MVV-Tarifreform:Zuckerl für die Verlierer

MVV-Tarifreform: Ein Ticketautomat der MVG

Geld vom Landkreis soll es für MVV-Pendler geben, die nicht von der Reform profitieren. Es geht nicht um Kleingeld: Der Zuschuss für Pendler zur Jahreskarte kostet den Kreis fast sechs Millionen Euro.

(Foto: dpa)

Darf der Landkreis Inhaber von MVV-Zeitkarten, die nach der Tarifreform nicht zur neuen Innenraumzone gehören, subventionieren? Das Landratsamt prüft das. Die Kosten werden auf "deutlich unter 13 Millionen Euro" geschätzt.

Von Martin Mühlfenzl

"Bei mir", sagt Ernst Weidenbusch, "gibt es nur simple Lösungen für komplexe Probleme". Dem CSU-Landtagsabgeordneten aus Haar ist eine spitzbübische Freude darüber anzumerken, dass ihm in der letzten Sitzung des Kreistags in diesem Jahr in Ismaning ein echter Coup gelungen ist: Auf seine Initiative hin hat das Gremium das Landratsamt beauftragt zu prüfen, ob der Landkreis die Mehrkosten übernehmen kann und darf, die all jenen Besitzern von Monats- und Jahreskarten entstehen, die im Zuge der MVV-Tarifreform nicht im neuen Innenraum (M-Zone) wohnen. Weidenbusch schätzt die zusätzlichen Kosten auf "deutlich unter 13 Millionen Euro".

Zuvor hatte der Kreistag am Montag die nach wie vor umstrittene MVV-Tarifreform in einer nicht öffentlichen Sitzung mit großer Mehrheit gebilligt. Gegenstimmen kamen nur von Kreisräten aus der Gemeinde Ismaning - und zwar aus den Fraktionen von CSU, SPD und Freien Wählern, wie ein Beobachter aus der Sitzung hinter verschlossenen Türen der SZ berichtete.

Zu den vehementesten Kritikern der neu ausgehandelten Reform gehört Ismanings Bürgermeister und Kreisrat Alexander Greulich (SPD), der "erhebliche Ungerechtigkeiten" bei der Neustrukturierung der Ticketpreise und Zonen beklagt. Seine Gemeinde gehört zur neuen Zone M+1. Umso mehr lobt Greulich Weidenbuschs Vorschlag: "Er hat immer das Ziel im Auge behalten, alle Kommunen des Landkreises in den neuen Innenraum zu bekommen. Der Vorschlag ist auf den ersten Blick ein gangbarer Weg, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen." Greulich appelliert zugleich an "die viel beschworene Solidarität im Landkreis". Es werde sich nun zeigen, ob auch die Profiteure der Reform bereit seien, ihren Beitrag zu leisten. Der Kreistag, sagt Greulich, habe in den vergangenen Monaten immer wieder signalisiert, dass er "das Portemonnaie öffnen" wolle. Es müsse aber auch ernsthaft geprüft werden, inwieweit eine Finanzierung über die Kreisumlage, also eine Beteiligung über die 29 Städte und Gemeinden des Landkreises, denkbar wäre.

Subventionen müssen erst noch geprüft werden

Landrat Christoph Göbel (CSU) will darüber noch nicht nachdenken. Es müsse zunächst geprüft werden, ob eine Subventionierung von Monats- und Jahreskarten durch den Kreis "rechtlich möglich" sei, sagt Göbel. "Ich bin mir da nicht ganz sicher." Diesen Prüfauftrag wird die Verwaltung im Landratsamt nun erledigen. Zweitens, so der Landrat, müsse ermittelt werden, ob ein Zuschussmodell für "Dauerabonnenten" sinnvoll sei. "Es geht ja um verkehrspolitische Ziele. Also die Frage, wie wir Menschen dazu bewegen, den MVV statt das eigene Fahrzeug zu nutzen." Es gehe nicht um "die Linderung von sozialer Not. Das ist keine sozialpolitische Maßnahme und war auch nicht Gegenstand der Debatte".

