Fridays for future:Die Luft ist noch lange nicht raus

Fridays for future: Unter dem Titel "Galerie am Gartenzaun - 17 Ziele für eine bessere Welt" gestalteten Unterhachinger Jugendliche den Zaun der Jugendkulturwerkstatt öffentlichkeitswirksam mit großen Bannern.

Unter dem Titel "Galerie am Gartenzaun - 17 Ziele für eine bessere Welt" gestalteten Unterhachinger Jugendliche den Zaun der Jugendkulturwerkstatt öffentlichkeitswirksam mit großen Bannern.

(Foto: Claus Schunk)

Die Corona-Pandemie hat den Klimaschutz-Protest seit einem Jahr ausgebremst. Die Aktivisten im Landkreis versuchen seither, mit kleinen Projekten statt großen Demonstrationen auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.

Von Daniela Bode

Ein Freitag im September 2020. 15 bis 20 Schüler und Studenten malen mit bunten Kreiden eine große Weltkugel auf den Unterschleißheimer Rathausplatz. Daneben schreiben sie Sätze wie "No more empty promises", also "Keine leeren Versprechungen mehr". Unter ihnen ist auch Bernhard Schüßler von der Ortsgruppe Schleißheim der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future", zu der neben den Unterschleißheimer Aktivisten auch die aus Oberschleißheim zählen. Es war die letzte öffentliche Aktion, die er und seine Mitstreiter planten.

Es war kein einfaches Jahr für die Bewegung "Fridays for Future" und all die anderen Initiativen, die zuletzt verstärkt für den Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Weil wegen der Corona-Pandemie Großdemonstrationen schon länger nicht erlaubt sind, sind auch die Aktiven im Landkreis München ausgebremst worden. Untätig sind sie deshalb nicht. Sie suchen sich andere Wege, um auf ihre Anliegen für die Umwelt aufmerksam zu machen.

Und sie würden sich über Verstärkung freuen. "Wir brauchen viele Leute", sagt Michael Kusterer aus Neubiberg, der sich bei "Parents for Future München" engagiert. Die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die den Gesetzgeber zum Schutz jüngerer Generationen beim Klimaschutz zum Nachbessern verpflichtet, findet er "supertoll"; das sei "Wasser auf die Mühlen der Klimaschützer". Die Richter verlangen, dass bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 genauer zu regeln sind. "Die Entscheidung besagt, dass es nicht akzeptabel ist, für zehn Jahre zu planen, weil jetzt schon klar ist, dass es dann zu spät ist", sagt Kusterer.

Als vor etwa zwei Jahren in München Tausende junge Menschen bei Fridays-for-Future-Kundgebungen auf die Straße gingen, waren auch Schüßler und andere aus seiner Ortsgruppe öfter dabei. Irgendwann organisierten sie in Unterschleißheim selbst Demonstrationen und andere Aktionen. "Die Präsenz auf der Straße war ja der Antrieb der Klimabewegung", sagt der 21-jährige Politikstudent, der auch Ortsvorsitzender der Grünen in Unterschleißheim ist. "Jetzt sind wir deutlich passiver als vor der Krise, aber wir sind noch da und willens, danach wieder voll anzupacken", sagt er. Passiver bedeutet, dass die Gruppe eher kleinere Aktionen plante wie die Kreidemalaktion, solange das möglich war. Am globalen Klimastreik am 19. März beteiligte sich die Ortsgruppe über einen Livestream auf dem eigenen Instagram-Account unter anderem mit Musikbeiträgen. "Wir versuchen auch sonst, Instagram regelmäßig zu bespielen", sagt Schüßler. Auf die eigenen Ziele aufmerksam zu machen, darauf wollen sie nicht verzichten. Dazu zählt, dass der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt und die Bundestagswahl eine Klimawahl wird.

Fridays for future: Unter dem Titel "Galerie am Gartenzaun - 17 Ziele für eine bessere Welt" gestalteten Unterhachinger Jugendliche den Zaun der Jugendkulturwerkstatt öffentlichkeitswirksam mit großen Bannern.

Unter dem Titel "Galerie am Gartenzaun - 17 Ziele für eine bessere Welt" gestalteten Unterhachinger Jugendliche den Zaun der Jugendkulturwerkstatt öffentlichkeitswirksam mit großen Bannern.

(Foto: Claus Schunk)

Im Moment agiert Schüßler als eine Art Einzelkämpfer, weil die anderen fünf aus der Gruppe in Abiturvorbereitungen stecken, zwei weitere hätten schon länger nichts mehr von sich hören lassen. "Es geht jetzt darum, das Alltagsgeschäft aufrecht zu erhalten, damit die Strukturen da sind, wenn wieder gelockert wird", sagt er. Das gelingt nicht allen Ortsgruppen, Schüßler weiß auch von einer Gruppe in Franken, die sich aufgelöst hat. Auch sind Sympathisanten mangels Öffentlichkeit schwerer zu erreichen. "Wir versuchen das jetzt online, was aber nicht bei allen gelingt", sagt der 21-Jährige.

