Polizei und Rettungsdienste:Der Notruf wird zur Service-Hotline

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Die Polizei war weniger wegen Einbrüchen im Einsatz,

(Foto: SZ-Grafik)

Die Zahl der Straftaten sinkt, die der Hilfseinsätze steigt. Während die Polizei in der Corona-Pandemie bei einigen Delikten aufatmet, haben sich die Anrufe bei der Einsatzzentrale für Feuerwehr und Rettungsdienst verdoppelt.

Von Iris Hilberth

Nahe der S-Bahn-Haltestelle Fasanenpark liegt an diesem kalten Dezembermittag wieder mal ein Fahrrad. Achtlos in die Wiese geworfen, leicht mit Schnee überpudert. So parkt niemand sein Radl, auch nicht wenn er es eilig hat. Es wird eines von vielen Rädern sein, die irgendwo vermisst werden. Eines, das geklaut und dann stehen oder liegen gelassen wird, wenn der Dieb es nicht mehr braucht. Auf der Facebook-Seite der Unterhachinger Dorfgemeinschaft häufen sich die Beobachtung herren- und damenloser Fahrräder im Gemeindegebiet genauso wie Vermisstenmeldungen eigener Radl.

Siegfried Graf, Leiter der Polizeiinspektion Unterhaching, kennt viele solcher Fälle. In der Pandemie, sagte er kürzlich bei der Bürgerversammlung, sei die Zahl der Fahrraddiebstähle auffallend nach oben gegangen. Warum das so ist, kann er nur mutmaßen. Vielleicht weil es aktuell so schwierig ist, Fahrräder zu kaufen, die Lieferzeiten sehr lang sind. "Auffällig ist, dass auch relativ einfache Räder gestohlen werden, nicht nur hochwertige", sagte Graf. Sicher wolle sich der eine oder andere das Taxi sparen. "Dem widerspricht aber, dass nicht so viele im Straßengraben landen", hat Graf festgestellt. Und: Außerhalb Münchens ist es noch nicht so schlimm wie in der Stadt.

Polizei und Rettungsdienste: Polizeischutz bei der Eröffnung des Impfzentrums in Oberhaching.

Polizeischutz bei der Eröffnung des Impfzentrums in Oberhaching.

(Foto: Claus Schunk)

Obwohl die Zahl der Polizeieinsätze in der Pandemie auch im Landkreis München insbesondere wegen zahlreicher Kontrollaufgaben auffallend nach oben gegangenen ist, die Straftaten sind es insgesamt nicht. Im Gegenteil: Im Landkreis München wurden im Jahr 2020 etwa 3,9 Prozent weniger als neun Jahre zuvor gezählt, obwohl die Bevölkerung in diesem Zeitraum um 8,4 Prozent gewachsen ist. In ihrer alljährlich veröffentlichten Statistik "Auf einen Blick" hat das Landratsamt München dieses Mal Polizei und Rettungskräfte in den Fokus genommen und stellt fest: "Der Großraum München ist im Vergleich mit anderen Großstädten die sicherste Region in Deutschland - zum 45. Mal in Folge." Dabei hätten die zurückliegenden Monate einmal mehr deutlich vor Augen geführt, welch wichtige Rolle die sogenannten Blaulichtorganisationen in unserem Alltag spielen", schreibt Landrat Christoph Göbel (CSU) in seinem Vorwort.

Falsche Handwerker und falsche Corona-Patienten

Sieben Polizeiinspektionen gibt es im Landkreis München. Dort hat man festgestellt, dass das Corona-Jahr 2020 viele erwartbare aber auch einige überraschende Auswirkungen auf das Kriminalitätsgeschehen hatte. So sei zwar die Anzahl der Gewalttaten zurückgegangen, die durch Alkohol bedingt waren. Einen deutlichen Anstieg habe es hingegen bei Straftaten gegen das Leben, Sexualitäts- und Rohheitsdelikte gegeben. Taschen- und Ladendiebstähle seien aufgrund der Lockdowns genauso zurückgegangen wie Wohnungseinbrüche.

