Verkehr im Münchner Norden:Wann kommt endlich der Radschnellweg?

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23 Kilometer vom Stachus bis nach Unterschleißheim beziehungsweise zum Garchinger Forschungscampus soll die Trasse verlaufen. Seit fünf Jahren laufen die Planungen, gebaut ist aber noch kein Meter. Eine Zwischenbilanz.

Von Thomas Kronewiter und Martin Mühlfenzl

Im Jahr 2016 ist der Pilot abgehoben. Nur leider, sagt Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD), sei er mittlerweile vom Weg abgekommen und kaum mehr auf dem Radar zu sichten. Ganz im Bermudadreieck ist das von Böck angesprochene Pilotprojekt natürlich noch nicht verschwunden; schließlich beschäftigt es die Kreispolitik, die Landeshauptstadt und die Städte Garching und Unterschleißheim bereits seit fünf Jahren. Worauf der Unterschleißheimer Rathauschef abzielte, war vielmehr die Tatsache, dass von dem viel beschworenen Prestigeprojekt, das im Norden der Landeshauptstadt und des Landkreises einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende beitragen soll, noch kein einziger Meter gebaut ist.

Auf einer Länge von etwa 23 Kilometern vom Stachus in der Münchner Innenstadt bis nach Unterschleißheim respektive zum Garchinger Forschungscampus samt der Technischen Universität (TU) soll Bayerns erster Radschnellweg verlaufen; alleine im Landkreis München werden die Baukosten mit etwa 35 Millionen Euro beziffert. Doch das Projekt kommt nur sehr langsam voran, in der Stadt hat noch nicht einmal der Stadtrat final über das Megaprojekt entschieden, in der Stadt Garching wird noch immer über die richtige Trassenführung gerungen.

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Abgeschlossen ist die Entwurfsplanung für den sogenannten Abschnitt 1 von Freimann bis zur Kreuzung der Bundesstraßen 13 und 471 in Garching-Hochbrück, für diesen Sommer ist die Projektplanung vorhergesehen - avisierter Baubeginn ist das kommende Jahr. Die weiterführenden Trasse nach Unterschleißheim (Abschnitt 3) soll als nächste in die Vorplanung gehen; verantwortlich dafür zeichnet das Staatliche Bauamt. Landrat Christoph Göbel (CSU) berichtete im Mobilitätsausschuss des Kreistags unlängst allerdings von personellen Mängeln in der Behörde; diese sollen durch eine neue Stelle beseitigt werden, die nur dem Thema Radschnellweg zugeschlagen werden soll.

Etwas komplizierter gestaltet sich der Prozess bei der Abzweigung der Radl-Autobahn in die Stadt Garching und bis zum Forschungszentrum. Dem Bau eines Radschnellwegs auf der B 471, der Schleißheimer Straße, stehen derzeit gleich zwei Hindernisse entgegen: erstens die vielen Kreuzungssituationen mit Ein- und Ausfahrten der zahlreichen Gewerbebetriebe. Und zweitens plant der Bund nach wie vor einen vierspurigen Ausbau der Bundesstraße, gleichwohl auch hier die Planungen ins Stocken geraten sind. Möglich ist daher auch eine Trasse südlich entlang des Schleißheimer Kanals, die dann den U-Bahngleisen folgend nach Norden geführt werden könnte. Weiter geht es über die Schleißheimer Straße und von dort trennen sich die möglichen Trassen: Entweder entlang der A 9 oder durch den Norden der Stadt, ehe sie an der Kreuzung der Ludwig-Prandtl-Straße mit dem Römerhofweg wieder zusammenlaufen. Von diesem Punkt an ist die Weiterführung bis zum Forschungscampus geplant. Eine Entscheidung, welche Trasse die sinnvollste ist, steht allerdings noch aus.

Auch in der Landeshauptstadt sind noch mehr Fragen offen als geklärt. Das hat damit zu tun, dass die Gegebenheiten in der Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte bundesweit herausfordernd sind - Radschnellwege brauchen vor allem eines: viel Platz.