Manche, die sich allgemein bei Fridays for Future engagierten, zeigten auch schlicht ihren Einsatz, indem sie an den Großdemonstrationen teilnahmen. Alex Young aus Ottobrunn beispielsweise ging oft zu den Freitagsdemonstrationen in München und setzte sich so für den Klimaschutz ein. Weil der 18-Jährige nun aber in Prüfungsvorbereitungen steckt und wegen der Corona-Pandemie auch kleinere Gruppen lieber meidet, nimmt er nun auch an kleineren Aktionen der Bewegung nicht mehr teil.

Dass die Corona-Pandemie für die Klimaschutz-Aktionen ein Hindernis darstellt, sieht Michael Kusterer von "Parents for Future München" auch. "Großdemonstrationen sind positive Events - sie erzeugen ein Wir-Gefühl und motivieren", sagt der 52-Jährige. Das Ganze sei schon nüchterner geworden. "Wir haben auch Leute verloren, aber auch welche dazugewonnen", sagt der Neubiberger. Momentan besteht die Münchner Gruppe aus etwa 50 Personen. Wer glaube, dass sie nicht aktiv seien, der täusche sich, sagt er. Vielmehr beobachtet er, dass sich die Protestbewegung zu einer Lösungsbewegung gewandelt hat. Beim globalen Klimastreik am 19. März beispielsweise demonstrierten "Parents for Future München" vor der CSU-Parteizentrale in Freimann gegen Ministerpräsident Markus Söders (CSU) Klimaschutzpolitik. Außerdem arbeitet die Gruppe mit anderen Initiativen an einem Volksbegehren, das zum Ziel hat, möglichst viel für den Klimaschutz zu erreichen. Auch an dem Projekt "Wattbewerb" ist sie beteiligt, ein Wettbewerb für den massiven Ausbau von Photovoltaik in deutschen Städten. Zudem demonstriert sie jede Woche auf der Reichenbachbrücke in München und trifft sich regelmäßig zum Plenum. "Wir haben also viel mehr Ideen und Projekte, als wir stemmen können", sagt Kusterer. Wer sich engagieren wolle, könne über die Angaben auf der Website Kontakt aufnehmen.

1,5 Grad

Auf diesen Wert soll der menschengemachte globale Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt begrenzt werden, gerechnet vom Beginn der Industrialisierung um 1850 bis zum Jahr 2100. Nach einem Sonderbericht des Weltklimarats hat das 1,5-Grad-Ziel gegenüber dem Zwei-Grad-Ziel deutliche Vorteile. Fast alle Staaten der Erde haben sich im Pariser Klimaabkommen auf diesen Wert verständigt.

Kusterer hat schon vor 30 Jahren seine erste Demonstration organisiert. "Ich halte den Klimawandel seit der Zeit für existenziell bedrohlich", sagt er. Seit er selbst Kinder hat, sieht er sich umso mehr in der Pflicht, etwas zu tun. Nach Aussagen von manchen Wissenschaftlern könnten diese in 20 bis 30 Jahren möglicherweise nicht mehr weiterleben. "Jeder Monat, in dem Änderungen verschleppt werden, zählt", sagt er. Der Ausbau der Wind- und der Solarenergie, eine CO₂-Preiserhöhung, die Agrarwende - das seien essenziell wichtige Ziele. "Viele Lösungen sind natürlich nur auf politischem Weg erreichbar", sagt er. Doch er und die anderen aus der Münchner Gruppe tun, was sie können.

Auch sonst gibt es viele lokale Bewegungen, die sich für den Klimaschutz engagieren und trotz Corona am Ball bleiben. Mitglieder der Neubiberger Initiative "Klimaneutral 2035" beispielsweise hielten jüngst an zwei Schulen online Vorträge zur Klimakrise und erarbeiteten mit den Schülern Ideen, was jeder einzelne gegen die Erderwärmung tun kann. Mit einem Aktionstag machten Mitarbeiter der Jugendkulturwerkstatt Unterhaching und der dortigen mobilen Jugendarbeit vor Kurzem auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen aufmerksam. Dazu zählen auch "Maßnahmen zum Klimaschutz" sowie "Bezahlbare und saubere Energie". Unter dem Titel "Galerie am Gartenzaun - 17 Ziele für eine bessere Welt" gestalteten sie den Zaun der Einrichtung öffentlichkeitswirksam mit großen Bannern, die die Ziele nennen, verzierten ihn mit Blumen und brachten Informations-Flyer an. Es war als Auftaktveranstaltung gedacht, Menschen zu inspirieren und zu informieren, wie sie sich bei dem Prozess einbringen können. "Eigentlich wollten wir eine größere Aktion gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen veranstalten, das war aber wegen der Corona-Situation leider nicht möglich", sagt Sozialpädagogin Heli Madlener von der Jugendkulturwerkstatt. "Wir planen weitere Aktionen zu dem Thema gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen, ob online oder in Präsenz", sagt sie.

Klimaschutz in Zeiten von Corona ist also vielleicht stiller, findet aber sehr wohl statt. Bei "Fridays for Future Schleißheim" steht voraussichtlich im Juli das nächste größere Projekt an. Schüßler plant eine Bürgerbeteiligungsaktion, bei der öffentlich Ideen für mehr Klimaschutz gesammelt werden.

Weitere Infos zu Parents for Future unter: https://parents4future.net/de/muenchen, zur Jugendkulturwerkstatt unter www.jkwuhg.de

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