Nachhaltigkeit:Werkstätten für ein zweites Leben

Nachhaltigkeit: Im Repair-Café kann man den Tüftlern bei der Arbeit zuschauen und bei erfolgreichem Eingriff direkt sein Gerät wieder mitnehmen.

Im Repair-Café kann man den Tüftlern bei der Arbeit zuschauen und bei erfolgreichem Eingriff direkt sein Gerät wieder mitnehmen.

(Foto: Volkshochschule Südost)

Reparatur-Cafés liegen im Trend, weil sie Ressourcen sparen helfen. Doch gerade junge Menschen machen bisher kaum mit.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Der noch gar nicht alte Staubsauger gibt seinen Geist auf, das Radio macht plötzlich keinen Mucks mehr und die Heizdrähte vom Toaster bleiben kalt. Der Frust ist meist groß, wenn technische Geräte kaputt gehen. Und die Frage folgt auf den Fuß, ob man das Ding jetzt wirklich wegschmeißen muss. Alles redet doch von Nachhaltigkeit und knappen Ressourcen. Doch weil Hersteller und Fachmärkte kaum noch reparieren, haben vor gut zehn Jahren Menschen zur Selbsthilfe gegriffen: In Amsterdam entstanden 2010 die ersten Repair-Cafés, wo handwerklich begabte Menschen mit Schraubenzieher und Lötkolben kaputten Geräten ein zweites Leben schenkten. Das Modell machte Schule. Heute gibt es deutschlandweit Hunderte Repair-Cafés, Reparatur-Bars oder ähnliche Einrichtungen. Im Landkreis München sind es aktuell zehn. Und es kommen in Aying und Putzbrunn gerade zwei neue dazu.

Dabei geht es nicht einfach darum, Dinge wieder zum Laufen zu bringen. Schon die ersten Initiativen in den Niederlanden nahmen auch den zum Konsumenten reduzierten Menschen in den Blick. Die Leute sollten beim Reparieren zusammenkommen, sich austauschen und in den Werkstätten mit angeschlossenem Café- oder Barbetrieb sollte der soziale Zusammenhalt gestärkt werden. Lisa Zimmermann hat 2015 für die Volkshochschule-Südost in Ottobrunn ein Repair-Café mit aufgebaut. Seitdem begleitet sie solche Initiativen. Kommenden Samstag, 21. Januar, findet unter dem Motto "Reparieren statt Wegwerfen" das erste solche Treffen in Aying statt. In Putzbrunn steht eine Premiere am Samstag, 11. Februar, an. "Sie werden auch Kuchen backen", haben die reparaturwütigen Tüftler Lisa Zimmermann zugesagt.

Nachhaltigkeit: Lisa Zimmermann von der Volkshochschule Südost repariert nicht selbst, aber sie kümmert sich um einen geregelten Ablauf der Treffen.

Lisa Zimmermann von der Volkshochschule Südost repariert nicht selbst, aber sie kümmert sich um einen geregelten Ablauf der Treffen.

(Foto: Volkshochschule Südost)

Heute beugen sich viele technisch Begabte an vielen Orten regelmäßig über kaputte Toaster und reparieren in der Regel in kurzer Zeit die Geräte. Anmeldungen sind nicht üblich, dafür gibt es auch keine Gewähr, dranzukommen oder gar dafür, dass etwas auch wieder repariert wird. Ganz unterschiedliche Gruppierungen stehen hinter den Initiativen. In Unterschleißheim macht das die Agenda-Gruppe, in Unterföhring die Gruppe "Zukunft Unterfairing", in der sich Menschen zusammengetan haben, die sich als Teil der "Transition-Bewegung" verstehen. Sie glauben an eine bessere Welt durch Wandel in vielen Bereichen. Auch Urban-Gardening-Projekte zählen dazu. In Haar und Taufkirchen steht wie in Ottobrunn, Aying und Putzbrunn die Volkshochschule hinter dem Projekt mit Partnern etwa von der Agenda 21, in Grünwald die Nachbarschaftshilfe, in Pullach der Bund Naturschutz. In Gräfelfing gab die Gemeinde mit den Anstoß und die Bürgerwerkstatt half mit und in Garching trägt die Gruppe "Lebendiges Garching" das Repair-Café, in Schäftlarn das Kindernetz im Familienzentrum.

