Männerchöre und Burschenvereine:Frauen? Das gab's noch nie

Ottobrunn, Wolf-Ferrari-Haus, CSU-Neujahrsempfang mit Ernst Weidenbusch

Noch nie habe eine Frau mitsingen wollen: der Sängerkreis Ottobrunn - mit Bürgermeister Thomas Loderer (hinten rechts) als Verstärkung.

(Foto: Claus Schunk)

Vereine wie der Sängerkreis Ottobrunn, der nur Männer aufnimmt, sollen ihre Gemeinnützigkeit verlieren. Sie sehen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht, Frauen aufnehmen wollen sie deshalb aber keineswegs.

Von Iris Hilberth

"Mia san Ottobrunner, Ottobrunner Leit', mia ham a Herz für uns're Welt und ham an Batz'n Schneid!" Wenn der Sängerkreis das Ottobrunner Lied anstimmt, dann ausschließlich mit Tenor- und Bassstimmen. Das war schon immer so. Hundert Jahre alt ist der Chor in diesem Dezember und noch nie hat eine Frau mitgesungen. Bislang waren weibliche Mitglieder auch nie ein Thema bei den Ottobrunner Sängern. Doch jetzt hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigt, Vereinen, die grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Wäre der Steuervorteil weg und der Sängerkreis könnte keine Spendenquittungen mehr ausstellen, würde das den Männerchor möglicherweise in existenzielle Nöte bringen.

Chorleiter Thomas Schmid findet das "grotesk". Noch nie habe eine Frau bei ihnen mitsingen wollen, sagt er. Und das soll auch weiterhin so bleiben, denn als Männerchor ist der Sängerkreis eine Rarität im Landkreis München. "Gemischte Chöre gibt es schließlich wie Sand am Meer", sagt Schmid. Für ihn gehören Männerchöre zum Kulturgut. In den Achtzigerjahren habe es sogar in Ottobrunn mal die Überlegungen geben, aus dem Sängerkreis einen gemischten Chor zu machen, weil es nicht mehr genügend aktive Mitglieder gab. "Ich war aber auch damals dagegen", sagt Chorleiter Schmid. Das Problem habe sich längst gelöst: 26 Sänger treffen sich im Jubiläumsjahr regelmäßig zum Singen, am Nikolaustag werden sie im Kaiserhof der Residenz auftreten, zwei Tage später auf dem Rathausplatz in Ottobrunn und an Weihnachten in der Aussegnungshalle. "Uns eint die Freude am Gesang", sagt Schmid, und damit das so bleiben kann, ist der Verein auf Spenden angewiesen.

Den Überlegungen des Finanzministers vorausgegangen ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs von 2017. Der hat klargestellt, dass eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte, nicht gemeinnützig ist. Allerdings sind dies viele eingetragene Vereine, die das e.V. in ihrem Namen tragen, gar nicht. Die Burschenvereine etwa, die vielen bei dieser Problematik in den Sinn kommen, besitzen keinen solchen Status. Finanzielle Auswirkungen hätte eine Gesetzesänderung auf sie also nicht. "Wir verstehen aber trotzdem nicht, wie man auf so etwas kommen kann", sagt Simon Huff, der Vorsitzende der Lindenburschen Neubiberg.

Es müsse doch auch Vereine geben, die spezifisch für Männer oder auch nur für Frauen sind. Auch in Taufkirchen, beim Burschenverein Frisch Fröhlich, schüttelt man den Kopf und verweist auf die Tradition, die immerhin schon 125 Jahre besteht. Vorsitzender Julius Ammerreller spricht von "Brauchtumspflege" und betont zudem: "Die Madl sind bei uns eh immer dabei und haben die gleichen Rechte und Pflichten."

Reichlich empört über den Vorschlag aus Berlin reagiert Robert Gruber vom Christlichen Männerverein St. Josef in Feldkirchen. Zwar ist auch dieser Verein nicht gemeinnützig und daher von einer möglichen Neuregelung im Steuerrecht nicht betroffen, aber Gruber findet: "Das ist ein No-go", "ein Nonsens". Es könne nicht sein, dass Vereine, die ehrenamtlich arbeiteten, so vor finanzielle und existenzielle Probleme gestellt würden. Frauen würden sie deshalb auf keinen Fall in ihren Verein aufnehmen. "Warum auch?" Dieses Frage habe sich nie gestellt. Gruber und seine Vereinskollegen fragten sich schon, was das alles solle. "Da kann man sich nur noch wundern." Er findet, die SPD solle sich mal anderen Problemen widmen.

Gemeinnützigkeit

Als gemeinnützig gelten Tätigkeiten, die der Allgemeinheit selbstlos auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet dienen. Dazu zählen die Förderung der Wissenschaft und Forschung, von Bildung und Erziehung, aber auch von Kunst und Kultur, Heimatpflege sowie des Sports. Auch Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe sind gemeinnützig. In Deutschland wird die Gemeinnützigkeit im Paragraf 52 der Abgabenordnung definiert. Demnach ist ein Verein nicht gemeinnützig, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist. Anerkannte Organisationen sind steuerlich begünstigt. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfolgt durch das Finanzamt. hilb

In der Landkreis-SPD ist man nicht sonderlich erfreut über den Vorstoß aus Berlin. "Mein Thema ist das nicht", sagt Landratskandidatin Annette Ganssmüller-Maluche, es gebe wichtigere. Wenn man etwas im Steuerrecht in Bezug auf Frauen unternehmen wolle, solle man das Ehegattensplitting angehen. Als SPD-Vertreterin sei sie aber im Landkreis noch nicht auf Scholz' Aussage angesprochen worden. Auch SPD-Kreisvorsitzender Florian Schardt ist nach eigener Aussage noch nicht von Vereinsfunktionären mit dem Thema konfrontiert worden. Man müsse das auch differenziert sehen, findet er. Zuerst sei er zwar auch zusammengezuckt, als er von den Plänen des Finanzministers erfuhr. Andererseits findet er: "Verbindungen oder Freimaurer-Logen, die oft eher der Beziehungs- als der Brauchtumspflege dienen, müssen nun wirklich nicht gemeinnützig sein." Männerchöre und Burschenvereine hingegen seien etwas "ganz Wunderbares und müssen außen vor bleiben".

Am vergangenen Sonntag hat sich die FDP Bayern auf ihrem Parteitag gegen die Pläne ausgesprochen, die Gemeinnützigkeit von Vereinen abzuerkennen, wenn diese nur Männer den Zugang zur Mitgliedschaft erlauben - beziehungsweise nur Frauen. Die FDP ist damit dem Antrag des Kreisvorsitzenden der Jungen Liberalen München-Land, Sam Batat, gefolgt. Der tatsächliche Beitrag zum Gemeinwohl solle das entscheidende Kriterium sein, heißt es in dem Beschluss. "Bayerns Vereine sind die Herzkammer vom gesellschaftlichen Leben vor Ort", sagt Batat. "Es sind so viele Fragen für unsere Ehrenamtler zu klären, wie die Haftungsfrage, da ist die ideologische Gängelung absolut falsch."

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