Für den 9,1 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Altstadtring und der Stadtgrenze im nördlichen Freimann hat die Stadt München derzeit nichts Neues zu vermelden. Immerhin gilt der nördliche Radschnellweg auf dem ersten Abschnitt zwischen dem Lenbachplatz und der Von-der-Tann-Straße als fertig geplant, für den Rest, heißt es, laufe die Planung. Sobald sich die betroffenen Bezirksausschüsse zum ersten Teilabschnitt ihre Meinung gebildet haben, will die Verwaltung den Stadtrat um das abschließende Wort bitten, dann soll ausgeschrieben werden. Eine entsprechende Ankündigung von Ende März gilt nach wie vor, aber immer noch vermeidet das städtische Baureferat dazu konkrete Zeitangaben. Das dürfte nicht von ungefähr so sein: Immerhin birgt ein Ausbau der favorisierten Trasse via Karlsplatz, Odeonsplatz, Ludwigstraße, Leopold- und Ingolstädter Landstraße ungeachtet ihrer verkehrlichen Vorteile wegen der ohnehin schon vorhandenen Enge durchaus politische Stolperfallen: Wie erbittert um die Zuweisung der Flächen zwischen den Verkehrsmitteln gerungen wird, zeigte sich schon bei den versuchsweise eingeführten Pop-up-Radwegen.

Im weiteren Verlauf ist ebenfalls damit zu rechnen, dass etwa der ins Auge gefasste Wegfall von 840 oberirdischen Parkplätzen am Straßenrand insbesondere der Leopold- und der Ingolstädter Landstraße, der die Radwegtrasse dort überhaupt ermöglichen soll, in den Lokalgremien nicht unkommentiert zur Kenntnis genommen wird. Ob sich die Bezirksausschüsse der Auffassung des Planungsreferats anschließen, wonach "im Bereich der nördlichen Leopoldstraße und der Ingolstädter Straße kein nennenswerter Parkdruck besteht", darf man gespannt abwarten.

Allenfalls beim Gesamtkonzept für Radschnellverbindungen ins Umland legt sich die Behörde fest: Machbarkeitsstudien wurden schon im Dezember 2020 fertig, In der zweiten Jahreshälfte 2021 soll das Mobilitätsreferat dem Stadtrat einen Beschlussvorschlag unterbreiten. Dies könne nicht so schnell vorangehen wie auf dem flachen Land, heißt es - die dichte Bebauung mache Kompromisse und umfangreiche technische Vorbereitungen nötig. Das brauche Zeit. Nach Zustimmung des Stadtrats zum Vorschlag des Mobilitätsreferats rechnet man in der Stadtverwaltung voraussichtlich Ende 2021 mit dem Beginn vertiefter Planungen. Ob das haltbar ist, muss sich erst noch zeigen. Ungeachtet der Verweise auf das neu gegründete Mobilitätsreferat werden Anfragen zu den Radwegprojekten derzeit noch ans Baureferat abgegeben.

Im Ruhrgebiet entsteht ein Mammut-Radweg - auf 101 Kilometern Länge

Andernorts in Deutschland sind bereits Radler auf Schnellwegen unterwegs. Etwa auf einem 12,5 Kilometer langen Abschnitt des Radschnellwegs Ruhr (RS1), der zu einem 101 Kilometer langen Rad-Highway zwischen Duisburg und Hamm ausgebaut werden und auch die Städte Essen, Dortmund und Bochum anbinden soll. Auch in Baden-Württemberg sind seit zwei Jahren auf einer acht Kilometer langen Trasse Radler zwischen Sindelfingen und Stuttgart unterwegs. In Nordrhein-Westfalen genießen Radschnellverbindungen mittlerweile den Status von Landesstraßen, was die Finanzierung erleichtert - denn in diesen Fällen muss das Bundesland selbst als Baulastträger die Kosten übernehmen. Gefördert mit Bundesmitteln, wenn die Kriterien von Radschnellwegen erfüllt werden. Auch in Bayern werden die Verbindungen gefördert, allerdings nicht in den Rang von Staatsstraßen erhoben, was den Freistaat in die Pflicht zur kompletten Kostenübernahme nehmen würde. Daher werden im Landkreis immer wieder Forderungen laut, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen und Radschnellwege in den Rang von Bundesstraßen zu erheben - dann müsste der Bund die Finanzierung tragen.

Denn Radschnellwege sind schon angesichts der hohen Standards teuer. Eine Trasse muss mindestens zehn Kilometer lang sein, um überhaupt als Radschnellweg gefördert zu werden, das Potenzial muss bei mindestens 2000 Nutzern am Tag liegen. Als eigenständig verlaufende Straße muss der Highway in der Regel vier Meter breit sein; an Kreuzungspunkten sollen die Wege höhenfrei mit Unter- beziehungsweise Überführungen verlaufen.

Das alles stellt den Landkreis vor große Herausforderungen - die Stadt aber noch viel mehr.

© SZ vom 19.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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