Nachhaltigkeit: Für manche Kenner mit dem richtigen Werkzeug ist eine Radl-Reparatur ein Klacks.

Für manche Kenner mit dem richtigen Werkzeug ist eine Radl-Reparatur ein Klacks.

(Foto: Volkshochschule Südost)

In den nächsten Wochen stehen wieder viele Termine an, zu denen man mit seinem Staubsauger, Radio oder Toaster kommen kann. Nach der zwangsweisen Pause durch die Corona-Pandemie läuft es wieder an, wobei das zwischenzeitlich etablierte Werkstatt-Café in Höhenkirchen-Siegertsbrunn durch die Corona-Probleme eingeschlafen ist. Lisa Zimmermann war 2015 von der VHS Taufkirchen und den dortigen Aktivitäten inspiriert worden. Der Wertstoffhof des Zweckverbands Südost mit seinem angeschlossenen Café und Second-Hand-Warenhaus "Trödel und Tratsch", was auch einen guten Namen für ein Repair-Café abgeben würde, befand sich nur ein paar Häuser von der VHS entfernt. Was lag da näher, als dorthin regelmäßig Menschen mit ihren kaputten Geräten zum Reparatur-Treff einzuladen?

Nachhaltigkeit: Die Bastler waren früher oft selbst im Handwerk oder haben was Technisches studiert. Das richtige Werkzeug haben sie natürlich zur Hand.

Die Bastler waren früher oft selbst im Handwerk oder haben was Technisches studiert. Das richtige Werkzeug haben sie natürlich zur Hand.

(Foto: Volkshochschule Südost)

Die Nachfrage ist groß. Auch jetzt ein paar Jahre später. Man kommt einfach vorbei, ohne Anmeldung, es kostet auch nichts. Spenden sind willkommen. Zuletzt kamen Zimmermann zufolge etwa 80 Besucher zum Repair-Café, was sie auch darauf zurückführt, dass der Treff in Höhenkirchen-Siegertsbrunn nicht mehr stattfindet. Einmal im Halbjahr steht jetzt der Termin in Ottobrunn. Bei 50 oder 60 Besuchern liege man im Durchschnitt, sagt Zimmermann. Manche kämen direkt zum Ratschen. "Das ist eine gesellige Geschichte." Und mancher geht selbst dann zufrieden heim, wenn etwas irreparabel ist. "Viele Leute sind auch erleichtert, wenn sie wissen, dass sie was wegschmeißen können."

Die Resonanz passt also. Nachholbedarf sieht die Koordinatorin von der VHS aber dabei, Jüngere stärker für die Idee zu begeistern, die eigentlich bei der Fridays-for-future-Generation bestens ankommen müsste. Doch tatsächlich, sagt Zimmermann, bestehe die Mehrzahl der Bastler und Kunden aus älteren Semestern. Junge Leute sind selten. "Vielleicht, weil wir nicht so auf sozialen Medien unterwegs sind", sagt Zimmermann.

Das erste Repair-Café in Aying findet statt am Samstag, 21. Januar, von 14 bis 18 Uhr im Bürgerhaus. Thomas Wiedemann ist am Ort der Organisator. Wer noch mitmachen will beim Reparieren, kann sich melden unter mail@thomaswiedemann.de. Die Premiere in Putzbrunn steht am Samstag, 11. Februar, an; dort dann im Tennisstüberl, von 10 bis 14 Uhr. Weitere Termine sind zu finden unter https://www.awm-muenchen.de/vermeiden/reparieren-statt-wegwerfen/repair-cafes und beim Netzwerk Reparatur-Initiativen unter https://www.reparatur-initiativen.de/.

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