Mobilität:Busse halten das Netz zusammen

Mobilität: Eine wichtige Rolle kommt Bussen im neuen Nahverkehrsplan des Landkreises zu.

Eine wichtige Rolle kommt Bussen im neuen Nahverkehrsplan des Landkreises zu.

(Foto: Claus Schunk)

Zwar verfolgt die Kreispolitik den Weiterbau der U-Bahn nach Ottobrunn, Feldkirchen und Neufahrn und träumt von Seilbahnen, doch Herzstück des neuen Nahverkehrsplans sind Express- und Tangentiallinien auf der Straße.

Von Martin Mühlfenzl

Die Corona-Krise schlägt auch beim öffentlichen Personennahverkehr durch. Viele Menschen meiden Bus, Bahn und Tram aus Angst vor einer Ansteckung, den Verkehrsunternehmen brechen dadurch Einnahmen weg und das Auto feiert unter den Pendlern eine Renaissance. Das hindert allerdings die Kreispolitik nicht, den Ausbau des ÖPNV im Landkreis massiv voranzutreiben und im Eiltempo den neuen Nahverkehrsplan aufzulegen, der noch im Juli vom Kreistag verabschiedet werden soll. Ein mehr als 300 Seiten dickes Konvolut, das den Rahmen für die Entwicklung des Verkehrs im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaats vorgeben und einer rasanten Entwicklung Rechnung tragen soll. So haben von 2012 bis 2018 die Fahrgastzahlen im Landkreis München wochentags um 36,7 Prozent zugelegt, an Samstagen sogar um 67,3 Prozent und sonntags um 102,7 Prozent.

Erstmals legte der Kreistag im Jahr 2013 einen eigenen Nahverkehrsplan auf, der nun fortgeschrieben wird - allerdings unter neuen Vorzeichen. "In den vergangenen sieben Jahren hat sich wahnsinnig viel getan. Wir sind mir diesem Plan absolut mustergültig im Freistaat", sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Büchler aus Oberschleißheim vorige Woche in der Sitzung des Mobilitätsausschusses des Kreistags. "Natürlich ist zu befürchten, dass der ÖPNV eine kleine Delle haben wird. Aber wir dürfen nicht nachlassen mit dem Ausbau des ÖPNV, sonst haben wir bald noch mehr Staus", so der Verkehrsexperte seiner Fraktion.

Eine Haltung, der sich die anderen Fraktionen anschlossen, allerdings mit kleinen Vorbehalten. Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sagte etwa, die Kreispolitik müsse die Kosten im Blick behalten. Sein Oberhachinger Amtskollege, CSU-Fraktionschef Stefan Schelle, ergänzte, die einbrechenden Steuereinnahmen angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie würden der Politik den Rahmen vorgeben, diese müsse Prioritäten setzen.

Busse haben an Attraktivität gewonnen

Dies ist angesichts der umfassenden und breit gefächerten Maßnahmen innerhalb des Nahverkehrsplans ohnehin zwingend erforderlich. Herzstück des Plans ist und bleibt der Busverkehr, der deutlich an Attraktivität gewonnen hat. Legten die Busse 1996 fünf Millionen Kilometer zurück, waren es im vergangenen Jahr bereits 14,4 Millionen Kilometer. Das liegt vor allem daran, dass Buslinien schnell und unkompliziert aufgebaut werden können, während es bei Tram, S- und U-Bahn teils Jahrzehnte dauern kann, bis sie überhaupt genehmigt sind. Der zweigleisige Ausbau der S 7 Richtung Aying ist ein Beispiel.

Dennoch spielt auch die Schiene im Nahverkehrsplan, der vom Büro Planmobil erstellt wurde, eine wichtige Rolle: Im Fokus steht die Verlängerung U 5 von Neuperlach-Süd aus über Ottobrunn bis zum Ludwig-Bölkow-Campus, aber auch einer Verlängerung der U 6 von Garching nach Neufahrn, eine Weiterführung der U 2 von der Messestadt-Ost nach Feldkirchen und Heimstetten, eine tangentiale Stadtbahn über Feldmoching, Oberschleißheim und Unterschleißheim nach Garching sowie eine Untersuchung für eine Stadtbahn im Würmtal. Auch der Traum von einer Seilbahn als kostengünstige Variante lebt weiter: Im Nahverkehrsplan werden gleich zehn Trassen aufgeführt, darunter eine Verbindung zwischen Garching-Hochbrück und Unterschleißheim und die Variante vom Frankfurter Ring aus über die Studentenstadt nach Unterföhring, die auch im Münchner Stadtrat bereits behandelt wurde.

Landrat Christoph Göbel (CSU) spricht von der "zweiten Stufe" des Nahverkehrsplans, die genommen werden müsse, das heißt vor allem Taktverdichtungen bei allen Verbindungen. Bis 2022 müssten zudem alle Haltestellen barrierefrei umgebaut werden. Auch müsse der ÖPNV mit dem Individualverkehr verzahnt werden.

Konkret soll vor allem der Busverkehr ausgebaut werden; hierfür wurden im Nahverkehrsplan 16 Expressbuslinien konzipiert, viele davon als sogenannte landesbedeutsame Linien, die vom Freistaat speziell gefördert werden. Die Staatsregierung wird ohnehin massiv in die Finanzierung einsteigen müssen, hatte doch Verkehrsminister Hans Reichart (CSU) im vergangenen Oktober den Aufbau von Ringbuslinien um die Landeshauptstadt angekündigt - anstelle einer kaum realisierbaren Stadt-Umland-Bahn. Wichtige Trassen bei den Expressbussen, die in die Ringbuslinie integriert werden können, sind etwa die neue Linie 201 von Garching über Oberschleißheim bis Dachau. Als tangentiale Verbindung soll die Linie 202 von Unterschleißheim über Garching-Hochbrück, Ismaning, Aschheim und Feldkirchen bis Haar aufgebaut werden. Weitere Trassen im gesamten Landkreis sollen auch neue Verbindungen in die Landeshauptstadt herstellen, etwa mit der Linie 220 von Putzbrunn über Unterhaching bis nach Sendling. Als landesbedeutsame Linie ist der 320er-Bus vom S-Bahnhof Deisenhofen bis nach Wolfratshausen angedacht.

Um den Busverkehr voranzutreiben, hält Landrat Göbel Maßnahmen zu Beschleunigung für zentral. Hierfür seien teils erhebliche bauliche Veränderungen notwendig. Es gibt aber auch Überlegungen, Expressbusse im nordöstlichen Landkreis über eine reservierte Spur über den Autobahnring der A 99 fahren zu lassen. In der Gemeinde Ottobrunn wurden zuletzt die Haltestellen an der Rosenheimer Landstraße optimiert, damit vor allem die Busse der stark frequentierten Linie 210 mit hoher Geschwindigkeit die Station anfahren und von dort wieder abfahren können.

Der Nahverkehrsplan, sagte Göbel im Ausschuss, sei kein starres Konzept, sondern ein "Rahmen", welcher der Kreispolitik Orientierung gebe. Dass alle Vorschläge in den nächsten sechs Jahren umgesetzt werden, gilt als ausgeschlossen. Einerseits weil bei vielen Projekten Bund und Freistaat in der Verantwortung stehen, andererseits weil die Corona-Krise den finanziellen Spielraum arg einengen könnte.

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