Süddeutsche Zeitung

Nahversorgung:Der einzige Metzger im Ort soll bleiben

Unterföhringer SPD fordert Perspektiven für den Fleischer im Gocklwirt und einen Stopp der Planungen für den Teilabriss.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Seit ein paar Wochen laufen in Unterföhring die Abbrucharbeiten am früheren Gocklwirt. Nun hat die SPD-Fraktion im Gemeinderat einen Appell an Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) und an die Sprecher der anderen im Gremium vertretenen Parteien und Gruppierungen gerichtet - mit dem Ziel, die Planungen für den Teilabriss des Gebäudes auszusetzen. Zudem soll im Hinblick auf das weitere Vorgehen der Ältestenrat einberufen werden.

Hintergrund ist ein Gespräch, das SPD-Fraktionsführer Philipp Schwarz zusammen mit Seniorenbeiratschef Wolfgang Schwaiger mit Thomas Schäfert, dessen Metzgerei im Anbau untergebracht ist, geführt haben. Darin habe dieser seine Besorgnis geäußert, "weil ihm und seinem Betrieb jegliche wirtschaftliche Perspektive genommen wird", schreibt Schwarz. Schäfert fühle sich in Unterföhring nicht mehr erwünscht. Dabei habe die Gemeinde lange Zeit nach einem Metzger suchen müssen, der in den Anbau ziehen wollte. Nun beeinträchtigten die Arbeiten am Gockl den Betrieb der Metzgerei wesentlich, und es sei nicht klar, ob Schäfert den Laden überhaupt öffnen könne, wenn die Bagger anrollen, um Gasthaus und Hotel abzureißen, heißt es in dem Appell von Schwarz.

Im November 2018 hatte der Gemeinderat in einer nicht öffentlichen Sondersitzung für den Gockl mehrheitlich gegen die Stimmen der SPD einen Abriss in Raten beschlossen: Der Anbau mit der Metzgerei soll bis 2024 stehen bleiben, wenn der Pachtvertrag von Schäfert ausläuft. Derweil soll das Grundstück nicht bebaut werden und als Wiese dienen, bevor das Gasthaus nach historischem Vorbild wieder errichtet wird. Der SPD lässt es nach eigenen Angaben "keine Ruhe, dass wir hier möglicherweise mehrere Fehler machen", formuliert Schwarz in seinem Schreiben. Noch dazu, weil mittlerweile offenbar auch Fachleute einen reibungslosen Weiterbetrieb der Metzgerei während der Abbruchphase bezweifelten und durch das seit Jahren stattfindende "viele Hin und Her" Steuergeld "verbraten" werde.

Unterstützung vom Seniorenbeirat

So sei anzunehmen, dass der Teilabriss ebenfalls hohe Kosten verursachen werde, allein schon durch Sicherungs- und Abstützungsmaßnahmen, um die alte Metzgerei während des Abbruches zu schützen und noch bis zum Pachtende 2024 erhalten zu können. Ob das Metzgereigebäude durch den Teilabriss dann noch funktioniert, zweifelt Schäfert laut SPD an.

Die Sozialdemokraten haben seit jeher für den Erhalt, die Sanierung und die Nutzung des seit 2012 im Besitz der Kommune befindlichen Gocklwirts gekämpft, waren aber an den Mehrheitsverhältnissen gescheitert. "Wir können und wollen den Abriss des Gockls nicht blockieren, auch wenn er für uns einen sehr großen Fehler darstellt. Wir können aber nicht hinnehmen, dass wir als Gemeinde derart mit einem Unterföhringer Wirtschaftsbetrieb und seinen Mitarbeitern umgehen. Wir fordern daher den Bürgermeister auf, eine Lösung zu finden", so die SPD. Deshalb sollen nach den Worten von Schwarz die Abrissarbeiten kurzzeitig unterbrochen werden, fordert die Fraktion und schlägt vor, einen Standort für den Bau einer Interims-Metzgerei für Schäfert zum Beispiel in der neuen Ortsmitte zu prüfen. Darüber hinaus soll mit dem Metzger über eine Betriebspause verhandelt werden, "die den vollständigen und sofortigen Abriss des gesamten Gockls ermöglicht". Die SPD hält es für sinnvoll, die Angelegenheit sehr kurzfristig und fraktionsübergreifend im Ältestenrat zu besprechen.

Unterstützung erhalten die Sozialdemokraten vom Seniorenbeirat. Das Gremium schließt sich dem Anliegen inhaltlich an, das die SPD-Fraktion in ihrem Schreiben zum Ausdruck bringt, wie Beiratsvorsitzender Schwaiger schreibt. So bezögen viele Senioren ihr Essen oder ihre Fleisch- und Wurstwaren von der Metzgerei Schäfert. "Es wäre besonders schwierig, wenn die Metzgerei etwa in der Weihnachtszeit und über Neujahr schließen würde." Zusammen mit dem Umbau des Marktkaufs und der damit verbundenen Schließung werde die Nahversorgungsinfrastruktur für die Älteren am Ort sehr beeinträchtigt.

"Um zu verhindern, dass die Metzgerei ihre Pforten in Unterföhring schließt, sollte versucht werden, den Inhabern eine langfristige Perspektive zu vermitteln und für die Jahre des Übergangs eine Zwischenlösung zu erarbeiten", so Schwaiger.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019/hilb
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