MVV:Reform auf der Kippe

MVV: Der Zug ist noch keineswegs abgefahren: Es liegt vor allem am Kreistag des Landkreises München, ob die geplante MVV-Tarifreform zum 9. Juni 2019 in Kraft tritt.

Der Zug ist noch keineswegs abgefahren: Es liegt vor allem am Kreistag des Landkreises München, ob die geplante MVV-Tarifreform zum 9. Juni 2019 in Kraft tritt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kommende Woche befasst sich der Kreistag mit dem neuen Tarif. Es sind hitzige Debatten zu erwarten, denn die geplanten Änderungen werden quer durch die Fraktionen abgelehnt. Am Ende könnte das Werk sogar scheitern.

Von Martin Mühlfenzl

Die 70 Kreisräte des Landkreises München und Landrat Christoph Göbel (CSU) werden am 24. September eine Entscheidung fällen, die gravierende Auswirkungen auf die Region und die Landeshauptstadt haben wird. In ihrer Kreistagssitzung werden die Mandatsträger an diesem Tag über die MVV-Tarifreform abstimmen - und sie können die Neustrukturierung der Ticketpreise komplett beerdigen, wenn sie Nein sagen. Ausgeschlossen ist das nicht, denn in keinem anderen der acht Verbundlandkreise ist das Konstrukt derart umstritten wie im Landkreis München.

Am 12. September verhandeln die Kreisräte erstmals im Ausschuss für Mobilität über die Reform der Ticketpreise und Zonen, die Annette Ganssmüller-Maluche als "äußerst mutlos" bezeichnet. Mitten im Landtagswahlkampf startet die SPD-Kreisrätin und Landtagskandidatin eine Kampagne dagegen. Sie will die Reform zu Fall bringen. "Das werden ganz hitzige Debatten", sagt ein anderer Kreisrat voraus. Und er wird wohl recht behalten.

Hat die Stadt den Landkreis über den Tisch gezogen?

Der CSU-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch sagte am Sonntag, er werde der Reform nicht zustimmen, bei der die Landkreise von der Landeshauptstadt über den Tisch gezogen worden seien. In dieser Art und Weise soll sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) laut Weidenbusch am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung geäußert haben, was Reiter am Montag scharf zurückwies. Reiter griff zudem den Freistaat an: Würde der die gleichen Beträge zur Finanzierung des MVV-Tarifs leisten, könnten die jetzt kritisierten Preisanstiege im Umland bestimmt allesamt verhindert werden.

Unabhängig von dem parteipolitischen Scharmützel ist aber noch nicht absehbar, welches Ausmaß der Widerstand gegen die Reform annehmen wird. Klar ist nur, es ziehen sich Risse durch die Fraktionen. Und die Geografie wird eine Rolle beim Abstimmungsverhalten der Kreisräte spielen.

Teure Tarife

Die Unterschleißheimer werden zu den Verlierern der MVV-Tarifreform zählen, wenn diese wie geplant zum 9. Juni 2019 in Kraft tritt. Für die Fahrt in die Innenstadt werden Pendler aus der einwohnerstärksten Kommune des Landkreises bis auf eine einzige Ausnahme künftig in allen Tarifen mehr bezahlen müssen. Einzig der Preis mit der Streifenkarte bleibt stabil bei 5,60 Euro. Von der Streifenkarte U 21 über die Tageskarte bis hin zur Isar Card und den Ausbildungstarifen werden alle Tickets teurer - wenn auch nur um wenige Euro. Deutlich mehr bezahlen müssen etwa Pendler aus Aying: Wer dort in Peiß oder Großhelfendorf in die Innenstadt fährt, muss für die Isarcard künftig 143,90 statt bisher 116,50 Euro bezahlen. 90,40 auf 118,90 Euro - diesen Sprung müssen auch Wissenschaftler hinnehmen, die Garching-Forschungszentrum ansteuern. Von Hohenbrunn aus geht der Preis für die Isarcard von 66,60 Euro um mehr als 20 Euro nach oben (89,90). Doch es gibt auch Gewinner: Von Putzbrunn und Oberhaching aus kostet das Ticket statt bisher 90,40 nur noch 59,90 Euro. müh

