichart in der jüngsten Sitzung.

Seit Langem wird um das Einkaufszentrum gerungen: Nach vielen Turbulenzen und einigen Investoren stieg 2015 die Rock Capital Group mit Sitz in Grünwald im IAZ ein, bei dem viele Eigentümer mitbestimmen durften, was und wann saniert wird. Mit der Folge, dass jahrelang wenig passierte und immer mehr Läden aufgaben. Stück für Stück kaufte sich die Rock Capital Group die Anteile zusammen. Die angestrebten 100 Prozent, die nach Angaben des Investors Voraussetzung für weitere Planungen sind, aber besitzt dieser noch nicht. Bei der Stadt geht man von einem Neubau aus. Noch heuer sollen die Pläne dafür auf den Weg gebracht werden, nicht nur für das IAZ, sondern auch für das benachbarte Postgrundstück. Es gehört dem Betreiber der Rathaus-Apotheke, Robert Müller. Er versucht seit Langem, seine Ideen für ein Ärztehaus mit Einzelhandel und Seniorenwohnungen voranzubringen. Bislang vergebens, weil es eine Komplettlösung für den Bereich geben soll. Müller kritisiert den Bürgermeister scharf. Mit dieser Blockade habe die Stadt "schon viele Läden, die Nahversorgung und bald auch Ärzte vom Rathausplatz vertrieben", sagt er. Ein rollender Supermarkt könne dies wohl kaum wettmachen.

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