Nachbarschaftsstreit:Schwere atmosphärische Störungen

Ottobrunn kritisiert die Pläne von Nachbar Taufkirchen, an der Gemeindegrenze ein großes Gewerbegebiet auszuweisen. Dabei geht es nicht nur um die Sorge vor einer steigenden Verkehrsbelastung. Bürgermeister Loderer sieht sogar Risiken für Söders Raumfahrtprojekt "Bavaria One"

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Wer am Haidgraben - gerade noch auf Ottobrunner Flur - steht und nach Südwesten blickt, sieht weite, unbebaute Flächen und quasi am Horizont die Autobahn A 8. Flächen, die so nah an Ottobrunn liegen, dass ein Schritt reicht, um sie zu betreten - und die doch dem fernen Nachbarn aus Taufkirchen gehören. Flächen, die der Nachbar sehr gerne in eine Gewerbegebiet umfunktionieren will - was in Ottobrunn Entsetzen auslöst.

"Wir wehren uns auf alle Fälle dagegen", sagt Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU). "Ja, wir wollen, dass sich dieses Gebiet entwickelt. Aber es soll sich weiter zu einem Standort für Forschung, Technik und Wissenschaft entwickeln." Loderer wirft der Gemeinde Taufkirchen vor, mit der Überplanung des etwa 42 Hektar großen Areals ausschließlich auf schnelle Gewerbesteuereinnahmen aus zu sein. "Es heißt dort im Gemeinderat: Los ran. Wichtig ist nur, dass Geld rumkommt."

Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) kontert die Kritik aus Ottobrunn als "handelsübliche Reaktion". Aus seiner Sicht ist klar, "dass etwas an der Grenze zu Ottobrunn gemacht wird" - und dass großräumiger als bisher gedacht werden muss.

Im Streit um das Gewerbegebiet treffen zwei sehr unterschiedliche Partner aufeinander, die eigentlich gemeinsame Interessen und Ziele haben. Denn mit der Ankündigung von Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU), am Technologie- und Innovationspark, der auf Taufkirchner und Ottobrunner Flur liegt, das Raumfahrtprogramm "Bavaria One" sowie einen Standort der Technischen Universität München (TU) mit bis zu 2000 Arbeits- und Studienplätzen aufbauen zu wollen, ist eine ganz neue Dynamik in die Sache gekommen.

Bürgermeister Loderer aber befürchtet, dass ein neues Gewerbegebiet die Technologie-Offensive Söders ausbremsen könnte. "Und es geht darum, die Qualität zu erhalten und nicht Kraut und Rüben in so einem Gewerbegebiet anzusiedeln", sagt Loderer. Diese strukturellen Prozesse müssten gemeinsam gesteuert werden. "Aber wir wissen natürlich auch, dass rein formal Taufkirchen zuständig ist. Es sind die Flächen der Gemeinde", sagt Ottobrunns Rathauschef.

Daher fordert Loderer ein "klares Projektmanagement" - und hat hierfür auch einen geeigneten Manager im Blick: den Freistaat. "Die TU ist beim Freistaat angesiedelt - und die Staatsregierung will hier im Technologiepark aktiv werden", sagt Loderer. "Also müssen hier alle Fäden der Entwicklung gebündelt werden, um eine Lösung zu finden." Gelinge dies nicht, sagt er, "sehe ich schwarz".

Für Ottobrunn bietet das Vorhaben der Staatsregierung, den Hightech-Standort weiter auszubauen, besondere Chancen. Hat doch die flächenmäßig kleinste Kommune des Landkreises kaum mehr eigene Areale zur eigenen Entwicklung zur Verfügung. Der Nachbar aus Taufkirchen indes - mehr als vier Mal so groß - kann problemlos in die Breite wachsen. Eben auch in Richtung Ottobrunn. Und dort wächst auch die Angst vor einer nicht mehr zu bewältigenden Zunahme des Verkehrs. Taufkirchens Rathauschef Sander will daran aber nicht glauben: "Der Verkehr wird nicht über Ottobrunn laufen, sondern über die Autobahnausfahrt." Zudem, sagt er, bringe ein neues Gewerbegebiet auch "Chancen" mit sich - etwa durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Daran indes zweifelt Thomas Loderer. Stimme der Mix am Standort aus Forschung, Wissenschaft und Technik nicht, werde die Staatsregierung ihre Pläne dort nicht verwirklichen, befürchtet er. "Und kommt die TU nicht, kommt auch die U-Bahn nicht." Also die Verlängerung der U 5 von Neuperlach-Süd über Neubiberg, Ottobrunn bis ins Gewerbegebiet Brunnthal-Nord. Diese aber, sagt Loderer, sei eminent wichtig, um dem Verkehrsproblem Herr werden zu können. Die Kommunikation zwischen beiden Rathäusern scheint derzeit ins Stocken gekommen zu sein. "Wir fühlen uns nicht mitgenommen", sagt Bürgermeister Loderer. Zudem sei die Argumentation der Taufkirchner, es gehe um neue Gewerbesteuereinnahmen, "schwer zu durchbrechen". Sander weiß das: "Klar, Ottobrunn wird keinen Cent Gewerbesteuer bekommen", sagt er. Weiter reden müssten beide Partner aber weiterhin.

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