MVV:Nächster Schritt auf dem Weg zur Flatrate

350 Euro

Über etwa 350 Euro im Jahr dürfen sich schätzungsweise 15 000 Besitzer von MVV-Jahreskarten freuen. So viel will ihnen der Landkreis als Zuschuss gewähren, um die Nachteile durch die Tarifreform gegenüber Inhabern von Tickets für die M-Zone auszugleichen. Der Betrag entspricht der durchschnittlichen Differenz zum Ticketpreis für den Innenraum. Wer in den Genuss der Unterstützung kommen will, muss im Landkreis wohnen, seine Jahreskarte im Voraus bezahlen und diese nachweislich nutzen. 5,7 Millionen Euro lässt sich der Kreis dieses Geschenk kosten, mit dem Ungerechtigkeiten der MVV-Tarifreform beseitigt werden sollen. Ausgezahlt werden soll der Zuschuss erstmals frühestens im Dezember 2020, also ein Jahr nach Inkrafttreten der Tarifreform am 15. Dezember. müh

Dass der Landkreis allen Einwohnern eine Jahreskarte zum selben Preis ermöglichen möchte, findet breite Zustimmung bei den Parteien. Für die Grünen bleibt das Hauptziel aber ein attraktiverer Nahverkehr

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Dass der Landkreis MVV-Nutzer, die zu den Verlierern der Tarifreform zählen, entschädigen will, findet in der Kreispolitik Unterstützung. Allerdings machen die Grünen im Kreistag deutlich, dass sie einer "Angebotsverbesserung" Priorität einräumen. Grundsätzlich sei es "gut", wenn alle Jahreskartenbesitzer preislich dem neuen Innenraum (Zone M) zugeordnet würden, sagt Fraktionssprecher Christoph Nadler. "Aber wir stehen vor großen Investitionen wie dem Nahverkehrsplan und geben ohnehin viel Geld aus. Und wir können nicht abwägen, wie die wirtschaftliche Lage in zwei Jahren ist." Landrat Christoph Göbel (CSU) hatte am Montag im Kreistag angekündigt, dass man Landkreisbewohnern, die eine Jahreskarte des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes besitzen oder sich für eine solche entscheiden, einen Zuschuss gewähren wolle, wenn diese durch die Tarifreform mehr für ihr Ticket bezahlen müssen als bisher.

Damit würden die Ungerechtigkeiten der MVV-Tarifreform für die Landkreisbürger beseitigt, sagt Ernst Weidenbusch. Der CSU-Landtagsabgeordnete und Kreisrat aus Haar hat das Modell maßgeblich durch einen Antrag angestoßen. Für Annette Ganssmüller-Maluche ist es "einfach nur gigantisch, was da jetzt passiert". Die stellvertretende Landrätin und SPD-Kreisrätin aus Ismaning gehörte von Anfang an zu den Kritikern der neu ausgearbeiteten MVV-Tarifreform und befürwortet ausdrücklich, dass der Landkreis München mit eigenen finanziellen Mitteln Ungerechtigkeiten der Neustrukturierung beseitigen will. "Wann wenn nicht jetzt sollen wir das machen? Wir als Landkreis können es uns leisten", so die SPD-Politikerin. "Sollte sich die wirtschaftliche Lage einmal ändern, müssten wir ohnehin überlegen, was noch machbar ist. Und was sind diese Kosten angesichts der Milliarden, die wir in Deutschland in die Straßen stecken?"

Laut Landrat Göbel ist das Ziel, dass alle Pendler, die ihren Erstwohnsitz im Landkreis haben und sich für ein Jahresticket entscheiden, zum selben Preis unterwegs sind - und zwar zum Preis der neuen Zone M. Pendler aus Unterschleißheim, Ismaning oder Sauerlach (Zone 1) oder Aying (Zone 2) werden durch das Modell spürbar und im Schnitt um 350 Euro im Jahr entlastet. Deshalb erhalten etwa auch Ottobrunner oder Unterföhringer (Zone M), die Zone 1 oder 2 dazu buchen, den Differenzbetrag. Der Kreis geht von bis zu 15 000 Berechtigten aus, weil er sich durch den Zuschuss ein Plus bei den Jahreskartenbesitzern um 20 Prozent erwartet.

Die bürokratische Abwicklung soll nach den Worten Göbels möglichst in den Städten und Gemeinden erfolgen. Sie müsse "möglichst schlank" sein. "Das ist der einfachste Weg. Der Antragsteller muss ohnehin auf die Meldebehörde, um eine Meldebescheinigung zu beantragen." Auch eine Online-Abwicklung sei vorstellbar. Wichtig sei, ein schnelles und effizientes System. "Wir wollen ja verhindern, dass jemand, der sich eine Jahreskarte kauft und nach zwei Monaten nach Wien zieht, den Zuschuss erhält."

Apropos Wien. Die Grünen im Kreis werden nicht müde, die österreichische Hauptstadt als Paradebeispiel beim Ausbau des ÖPNV zu preisen. "Dort wurden in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden investiert. Und bei uns geschieht nichts", kritisiert Kreisrat Nadler. "Wir machen jetzt den zweiten Schritt vor dem ersten", sagt sein Fraktionskollege Markus Büchler. "Wichtig wäre aber, den ÖPNV attraktiver zu machen, Angebote zu schaffen. Wir wollen die Leute ja zum Umsteigen bewegen."

Zudem kritisiert Büchler, dass die Subventionierung nicht in die umgekehrte Richtung gelten soll. "Es gibt viele Menschen, die nach draußen zum Arbeiten fahren. Zum Beispiel von Schleißheim nach Freising", sagt er. "Die bleiben außen vor." Göbel weiß um diese Problematik und erneuert zwei Forderungen: Erstens müsse der MVV-Raum deutlich erweitert werden. "Bis in den Landkreis Miesbach und Landsberg am Lech zum Beispiel. Wir müssen größer denken", sagt der Landrat. Und zweitens brauche es für diesen Raum "eine echte Flat". Also ein einheitliches Jahresticket. "Das ist das richtige Ziel", sagt Göbel.

Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) hätte sich gewünscht, dass Monats- und Wochenkarten berücksichtigt werden. "Das wäre eine Lösung, die sich an den Bedarfen der Menschen orientiert. Nicht jeder benötigt eine Jahreskarte", sagt er. Daher werde im Gemeinderat, wie beschlossen, weiter diskutiert, ob nicht die Kommune selbst die Besitzer von Monats- und Wochenkarten unterstützen werde, sagt Greulich.

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