Süddeutsche Zeitung

MVV-Tarifreform:Hoffen auf das große M

Durch die Finanzierungszusage des Freistaats für die Tarifreform könnten künftig fast alle Bahnhöfe im Landkreis zum Innenraum gehören. Fahrgäste kämen damit deutlich billiger weg. Allerdings hängt eine Einigung von der Stadt und den anderen Landkreisen ab.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Plötzlich darf dieses geflügelte Wort wieder gedacht und auch ausgesprochen werden. "Der große Wurf ist jetzt wieder möglich", sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD).

Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder und Verkehrsministerin Ilse Aigner (beide CSU) am Freitag, die ins Stocken geratene MVV-Tarifreform jährlich mit 35 Millionen Euro seitens des Freistaats unterstützen zu wollen, hat nicht zuletzt unter den ärgsten Kritikern des Reformwerks im Landkreis München die Hoffnung geweckt, eine "echte Reform" hinzubekommen, wie der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch sagt.

Der Einstieg des Freistaats in die Mitfinanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs, die unter Söders Vorgänger Horst Seehofer stets abgelehnt worden war, ist auch und gerade durch den Druck und die anhaltende Kritik aus dem Landkreis München zustande gekommen. Und die Kreispolitik ist mit neuen Reformideen zu einer bereits ausgehandelten Reform, die großen Teilen des Landkreises Nachteile bescheren würde, in Vorleistung gegangen.

Nachverhandlungen in den kommenden Wochen

"Modell 7" lautet der Name der Neukalkulation, die im Auftrag des Kreistags erstellt worden ist und den Forderungen namhafter Kreispolitiker vor allem aus dem nördlichen Landkreis fast in Gänze entspricht. Wäre die in drei Jahren und in zähen Verhandlungen zwischen der Landeshauptstadt, dem Freistaat und den acht Verbundlandkreisen ausgearbeitete Reform durchgegangen, hätten sich etwa die Stadt Unterschleißheim mit ihren zwei Haltestellen und die Station Garching Forschungszentrum in der Zone M+2 wiedergefunden. Ziel des Landkreises München aber war es von Anfang an, alle 29 Städte und Gemeinden in den neuen Innenraum (Zone M) zu integrieren. Dies soll nun in den kommenden Wochen in den bevorstehenden Nachverhandlungen innerhalb der Gesellschafterversammlung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes erreicht werden.

Modell 7 entspricht der Zusammenlegung des heutigen Innenraums mit den Ringen 5 bis acht (grüne Zone); damit wären bis auf die Haltestellen Peiß und Großhelfendorf alle Kommunen des Landkreises Bestandteil einer "großen Zone M" - mit deutlichen Vergünstigungen vor allem bei Zeitkarten. Beim bestehenden Reformwerk müssten etwa Pendler aus Unterschleißheim künftig für eine Isarcard im Monat 118,90 Euro bezahlen - bei Modell 7 wären es für dieselbe Strecke nur noch 59,90 Euro. Dies käme einer Ersparnis von 49 Euro gleich.

Allerdings, das besagt die Kalkulation, würde das Modell 7 zwar Pendlern aus allen Landkreisen bei den Zeitkarten teils massive Preisvergünstigungen von bis zu 53 Prozent bescheren; für den MVV würde dies aber einen Erlösrückgang von 34 Millionen Euro bedeuten. Dies entspricht in etwa der Summe, die der Freistaat nun in die Tarifreform investieren will.

"Die 35 Millionen des Freistaats verbessern die Möglichkeiten erheblich", sagt Ernst Weidenbusch. "Jetzt geht es darum, eine Lösung zu finden, die für alle mehrheitsfähig ist. Wichtig ist aber, dass wir den Druck aufrecht erhalten und den anderen Nachbarlandkreisen klar machen, dass sie von diesem Modell profitieren werden." Alexander Greulich sagt, es sei schön zu sehen, dass die "Forderung und das Denken nach einer echten Reform erhört worden sind". Allerdings müssten sich jetzt auch die anderen Landkreise bewegen: "Und die haben bisher nicht allzu viel Flexibilität gezeigt."

Es liegen auch noch andere Vorschläge und Modelle auf dem Tisch, über die Landrat Christoph Göbel (CSU) in der Gesellschaftversammlung beraten wird: ein sogenannter Überlappungsbereich, der einer kleinen Erweiterung der Zone M gleich käme, oder die Besserstellung einzelner Haltestellen auf Kosten der Landkreise. SPD-Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche sagt, dass nun "harte Verhandlungen" auf den Landkreis München und Landrat Göbel zukämen. "Aber die 35 Millionen des Freistaats sind ein wichtiger Einstieg", sagt sie. "Wir wollen jetzt den Weg des Modells 7 konsequent gehen und konkret etwas für die Menschen bewirken."

Grünen-Kreisrat Markus Büchler und Ismanings Rathauschef Alexander Greulich sind sich zudem einig, dass durch die vergünstigten Ticketpreise des Modells 7 nicht einmal Mehrkosten entstehen müssten. "Wir machen das Tor auf für mehr Passagiere", sagt Büchler. "Wenn der große Wurf kommt, werden die Mehreinnahmen durch die Attraktivität die Ausgaben übersteigen", sagt Greulich.

Ob dieser große Wurf kommt, hängt nun auch am Verhandlungsgeschick von Landrat Göbel. Der sagt, "es wird keine Reform nur für den Landkreis München geben". Er gibt sich aber auch zuversichtlich: "Wir haben jetzt die Chance, ein System ohne Schwächen aufzubauen." Auch das darf seit Freitag wieder gesagt werden.

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SZ vom 06.10.2018/belo
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