Nachbarschaftsstreit:Richter sollen die Rodungsinsel schützen

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Wenn man auf der B471 von Putzbrunn nach Haar fährt, soll rechter Hand das Gewerbegebiet entstehen. (Foto: Claus Schunk)

In Haar beschließt eine Zufallsmehrheit aus CSU und FDP, gegen die Pläne der Nachbargemeinde Grasbrunn für ein Gewerbegebiet bei Gut Keferloh zu klagen. SPD und Grüne halten das für aussichtslos

Von Bernhard Lohr, Haar

Haar und Grasbrunn stehen vor einer juristischen Auseinandersetzung: Die Gemeinde Haar erhebt Normenkontrollklage gegen die Genehmigung eines Gewerbegebiets am benachbarten Gut Keferloh. CSU und FDP pochten am Dienstagabend im Gemeinderat auf den Gang vors Gericht und forderten, ein Zeichen gegen eine Zersiedelung der Landschaft zu setzen. Sie sehen grundlegende raumplanerische Prinzipien in Frage gestellt. Auch wollen sie konkret, dass Grasbrunn wegen einer erwarteten Zunahme des Verkehrs den Ausbau der Kreuzung der B 471 zur B 304 mitfinanziert, sollte das Gewerbegebiet entstehen.

Was Grasbrunn in Keferloh plant, stößt quer durch die Gemeinde Haar auf massive Vorbehalte. Die Umgebung von Gut Keferloh mit seiner romanischen Kirche ist für viele Haarer ein beliebtes Ziel von Spaziergängen. Man sieht dies als Erholungsgebiet an und als historisch bedeutsamen Kern einer Rodungsinsel. Ein Gewerbegebiet dort wäre nach Ansicht der Haarer ein nicht wieder gutzumachender Eingriff in die Kulturlandschaft. "Hier gilt es, den Anfängen zu wehren", sagte CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer (CSU) am Dienstag. Peter Siemsen (FDP) warnte vor einem "Präzedenzfall". Würde man nicht klagen, ergäbe man sich seinem Schicksal.

Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) reagierte am Mittwoch ob der Entscheidung überrascht und auch, wie er eingestand, ein Stückweit "verärgert". Er habe andere Signale erhalten und angenommen, er habe die Vorbehalte ausräumen können. Grasbrunn habe im gut nachbarschaftlichen Sinn Haarer Bedenken aufgenommen. Die Eingrünung des Gewerbes sei massiv. Grasbrunn hätte sicher nicht geklagt, wenn Haar seine Gewerbepläne auf der Finckwiese, am Haarer Ortsrand Richtung Neukeferloh, umgesetzt hätte. Dort stand eine Ansiedlung von BMW im Raum.

SPD und Grüne votierten auch aus Sorge um die gute Nachbarschaft geschlossen gegen eine Klage. Sie unterlagen aber, weil in ihren Reihen Gemeinderäte fehlten, während die CSU vollzählig anwesend war. Thomas Fäth sagte im Namen der SPD-Fraktion, aus der in der Vergangenheit scharfe Kritik an den Keferloh-Plänen geübt wurde, die Aussicht auf einen Erfolg vor Gericht sei zu gering, um dafür eine fünfstellige Summe auszugeben. Man sei gegen die Grasbrunner Absichten. Aber was CSU und FDP betrieben, sei "sündhaft teure Symbolpolitik". Mike Seckinger (Grüne) betonte, das Keferloh-Projekt entspreche "in keinster Weise den Anforderungen, die wir an ein Gewerbegebiet stellen würden". Gegen die Planungshoheit der Nachbargemeinde werde man aber schwer ankommen. "Dummerweise liegt das auf Grasbrunner Flur", sagte Seckinger. Der Gang vor Gericht berge "die maximale Chance, Porzellan zu zerdeppern".

Das wies Keymer alles als "zu kurz gegriffen" zurück. Er sagte, auch Grasbrunn habe seinen Teil für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis beizutragen. Außerdem glaubt er, dass Haar vor Gericht durchaus gute Argumente vorbringen kann und mit seinem Anliegen genau zur rechten Zeit kommt. Es werde erfreulicherweise politisch auch auf höherer Ebene mehr und mehr erkannt, was für eine Problematik die Zersiedelung darstelle. Aus Sicht von Keymer hat die Gemeinde dann eine reelle Chance auf ein erfolgreiches Gerichtsverfahren, wenn die Klage als zulässig anerkannt werde.

Peter Paul Gantzer (SPD) warf Keymer vor, so zu tun, als habe die Gemeinde Haar das in der Hand. Das sei aber falsch. Das sieht offenbar der Jurist der Gemeinde ähnlich, der die Gemeinderäte laut Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) in Online-Runden über seine eher pessimistische Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage informiert hatte. Als Knackpunkt gilt, dass Haar es schafft, eine Beeinträchtigung der eigenen Planungshoheit durch das Grasbrunner Vorgehen zu begründen. Bukowski setzt eher defensiv vor allem darauf, dass Grasbrunn für die wohl notwendige Ertüchtigung der Kreuzung der Bundesstraßen zahlt. Keymer geht weiter. An SPD und Grüne adressiert, sagte er, sollte eine Klage an ihnen scheitern: "Dann tragen Sie die politische Verantwortung dafür, was in dieser Rodungsinsel passiert ist." Soweit kam es aber nicht.

© SZ vom 17.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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