MVV-Tarifreform:Ringkampf

MVV-Tarifreform: Für Unter- und Oberschleißheimer ist der Zug abgefahren: Sie gehören nicht in die neue MVV-Innenraumzone.

Für Unter- und Oberschleißheimer ist der Zug abgefahren: Sie gehören nicht in die neue MVV-Innenraumzone.

(Foto: Stephan Rumpf)

Künftig gehören 190 000 der 350 000 Einwohner des Landkreises zum Innenraum. Aber es gibt auch Verlierer, die von nächstem Jahr an 35 Prozent mehr bezahlen. Vor allem die Nordkommunen sehen sich benachteiligt und wollen die Reform ablehnen.

Von Irmengard Gnau und Martin Mühlfenzl

Immer, wenn es ums Geld gegangen ist, sagt Landrat Christoph Göbel (CSU), "hat die Freundschaft aufgehört". Und es ging in den mehr als hundert Sitzungen der Gesellschafterversammlung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) zur Tarifreform in den vergangenen drei Jahren fast ausschließlich um Geld. Um richtig viel Geld. Das gilt für die Landeshauptstadt, die Landkreise und natürlich in erster Linie für die Pendler.

Ein Beispiel: Ein Grasbrunner etwa, der von Vaterstetten mit der S-Bahn zum Leuchtenbergring in die Arbeit fährt, zahlt für die Monatskarte (drei Ringe) bisher 66,60 Euro. Von 9. Juni 2019 an, wenn die Reform greift, kostet ihn dieselbe Strecke 89,90 Euro - ein Plus von 35 Prozent. Er muss dann für den neu geschaffenen M-Raum - den ganzen Innenraum - und die erste Zone bezahlen.

Das Beispiel zeigt, dass die Reform für manche Nutzer des MVV gravierende Veränderungen mit sich bringt. Allerdings nicht nur nachteilige. Einer der neuen Knotenpunkte im MVV-Netz wird durch die Reform sicher der S-Bahnhof Deisenhofen. Die Haltestelle im gleichnamigen Oberhachinger Ortsteil - im ländlichen Süden des Landkreises - gehört künftig zum Innenraum. Wer hier in die S 3 Richtung München steigt, spart richtig Geld: Statt bisher 90,40 kostet die Isar Card künftig im Monat nur noch 59,90 Euro.

"Das ist für uns natürlich erfreulich", sagt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). "Aber Deisenhofen wird dadurch noch mehr Pendler anziehen, noch mehr Autos brauchen einen Parkplatz. Wir werden schon weiter denken müssen, als das mit der Tarifreform der Fall ist." Deshalb fordert Schelle, den Verkehr "grundsätzlich neu zu denken". Tangentialen zwischen wichtigen Knotenpunkten müssten entstehen.

"Der große Wurf ist es nicht."

Dass die Tarifreform kein Allheilmittel sein könne, sagt auch der Grünen-Kreisrat Markus Büchler. "Es wird ein wenig besser. Aber der große Wurf ist es nicht." Büchler kritisiert vor allem, dass wieder kein elektronischer Tarif eingeführt wird. "Bei der Digitalisierung passiert kaum etwas." Landrat Göbel findet: "Die Reform ist sicher keine Revolution, aber ein erster Schritt zur Neuordnung." Das eigentliche Ziel des Landkreises war nämlich, mit allen 29 Städten und Gemeinden in den M-Raum aufgenommen zu werden. "Aber da war der Widerstand zu groß", räumt Göbel sein Scheitern in den Verhandlungen ein. "Weil es einfach zu viel Geld gekostet hätte." Mehr als 40 Millionen Euro hätte der MVV in diesem Fall verloren. Der Landrat gibt aber nicht auf. "Unser Ziel bleibt es, den Innenraum weiter auszubauen."

Keinerlei Vorteil von der MVV-Reform haben vor allem Pendler aus dem nördlichen Landkreis. Bis auf Unterföhring, das seine Position im Innenraum behält, fühlen sich die Kommunen der sogenannten Nordallianz als Verlierer: Ismaning, Oberschleißheim und Garching liegen in der Zone M+1, der Garchinger Campus und Unterschleißheim mit den Stationen Unterschleißheim und Lohhof in der Zone M+2. Wer von Lohhof aus in die Innenstadt pendelt, zahlt aktuell 116,50 Euro. Günstiger wird es auch von 2019 an nicht. Im Gegenteil. Dann sind es sogar bis zu 118,90 Euro. Studenten müssen dann auf ihrer Fahrt in die Universität nach Garching ebenfalls mehr zahlen: 89,90 kostet der neue Ausbildungstarif statt bisher 87,40.

Prompt regt sich im Norden Widerstand. Diese Ungerechtigkeit wolle man so nicht stillschweigend hinnehmen, heißt es etwa aus Ismaning. Gerade der Norden des Landkreises sei schließlich bereits über Gebühr vom Straßenverkehr belastet. Der Gemeinderat hat daher einen Appell verabschiedet, wonach alle Kommunen des Landkreises München durch die Tarifreform in die M-Zone aufgenommen werden sollen. "Wir wollen in den Innenraum", sagt Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). Sollte dies nicht gelingen, würden die Bürgermeister aus dem Norden das Paket im Kreistag ablehnen, warnt Greulich.

"Radikale Preiserhöhung für Menschen im Außenbereich."

Dass der ganze Landkreis zur M-Zone zählt, das wünscht sich auch Anton Koch. Der Unterschleißheimer hat dafür sogar bereits online eine Petition gestartet, die er dem Kreistag vorlegen will. "Die Reform ist eine teils radikale Preiserhöhung für die Menschen im Außenbereich", sagt Koch. "So kriegt man die Leute nicht in die Bahn." Doch es gibt auch große Gewinner. Neben Deisenhofen gehört etwa Ottobrunn künftig zum M-Bereich, ebenso Feldkirchen, Aschheim und die Gemeinde Haar. Etwa 190 000 der 350 000 Bürger im Landkreis leben im neu geschaffenen Kernbereich des MVV. "Einfacher, benutzerfreundlicher und für mehrere Kreiskommunen günstiger", lobt daher Ingrid Lenz-Aktas, Fraktionssprecherin der SPD im Kreistag, das Resultat. Das erste Etappenziel sei erreicht. Dass nach der Reform doch irgendwann die Revolution kommen könnte - diese Hoffnung haben viele im Landkreis München. "Der Monolith MVV-Tarifreform bröckelt", sagt Landrat Göbel. "Das ist die gute Nachricht."

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