Münchner Originale auf Facebook:Freunde für die Ewigkeit

Champagner im Grab: Pumuckl, der Monaco Franze, Liesl Karlstadt und Franz Josef Strauß haben jede Menge Fans. Auf Facebook leben die Münchner Originale weiter.

Moritz Baumstieger

Monaco Franze hat eine depressive Phase. Das Winterwetter, die Damen sind in dicke Hüllen eingepackt und sein Auto in Schnee, keine Jahreszeit für einen Stenz. König Ludwig wünscht sich von Wagner zwei Tage vor Weihnachten noch eine neue Oper. Seine Hoheit bangen: "Richard, schaffen Sie das noch?" Dass Wagner den Wunsch erfüllen kann, ist mehr als fraglich. Seine letzte Verlautbarung ist schon etwas her: An seinem Geburtstag am 22. Mai hatte der Komponist "etwas Champagner im Grabe" - allerdings war das im Jahr 2009. Pumuckl hingegen ist lebendig wie eh und je und dichtet fröhlich von seinem Schaukelschiff.

Facebook-Grafik, Dennis Schmidt

Freunde für immer: Im Internet führt so mancher berühmte Münchner auch lange nach seinem Tod ein Eigenleben - sehr zur Freude der stetig wachsenden Facebook-Gemeinde.

(Foto: Grafik: Dennis Schmidt, AP, dpa, Scherl, SZ-Photo)

Der Stenz und der König, der Komponist und der Kobold, alle waren längst Legenden, bevor die ersten Datenpakete im Internet ausgetauscht wurden. Doch egal, ob sie schon ein paar Jahre in einer Gruft zugebracht oder ihre Schöpfer die Autorentätigkeit längst eingestellt haben: Auf Facebook sind die Münchner Kultfiguren lebendig. Einige wurden als reale Personen angemeldet, was nicht ganz den Nutzungsbedingungen der Seite entspricht, bei der jeder verpflichtet ist, seinen Klarnamen anzugeben. Diese Profile könnten gelöscht werden, wenn sich jemand bei dem Unternehmen im kalifornischen Palo Alto beschwert.

Fan-Seiten sind hingegen legal. Die gibt es auf Facebook für fast alles Erdenkliche, etwa für Leberkäs-Semmeln und Flughäfen. Doch die lassen die Umwelt nicht aus der Ich-Perspektive an ihrem Leben teilhaben, so wie das einige Münchner Originale tun. Karl Valentin lässt wissen, dass er "a nette Wohnung in Münchn Akademieviertl" sucht, seine Liesl Karlstadt lässt ihre Fans Sketche auf Bildern erraten. Will man mit ihr Kontakt aufnehmen, verweist sie darauf, dass sie leider "schon lange auf dem Bogenhausner Friedhof" liege, aber noch über "irdische Kontakte" verfüge.

Auch die verflossene Polit-Prominenz lebt im Netz: Der 1919 ermordete Ministerpräsident Kurt Eisner hat großes Interesse an der Errichtung eines Denkmals für ihn in der Offline-Welt, Franz Josef Strauß ist nicht weniger eitel, er fungiert nach Selbstauskunft immer noch als CSU-Vorsitzender. Auf seinen Fanseiten hält sich Strauß jedoch untypisch vornehm zurück und lässt sich lieber Ergebenheitsadressen auf Bauch und Pinnwand pinseln. Sein noch ganz lebendiger Nach-Nachfolger Edmund Stoiber hat auf einer seiner Seiten das Online-Spiel "Mafia Wars" als Hobby angegeben. Das glaubt ihm die Opposition sofort.

Neue Bedeutung für den "Ewigen Stenz"

Der echte Stoiber wäre davon vielleicht nicht so begeistert. Sich dagegen wehren, dass jemand seinen Namen kapert und unter falscher Flagge segelt, kann er jedoch nur schwer: Facebook kann kaum kontrollieren, ob ein Nutzer und sein Name zusammenpassen.