Ziel der politischen Akteure im Landkreis war es von Anfang an, alle 29 Städte und Gemeinden in den neuen MVV-Innenraum zu bekommen. Davon aber, sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD), sei das Ergebnis weit entfernt. Wie so oft liegt dies am Geld. Das sagt auch MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag, der in einem Schreiben an Landrat Christoph Göbel bestätigt: "Eine Reform, die nur Gewinner kennt, wäre wegen der aufgezeigten Zielkonkurrenzen nicht möglich oder aber nicht finanzierbar." Die gegensätzlichen Ziele bestanden etwa darin, ein System zu finden, das einfach oder gerecht ist. Beides zu erreichen, schließt sich angesichts der vielen Partikularinteressen des Freistaats, der Landeshauptstadt und der Verbundlandkreise aus.

Zudem, das macht Landrat Christoph Göbel klar, hätte die Aufnahme aller Kommunen des Landkreises in den Innenraum zusätzlich 40 Millionen Euro gekostet. Das sei derzeit nicht zu finanzieren. Göbel betont, dass die Tarifreform nicht das Ende sei, sondern der Landkreis weiter dafür kämpfen werde, alle Städte und Gemeinden besser zu stellen und in den M-Raum zu bekommen. Dem jetzigen Kompromiss wird er daher zustimmen.

Kritiker monieren mangelnde Gerechtigkeit

Die Kritiker der Reform im Landkreis München bemängeln nicht nur, dass die Reform nicht zur Einfachheit führt; sie monieren insbesondere mangelnde Gerechtigkeit. Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) sagt, seine Stadt erfahre durch die Reform "erhebliche Nachteile". Es sei nicht nachzuvollziehen, "die Zuordnung der Kommunen in die verschiedenen Tarifzonen nur nach Gesichtspunkten der Entfernung vorzunehmen". Pendlerströme, Nutzerzahlen und die Verkehrsbelastung blieben vollkommen unberücksichtigt, kritisiert Gruchmann. Die Universitätsstadt, täglich Ziel von bis 40 000 Studenten und Arbeitnehmern, hat drei Haltestellen der U 6: Garching-Hochbrück und Garching werden künftig in der neuen Zone M+1 liegen, das Forschungszentrum noch weiter draußen in der Zone M+2.

Heftige Kritik an der Reform übt auch Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD), der auf die wirtschaftliche Bedeutung des nördlichen Landkreises verweist und Nachbesserungen bei der Reform fordert; andernfalls werde er im Kreistag gegen die Reform stimmen. Etwa 11 000 Arbeitnehmer würden aus Unterschleißheim auspendeln, nahezu 13 000 kommen zum Arbeiten in die Stadt. Böck sieht die Stadt Unterschleißheim als "unmittelbaren Bestandteil des Stadt-Umlandbereichs München". Sie gehöre daher in den Innenraum. Deshalb finde die Reform nicht die Zustimmung der Stadt. Zudem, sagt Böck, untergrabe die Reform "die zunehmende Akzeptanz" des öffentlichen Personennahverkehrs.

Es ist aber nicht nur der Norden, der rebelliert. Kritische Töne kommen auch aus Aying, Sauerlach und Straßlach-Dingharting. Wo die Bürger profitieren - etwa in Putzbrunn - ist hingegen Zustimmung zu erwarten. Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) wird für die Neustrukturierung votieren, Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) dagegen, obwohl Keferloh drin ist; Grasbrunn aber ist draußen. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) wiederum hat sich noch nicht entschieden. Man sieht: In den Kreisgremien sind bis zur Abstimmung im Kreistag am 24. September heiße Debatten zu erwarten.

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