Süddeutsche Zeitung

Nahverkehr:Das Schüler-Ticket wäre ein Anfang

Kreispolitiker von CSU, SPD und Grünen begrüßen Söders Vorstoß für einen günstigen Ausbildungstarif und wollen den Ministerpräsidenten beim Wort nehmen. Gleichzeitig mahnen sie echte Verbesserungen beim Nahverkehr an.

Von Martin Mühlfenzl

Jetzt soll also alles plötzlich ganz schnell gehen. Noch in diesem Herbst soll das 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende eingeführt werden, flächendeckend in allen Verkehrsverbünden - also auch im Bereich des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV). Das hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einem Treffen mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände vor wenigen Tagen bekanntgegeben.

Die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) will den Ministerpräsidenten beim Wort nehmen und baut mit einem Antrag Druck auf: Zusammen mit den acht Verbundlandkreisen und der Landeshauptstadt soll sich Landrat Christoph Göbel (CSU) bei der Staatsregierung darum bewerben, Pilotprojekt für das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis zu werden. "Der MVV ist der ideale Verkehrsverbund, um als Pilotregion den Start in Bayern zu machen", argumentiert Ganssmüller-Maluche. "Wir sind eine junge Region, haben entsprechende Infrastruktur und eine Jugend, die Alternativen zum Autoverkehr sucht."

Auch Göbel betont, es dürfe keinesfalls passieren, dass der größte Ballungsraum nicht berücksichtigt werde; etwa mit dem Argument, der MVV-Verbund habe ja bereits eine Zusage des Ministerpräsidenten von jährlich 35 Millionen für die MVV-Tarifreform - zusätzlich zu den versprochenen 15 Millionen Euro im Jahr für die Taktverdichtung. Dass Auszubildende und Schüler tatsächlich noch von diesem Herbst an auch im Landkreis München das 365-Euro-Ticket erwerben können, hält Göbel aber rein zeitlich für ein ambitioniertes Ziel.

Im Landkreis München wird nicht erst seit den zähen Verhandlungen über die MVV-Tarifreform sehr genau beobachtet, welche Maßnahmen der Freistaat ergreift, um vor allem den öffentlichen Nahverkehr voranzubringen. Ministerpräsident Söder hatte im Landtagswahlkampf zugesagt, jährlich 15 Millionen Euro in Taktverdichtungen auf den Außenästen der Münchner S-Bahn zu investieren, um dort - wo es möglich sei - zumindest einen durchgängigen 20-Minuten-Takt zu realisieren.

Unter anderem diese Zusage führte dazu, dass besonders skeptische Kreisräte ihre Bedenken beiseite wischten und der Tarifreform im Kreistag doch zustimmten. Mittlerweile fühlen sich viele Kommunalpolitiker verschaukelt; sie kritisieren, dass bisher nichts umgesetzt worden sei und sich der Freistaat nicht an seine Versprechen halte.

Tarifreform

Zum 15. Dezember dieses Jahres tritt die MVV-Tarifreform in Kraft, die vor allem eine Vereinfachung des unübersichtlichen Systems aus Ringen und Zonen mit sich bringen und für Pendler deutlich günstigere Ticketpreise zur Folge haben soll. Vor allem im Landkreis München gab und gibt es allerdings massive Vorbehalte gegen die Neustrukturierung der Ticketpreise und Zonen - vor allem in den nördlichen Kommunen. Denn das Ziel des Landkreises war es in den zähen, drei Jahre dauernden Verhandlungen stets, alle 29 Städte und Gemeinden in die neu geschaffene Zone M zu integrieren, den künftigen MVV-Innenraum. Dieses Vorhaben aber wurde klar verfehlt. Zwar schafften es etwa Haltestellen wir Furth oder Deisenhofen (beide Gemeinde Oberhaching) in die Zone M, die wirtschaftsstarken und bevölkerungsreichen Kommunen Unterschleißheim, Garching, Ismaning und Kirchheim im Norden wurden trotz anhaltender Proteste der Bürgermeister der Zone eins zugeschlagen. müh

Markus Büchler, Landtagsabgeordneter und Kreisrat aus Oberschleißheim, begrüßt daher grundsätzlich den Vorschlag für ein 365-Euro-Ticket. Bisher wisse er aber nur, dass so ein Ticket kommen soll, im Haushalt seien dafür noch keine Mittel eingestellt. "Und es wurde nicht gesagt, in welchem Geltungsbereich", sagt er.

"Wir können natürlich nicht erwarten, dass der Freistaat alles zu 100 Prozent übernimmt."

"Wir wissen auch nicht, was zum Beispiel mit Ansprüchen bei der Schülerbeförderung ist, wenn Eltern klagen, weil sie die nicht erhalten", sagt Büchler. "Daher sind wir sehr neugierig, was da im Detail alles geplant ist." Nur an einzelnen Tarifen zu schrauben, reiche auch nicht, um den ÖPNV langfristig zu verbessern und zu stärken, betont Büchler: "Weil wir die Leute mittlerweile nicht mehr transportiert bekommen. Die viel größere Einstiegshürde in den ÖPNV ist doch die Zuverlässigkeit und Qualität, daran hakt es."

Göbel nennt einen einheitlichen Ausbildungs- und Schülertarif "natürlich sinnvoll". Jede Maßnahme sei zu begrüßen, die junge Menschen für den öffentlichen Nahverkehr sensibilisiere, sagt Göbel. Er sieht dabei auch die kommunale Ebene in der Verantwortung: "Wir können natürlich nicht erwarten, dass der Freistaat alles zu 100 Prozent übernimmt. Genau so wenig halte ich davon, dass wir uns so sehr auf das 365-Euro-Ticket für alle fixieren, das immer wieder im Gespräch ist."

Die Verflechtungen der einzelnen Regionen im Freistaat seien so weit fortgeschritten, dass man nicht nur auf einzelne Verbunde schauen dürfe, sagt der Landrat. "Für mich ist entscheidend, dass wir zu einem Flattarif kommen und dass der in allen Verbunden kommt", sagt Göbel - als Bayerntarif.

Wenn es um die Umstrukturierung des öffentlichen Nahverkehrs geht, verweisen im Landkreis Kommunalpolitiker aller Couleur immer wieder auf zwei Beispiele: Wien und Südtirol. Rund um Meran und Bozen etwa, sagt Ismanings Rathauschef Alexander Greulich (SPD), müsse der Pendler kein Ticket mehr umständlich am Fahrkartenautomaten kaufen.

"Das läuft über das Smartphone. Und je mehr er fährt, desto günstiger werden die Tarife", berichtet Greulich. "Uns wird immer gesagt hier geht das nicht." Und in Österreichs Hauptstadt wurde laut Büchler derart viel in den ÖPNV investiert, "dass alle drei Minuten eine Fahrgelegenheit vorbeikommt". Andererseits sei das Parken in der Stadt so teuer geworden, dass sich die Leute zwei Mal überlegen würden, ob sie ins Auto steigen.

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SZ vom 07.05.2019/wkr
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