Die Einbrecher haben sich umorientiert: Während die Leute zu Hause im Homeoffice saßen, haben die Einbrüche in Büros und öffentliche Einrichtungen zugenommen. Bei den vielen Einsätzen ging es häufig um Streitigkeiten und Beleidigungen, meist im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen. Auch waren Trickbetrüger sehr aktiv und machten den Beamten zu schaffen. Neben falschen Handwerkern und falschen Polizisten kamen nun auch noch die falschen Corona- Patienten dazu, die vermeintlichen Verwandten Geld aus der Taschen ziehen wollten. Eine Dienstwaffe mussten die Beamten übrigens kein einziges Mal einsetzen.

Die Zahl der Verkehrsunfälle war hingegen im Jahr 2020 so niedrig wie lange nicht mehr. Was nicht weiter verwundert, da im ersten Pandemiejahr sehr viel geschlossen war und ein Großteil der Leute zu Hause arbeitete. Allerdings schlug sich der Trend, mehr Rad zu fahren, auch in der Unfallstatistik nieder. Bei mehr als der Hälfte der schwer Verunglückten handelte es sich um Fußgänger und Radfahrer. Als häufigste Unfallursache insgesamt gibt das Landratsamt den ungenügenden Sicherheitsabtstand und Ablenkungen beim Fahren etwa durch das Bedienen des Navis oder das Hantieren mit dem Handy an. "Bei einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer pro Stunde legt der Fahrer so nahezu 14 Meter im Blindflug zurück", warnt die Behörde und weist darauf hin, dass Telefonieren nicht nur am Steuer des Autos, sondern auch auf dem Fahrrad verboten ist. Etwa ein Drittel der "Handyverstöße" seien im Großraum München von Radfahrern begangen worden.

Impfzentrum des BRK in Unterschleißheim

Das Rote Kreuz hat das Impfzentrum in Unterschleißheim aufgebaut.

(Foto: Florian Peljak)

Die Broschüre des Landratsamt stellt die Leistungen der Rettungsdienste besonders heraus. "Sie waren und sind im Dauereinsatz und haben, seit die Corona-Pandemie unser Leben bestimmt, viele weitere wichtige Aufgaben übernommen wie zum Beispiel den Betrieb der Impfzentren", teilt Landrat Göbel mit. Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst und Johanniter Unfallhilfe haben die vier Impfzentren im Landkreis aufgebaut, betrieben, drei von ihnen wieder abgebaut und jetzt zwei wieder eingerichtet. Auch das Technische Hilfswerk ist in der Pandemie ständig im Einsatz. Gerade erst hat es wieder 20 Ehrenamtliche für das Impfzentrum in Haar abgestellt, wie der Landrat vergangene Woche berichtete. Auch der Antrag auf Hilfe bei der Bundeswehr wurde am vergangenen Donnerstag positiv beschieden, 15 Soldaten werden im Bereich Logistik und Organisation in Haar eingesetzt, über den zusätzlichen Antrag auf Hilfe durch medizinisches Personal gibt bislang noch keine Antwort.

Gut aufgestellt sieht sich der Landkreis bei den Feuerwehren, das Landratsamt berichtet von der "höchsten Feuerwehrdichte in ganz Deutschland". Neben den 45 Freiwilligen Wehren sorgen sieben Werks- und drei Betriebsfeuerwehren sowie die Feuerwehr der Bundeswehruniversität in Neubiberg für Sicherheit. Koordiniert werden sie von der Feuerwehreinsatzzentrale (FEZ) des Landkreises am Mariahilfplatz in München. Auch dort macht sich die Pandemie in der Arbeitsbelastung bemerkbar. Die Zahl der Vermittlungen von Diensten und die Beratung von Bürgern habe sich verdoppelt, hat das Landratsamt festgestellt. Leute rufen auch wegen einer Störung der Heizungsanlage oder bei Stromausfall an. Die FEZ habe sich zu einem "Service-Zentrum" entwickelt.

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