Diskussion unter „Verschiedenes“

Ein wenig erinnert die Situation am Montagnachmittag in Ismaning an das Konklave in Rom - nur ohne weißen Rauch und stattdessen mit einigen Frauen innerhalb der Versammlung, die da hinter verschlossenen Türen tagt. In nichtöffentlicher Sitzung entschieden die Kreisräte des Landkreises München über die Annahme der neu ausgehandelte MVV-Tarifreform. Am Ende konnte Christine Spiegel, Pressesprecherin im Landratsamt, sinngemäß verkünden: Habemus Tarifreform.

Warum aber wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, wenn die Kreisräte über ein Reformprojekt abstimmen, das Zehntausende Menschen in den 29 Städten und Gemeinden unmittelbar betrifft? Die einfache Antwort: Weil sie müssen. In Paragraf 13 der Geschäftsordnung des Kreistags heißt es: "Ausschließlich in nichtöffentlicher Sitzung sind Sitzungsgegenstände der Gesellschafterversammlung der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH zu behandeln." Auch die MVV-Gesellschafterversammlung tagt stets hinter verschlossenen Türen. "Das ist im Gesellschaftervertrag festgelegt - und darf auch nicht ausgehöhlt werden", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU).

Vor der Abstimmung aber stritten die Kreisräte noch einmal sehr öffentlich über das Reformwerk. Wie passt das zusammen? Die Diskussion, sagt Göbel, habe unter dem Punkt "Verschiedenes" stattgefunden. Und zwar auf Antrag der SPD-Fraktionschefin Ingrid Lenz-Aktas - und Diskussionen seien immer möglich.

Ohnehin sei es eine Ausnahmesituation, dass sich die Kreistage der acht Verbundlandkreise mit der Tarifreform auseinandersetzen - dies geht auf einen Beschluss der MVV-Gesellschafterversammlung zurück, die einmalig beschlossen hat, dass die Neustrukturierung von jedem einzelnen Landkreis ratifiziert werden muss. Auf den Tagesordnungen der öffentlichen Ausschuss- und Kreistagssitzungen aber tauchte die Reform nicht auf. Nur in den Protokollen der nichtöffentlichen Zusammenkünfte. müh

Ernst Weidenbusch geht es nach eigenen Worten darum, "dass unsere Bürger profitieren und gleich behandelt werden" - also die Pendler im Landkreis München. "Ich freue mich diebisch, dass wir uns von den Landräten der umliegenden Landkreise nicht haben linken lassen", sagt Weidenbusch angesichts der Zustimmung zu seinem Antrag. Er spüre die Solidarität unter den Kreisräten, deren Ziel es sei, alle Kommunen notfalls über den "Umweg" der Subventionierung in die M-Zone zu bekommen. Den logistischen Aufwand etwa für Monats- oder Jahreskartenbesitzer aus Ismaning, Unterschleißheim, Aying oder Baierbrunn hält Weidenbusch für "überschaubar". Das Abrechnungsmodell im Landratsamt funktioniere bereits beim Sozial- und Ehrenamtsticket: "Der Pendler wird einmal erfasst, gibt seine Kontonummer an und das Geld wird nach der Überprüfung überwiesen." Eine simple Lösung eben.

Büchler will Expressbusse vorantreiben

Ganz so einfach ist es nach Ansicht des Landtagsabgeordneten und Kreisrats Markus Büchler von den Grünen nicht. "Schauen wir mal, was das kostet", sagt er. Oberste Priorität habe für ihn ohnehin "die Verbesserung des Angebots". Pläne für Expressbusse auf tangentialen Verbindungen zwischen wichtigen S-Bahnhöfen oder neue Stadtbahnen, die der Landkreis in Machbarkeitsstudien bereits hat untersuchen lassen, müssten vorangetrieben werden, sagt Büchler. "Ich finde es super, wenn die Tickets günstiger werden, aber nur wenn der Ausbau des Angebots nicht darunter leidet."

Ismanings Bürgermeister Greulich fürchtet ebenso wenig wie Ernst Weidenbusch den möglichen Verwaltungsaufwand, hofft aber auf den positiven Effekt günstigerer Ticketpreise. "Auch aus umweltpolitischer Sicht", sagt er. Mit Weidenbuschs Idee der Mitfinanzierung durch den Landkreis könne zusätzlich der "Druck auf die Blockierer erhöht werden". Jetzt liege ein Vorschlag auf dem Tisch, der sich zu einer echten Lösung entwickeln könne, hofft Greulich.

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