München /Oberschleißheim:Ergebnis offen

München /Oberschleißheim: Wo die Stadt zu Ende ist: Die ländliche Idylle im Münchner Norden weicht vielleicht bald dem Wohnungsbau.

Wo die Stadt zu Ende ist: Die ländliche Idylle im Münchner Norden weicht vielleicht bald dem Wohnungsbau.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Wohnungsbau im Norden von München sollen die Grundstückseigentümer jetzt mitreden

Von Simon Schramm, München /Oberschleißheim

Der Plan der Stadt steht: Der Münchner Norden soll auf sein Entwicklungspotenzial für den Wohnungsbau abgeklopft werden - ergebnisoffen, betont Stadtbaurätin Elisabeth Merk. "Wir werden da nicht übermorgen bauen. Sondern das ist eine Untersuchung, um überhaupt ein Gefühl zu bekommen und belastbare Argumente, soll man das tun oder nicht." Voraussetzung ist für die Stadtbaurätin, dass im Gebiet um Feldmoching und Ludwigsfeld Wohnungen für Normalverdiener entstehen. "Wenn wir ausrechnen würden, dass wir mit der Kosten- und Lastenverteilung gar nicht in der Lage sind, bezahlbaren Wohnraum zu erstellen, ist es nicht im Sinne des Gemeinwohls, diese Flächen zu entwickeln."

Nach Merks Darstellung ging die Initiative zu neuer Wohnbebauung im Norden ohnehin nicht von der Stadt aus. Den Anstoß hätten vielmehr lokale Grundstückseigentümer selbst gegeben, wie die Stadtbaurätin jetzt erstmals erklärte. Man habe im Planungsreferat praktisch täglich mit Eigentümern aus dem Norden zu tun gehabt, die auf Basis einzelner Bebauungspläne ihre Projekte hätten realisieren wollen. Als das Planungsreferat aber diese Stimmung aufgenommen und versucht habe, statt vieler Einzelprojekte mit dem Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) ein Großquartier aus einem Guss zu entwerfen, sei man zwischen allen Stühlen gesessen. Im Protest gegen die SEM seien unterschiedliche Gruppen zusammengekommen. "Die Hälfte der Menschen will, dass da überhaupt nicht gebaut wird", beschreibt Merk. "Die andere Hälfte will, dass sie mehr Geld sehen, denen geht es um die Konditionen."

Entwicklungsbereite Investoren und Eigentümer einerseits, bebauungskritische Anwohner andererseits: Normalerweise ist es das Planungsreferat, das zwischen diesen gegensätzlichen Interessengruppen vermittelt, im Münchner Norden aber bildeten sie eine Allianz, die Stadtverwaltung war der Gegner. Dennoch geht es Merk weiterhin um einen Interessenausgleich: "Ich sehe unsere Aufgabe darin, dass wir beiden Anliegen Rechnung tragen."

Wie das konkret aussehen wird, ist offen. Fest steht nur, dass es im Norden keine SEM geben wird, in diesem Punkt hat sich die Allianz der Gegner durchgesetzt. Jetzt soll ein kooperatives Stadtentwicklungsmodell (Kosmo) zum Einsatz kommen, "Neuland" für die Stadtplaner, wie Merk gesteht. "Wir müssen so etwas wie das Kosmo-Modell erst erfinden." Der entscheidende Unterschied zur SEM: Es gibt keinen festgelegten rechtlichen Rahmen, mit dem die Stadtplaner arbeiten können. Sie müssen sich ihr Werkzeug quasi selber bauen - in Kooperation mit den Grundstückseigentümern. Zehn Jahre Planungszeit hatte Merk veranschlagt.

Für die baurechtlichen Fragen wollen die Stadtplaner eine Organisationsform finden, in der Stadt und Grundstückseigentümer gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen, etwa einen Zweckverband. Es soll ein Format werden, bei dem jeder mitmachen kann, Eigentümer kleiner wie großer Flächen oder Investoren. Das neue Planungsmodell soll aufschlüsseln, wer wie viel Gewinn für die Bebauung seiner Flächen erhält, und wann und wie für Baukosten wie Infrastruktur gezahlt wird. Der Grundstückseigentümer erfahre, "ungefähr so viel wird wahrscheinlich übrig bleiben von einem möglichen Gewinn, und ungefähr so viel musst du beitragen, um Grünflächen, Freiflächen, soziale Infrastruktur zu erledigen", verdeutlicht Merk. Eine Möglichkeit könne zum Beispiel sein, einen bestimmten Prozentsatz jeweils für Erschließung, Grün- und Freiflächen oder soziale Strukturen wie Schulen festzulegen. Das zweite Ziel sei "natürlich die Münchner Mischung", also ein gleichmäßiger Anteil an frei finanzierten, Eigentums- und sozial geförderten Wohnungen.

In diesem Herbst soll der Startschuss für die Planungsphase fallen. Zunächst will sich das Planungsreferat um die Landwirtschaft kümmern: Zwei runde Tische und ein Workshop seien derzeit angedacht, sagt Merk. Die Ergebnisse sollen als Basis für ein agrarstrukturelles Gutachten dienen. Gleichzeitig mit der ersten Kontaktaufnahme will sich die Stadtbaurätin im Herbst das Geld für dieses Gutachten genehmigen lassen ebenso wie für Fachuntersuchungen zu Themen wie Verkehr, Natur und Infrastruktur im sozialen Bereich.

Merk weiß, dass im Norden sehr viele Grundstücksbesitzer einer möglichen Bebauung kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, und nicht nur die. Vorgesehen ist darum, mit den Anwohnern einen Dialog über das geplante Quartier zu beginnen. So ist die Stadt auch beim anderen Großsiedlungsprojekt im Stadtbezirk Bogenhausen vorgegangen. "Die Einbindung der normalen Bevölkerung hat im Nordosten eigentlich sehr gut geklappt", sagt Merk. Ein Format für den Norden werde noch gesucht, bei der Menge an Betroffenen vielleicht eine Internetplattform. "Das müssen wir einfach gut hinkriegen, man kann ja nicht immer mit 500 Leuten reden", sagt die Stadtbaurätin.

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