Nahverkehr:Der gläserne Fahrgast

Bushaltestelle am Leonrodplatz in München, 2014

Wie viele Fahrgäste steigen wo ein und aus? Solche Daten sollen demnächst vollautomatisch erfasst werden.

(Foto: Florian Peljak)

Von Dezember 2020 an soll auf den Buslinien im Landkreis ein automatisiertes Zählsystem eingeführt werden

Von Stefan Galler, Landkreis

Welche Busse sind regelmäßig zu bestimmten Uhrzeiten überfüllt? Und auf welchen Linien fährt zu welcher Tages- und Nachtzeit kaum einer mit? Um das Nahverkehrsnetz möglichst gut an die Bedürfnisse der Fahrgäste anzupassen, sind Antworten auf diese Fragen wichtig. Diese Informationen sind aber auch für den Landkreis von Interesse, weil sich damit Ausgaben und Einnahmen besser steuern lassen. Die fortschreitende Digitalisierung macht es nun möglich, die Antworten auf die Fragen genau zu liefern.

In den Regionalbussen des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) wird schon bald eine völlig automatisierte Fahrgastzählung Aufschluss darüber bringen, welche Linien wie stark ausgelastet sind und welche Strecken die Menschen aus welchen Verbundlandkreisen genau zurücklegen. Der Kreisausschuss hat am Montag - auf Empfehlung des Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur - die Einführung und den Betrieb eines solchen Automatischen Fahrgastzählsystems gebilligt. Demnach wird der Kreis die ihm zurechenbaren jährlichen Kosten in Höhe von 300 000 bis 350 000 Euro tragen. Bei der Zählung werden die erfassten Rohdaten auf einen zentralen Server des MVV übertragen und anschließend mit einer bereits vorhandenen Software verarbeitet.

In einem ersten Schritt erfolgt eine Ausschreibung, um den wirtschaftlichsten Anbieter eines On-Board-Systems zur Datenerhebung zu finden. Geplant ist laut Landrat Christoph Göbel (CSU), die technischen Geräte für einen Zeitraum von acht Jahren zu mieten, anschließend sei das System vermutlich veraltet. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2020 soll die Ausstattung der Busse auf jenen Linien erfolgen, deren Betrieb neu vergeben wird. Linien, bei denen keine Neuvergabe ansteht, sollen sukzessive nachgerüstet werden.

Ziel beim Einsatz der automatisierten Zähltechnik ist es, durch möglichst geringen Aufwand viele belastbare Daten über die Busnutzung zu erlangen und diese möglichst zeitnah zur Verfügung zu haben. Im Gegenzug kann sich etwa der Landkreis München zumindest langfristig die Kosten für manuelle Fahrgastzählungen sparen. Die gesammelten Daten sollen dann auch als Basis für die Einnahmenaufteilung zwischen Stadt und Landkreisen dienen.

Bei den Kreisräten stieß das neue System nicht vorbehaltlos auf Begeisterung. CSU-Fraktionschef Stefan Schelle stellte die Investition im Mobilitätsausschuss infrage. "Wir bezahlen dafür fast so viel wie für eine ganze Buslinie, nur um zu wissen, wer mitfährt?", merkte er kritisch an und wollte vom Landratsamt wissen, inwiefern Stichproben ausreichten, um durch Hochrechnungen auf ein authentisches Ergebnis zu kommen. Nach den Worten von Landrat Göbel wird man vorerst nicht auf ergänzende manuelle Fahrgasterhebungen verzichten können. Stichproben in größeren Abständen genügten aber. Wenn sich erst einmal das Handyticket durchgesetzt habe, werde man die Frequentierung der einzelnen Busse ganz exakt erheben können, so Göbel. "Diese Zahlen können wir dann mit dem automatischen Fahrgastzählsystem koppeln."

Eine spitzfindige Frage hatte die Unterschleißheimer Kreisrätin Brigitte Weinzierl (CSU). Sie wollte wissen, ob Fahrgäste, die an Haltestellen aus- und dann wieder einsteigen, um anderen den Vortritt zu lassen, doppelt gezählt würden. Das sei tatsächlich so, hieß es von Verwaltungsseite. Landrat Göbel hatte als Reaktion sogleich einen - ironisch gemeinten - Vorschlag: "Damit wir unsere anteiligen Fahrgastzahlen und damit die Einnahmen mehren, gibt es jetzt einfach die Weisung, dass alle Landkreisbürger an den Haltestellen raus und wieder rein müssen. Am besten gleich ganze Schulklassen."

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