Helmut Dietl zumindest hat gar nichts dagegen, dass Monaco Franzes Beiname "Der ewige Stenz" dank des ewigen Netzes inzwischen eine ganz neue Bedeutung hat. Er wusste bisher nichts von den 58.824 Online-Freunden, die sich in den Kommentarspalten mit Zitaten aus der Serie und Liebesbekundungen überbieten. Dietl muss zwischen den Worten immer wieder lachen. Der Stolz darauf, dass sich seine Serienfigur selbständig gemacht hat, ist trotzdem deutlich herauszuhören. "Wie lang ist das bald her?", fragt er ein wenig rhetorisch, "bald 30 Jahre!"

"Agnesstraße 16, 80 München 40"

Die anhaltende Beliebtheit des Franz Münchinger beobachte er mit einem gewissen Staunen, andererseits komme hier vielleicht die Liebe zurück, die er einst in die Figur gesteckt hat: "Die Zuneigung zum Schauspieler und Menschen Helmut Fischer, zur Stadt, zu einer gewissen Lebensform" - das seien alles keine Autorentricks gewesen, sondern echte Emotion. Und die sei beständig.

Anschauen mag er sich den Online-Monaco aber nicht: Er gehe nicht auf solche Seiten, sagt Dietl, aus Selbstschutz. "Es könnte passieren, dass ich mich von einem Detail, das aus meinen Augen nicht stimmt, herausgefordert fühle." Jeder soll die Figur auf seine Weise interpretieren, "aber ich muss davon nichts wissen". Der Mensch, der den Monaco Franze für die Netzgemeinde gibt, ist jedoch sehr darum bemüht, im Sinne des Schöpfers zu handeln. Ein krachertes Brachialbayerntum will Daniel Strobel vermeiden, das werde dem Monaco oft untergeschoben, treffe seinen Schwabinger Charme aber gar nicht. Und wenn jemand an ihn herantritt, der mit der Popularität des Stenzes Geld machen will, lösche er die Einträge sofort.

Strobel wohnt nur einen kleinen Spaziergang entfernt vom Monaco Franze, der auf Facebook die Serien-Adresse "Agnesstraße 16, 80 München 40" angegeben hat. Trotzdem will Strobl eine gewisse Distanz bewahren. Der 37-Jährige ist "verheiratet und keiner, der im Internet den Frauen hinterhersteigt". Wenn er von seinem Alter Ego spricht, verwendet Strobel ein ehrfürchtiges "er". Die Facebook-Gruppe gründete Strobel 2009 "aus purer Langeweile", auf das erste "unsterblich", das er den Franz sagen ließ, reagierten damals 29 Leute.

Ein Jahr später hatte Strobel sein Stilmittel gefunden, seitdem spricht Monaco aus der Ich-Perspektive. "Manni, da schau aufs Fahndungstelex, der Tierpark Toni wird heute auch schon 60. . ." schreibt Monaco-Strobel am Geburtstag des Schauspielers Wolfgang Fierek. Darauf melden sich um die 400 Leute, der schon in der Serie eher maulfaule Kopfeck-Manni antwortet aber leider nie.

817 Pumuckl-Fans in Ungarn

Pumuckl kann bei diesen Zahlen nur laut lachen, das kann er ja eh gut. Er hat 187.500 Fans, und wenn ihm ein guter Reim einfällt, goutieren das in weniger als 24 Stunden 2800 Menschen mit einem "mag ich". Weil die Serie auch ins Spanische, Chinesische und Bulgarische übersetzt wurde, kommen Kommentare aus der ganzen Welt. Auch seine Internet-Patin sitzt nicht in München: Lea Moser ist 21 und kommt aus Zürich, die Abenteuer von Meister Eder und dem Kobold lernte sie lieben, "weil wir bei uns den Österreicher reinkriegen". Anders als Strobl identifiziert sie sich total mit ihrer Rolle, die sie neben ihrem Leben als Bürokauffrau seit zwei Jahren im Netz ausfüllt.

Als Gruppenadministratorin weiß sie etwa, dass es 817 Pumuckl-Anhänger in Ungarn gibt und 530 in Australien. Außerdem, sagt Lea Moser, seien 69 Prozent der Fans weiblich. Solche Zahlen hat auch Daniel Strobel für seinen Monaco. Sie werden dem Stenz nicht gefallen: Zwei Drittel seiner Fans sind männlich. Vielleicht liegt die Depression des Münchinger Franz - Selbstauskunft: "Ehrlich gesagt, ich interessiere mich wahnsinnig für Frauen" - auch daran.

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