Stille Monate im Hotel
Vinzenz Zander, 18, lernt gemeinsam mit Anna Müller, 19, Hotelfachmann im Hotel zur Mühle in Ismaning und ist im zweiten Lehrjahr: Da wir unsere ersten Lehrjahre noch vor der Pandemie erlebt haben, wissen wir, wie es sonst bei uns im Hotel abläuft. Wir waren immer ausgebucht und es war richtig viel los. Als die Pandemie dann angefangen hat und auf einmal sehr wenig los war, war das natürlich ein komisches Gefühl. Aber auch wenn jetzt wenig Gäste da sind, wir können die ruhige Zeit gut nutzen. Wir arbeiten zu unseren normalen Arbeitszeiten, dadurch behalten wir unseren geregelten Ablauf bei und müssen nicht zu Hause rumsitzen. Das ist wichtig, denn wenn es dann wieder richtig losgeht, wird man nicht ins kalte Wasser geworfen und ist nicht aus der Übung.
Wir haben mehr Verantwortung bekommen und durften auch eigene Schichten übernehmen und mehr alleine machen, früher als in der Ausbildung üblich. So konnten wir leichter lernen, was zum Beispiel an der Rezeption zu tun ist. Eben dadurch, dass weniger Gäste da waren und der Betrieb mehr Zeit hatte, uns richtig einzulernen. Außerdem haben wir uns richtig gut für die Abschlussprüfungen vorbereitet, Anna hat ihre im Mai und hat dafür beispielsweise Verkaufsgespräche in Rollenspielen geübt. Auch der Umgang mit den Gästen ist für uns jetzt anders. Sonst hatte man viel Kontakt, hat sich oft an der Bar oder beim Frühstück länger unterhalten. Jetzt ist unser Restaurant leider geschlossen. Wir haben viele Stammkunden, die dort sehr gerne essen, wenn man ihnen das nicht anbieten kann, ist das natürlich schade. Es gibt so viele Dinge, die unsere Gäste jetzt nicht machen können, wie an der Bar sitzen oder etwas in der Lobby trinken. Trotzdem sind sie sehr verständnisvoll und dankbar. Wenn sich jeder an die Regeln hält, dann ist das alles machbar. Für uns ist es auch keine leichte Situation, aber wir versuchen das Beste daraus zu machen.
Jeden Tag im Büro

Nik Siedow, 24, macht eine Ausbildung zum Automobilkaufmann im letzten Lehrjahr bei Auto Schmid in Höhenkirchen: Bis auf sechs Monate war meine ganze Ausbildung während der Pandemie, also habe ich mich jetzt schon an den Lockdown gewöhnt. Im Betrieb hat sich durch die Pandemie relativ wenig geändert. Klar, es gab weniger Kundschaft als zuvor, aber ich konnte jeden Tag ins Büro gehen. Schade war, dass ich keine eigenständigen Kundengespräche zum Autokauf führen konnte, obwohl das gegen Ende der Ausbildung so üblich ist. Diese Erfahrung konnte ich leider nicht machen.
In der Berufsschule hat sich aber einiges verändert, der Unterricht wurde zum Homeschooling umgewandelt - das hat bei manchen Lehrern gut, bei manchen aber auch weniger gut funktioniert. Wir haben zu Anfang Material auf einer Online-Plattform bereitgestellt bekommen, welches wir selbständig bearbeiten sollten. Ich habe mir den Stoff gut aneignen können und bin auch sehr zuversichtlich, dass bei meiner Abschlussprüfung im Mai alles gut laufen wird. Ich kann mir aber vorstellen, dass das nicht allen Schülern so ging. Bei einigen Lehrern haben wir zu Beginn des zweiten Lockdowns auch Video-Konferenzen gemacht, aber manche Lehrer wollten sich nicht filmen, damit keine Videos oder Memes von ihnen im Internet kursieren oder die Schüler ihr Zuhause sehen. Diese Lehrer haben dann den Unterricht über Chats abgehalten, in die sie den Stoff eingetippt haben. Dementsprechend war der Lernfortschritt sehr langsam, man musste oft fünf bis zehn Minuten warten, bis mal eine neue Nachricht kam. Das fand ich sehr schade. Insgesamt hatten wir Schüler und auch unsere Lehrer das Gefühl, dass das Kultusministerium sich überhaupt nicht für die Berufsschulen interessiert hat. Da wurde kein ordentliches Konzept entwickelt und keine richtige Informations- oder Bezugsquelle bereitgestellt.
Mehr Zeit für die Pflanzen

Mareike Heise, 23, lässt sich im Gartencenter Seebauer in München und Neubiberg zur Zierpflanzengärtnerin mit dem Schwerpunkt Verkaufen und Beraten ausbilden: Im Spätsommer 2019 begann meine Ausbildung, nur sechs Monate später die Pandemie. Meine Ausbildung verlief also nur wenige Monate regulär, denn durch die Corona-Auflagen für den Einzelhandel veränderte sich auch meine tägliche Arbeit. Ich habe mich für diesen Beruf entschieden, weil er für mich eine perfekte Mischung aus Kundenberatung und der Arbeit in der Gärtnerei darstellt. Diese Abwechslung war im Verlaufe der Pandemie nicht immer gegeben. Denn auch wenn ich unseren Kunden im Sommer mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte, so blieb der Alltag im Gartencenter doch irgendwie realitätsfern, weil schlichtweg viel weniger Menschen kamen als in den Jahren zuvor. Eine richtige Gartensaison habe ich dadurch nie erlebt. Und trotzdem hatte diese Tatsache für mich auch positive Seiten, immerhin waren so viel ausführlichere und stressfreie Beratungsgespräche möglich.
Im Dezember mussten dann auch wir erneut schließen. Die Wochen danach habe ich mit den anderen Azubis daher viel Zeit in unserer Produktionsgärtnerei in Neubiberg verbracht, in der wir selbst Pflanzen ziehen und es viel zu tun gibt. Wir haben die Zeit genutzt, um eigene Projekte voranzutreiben, an zusätzlichen Schulungswochen teilzunehmen und gemeinsam zu lernen. Negative Auswirkungen auf meine Ausbildung durch die Pandemie habe ich in den letzten Monaten daher kaum gespürt. Mir ist klar, dass es anderen Auszubildenden ganz anders geht, umso mehr schätze ich meine tägliche Arbeit. Anfang März durfte schließlich auch wieder unser Verkauf öffnen. Die Freude darüber, nach drei Monaten endlich wieder unsere Kunden persönlich beraten zu dürfen, ist groß - ich habe es vermisst.
Durchgetaktet zuhause

Sebastian Bütow, 24, lernt im zweiten Lehrjahr Kaufmann für Versicherungen und Finanzen bei der Allianz in Unterföhring: Am Anfang meiner Ausbildung war noch alles normal. Wir haben in unserer Ausbildungsgruppe gemeinsam in unserem eigenen Büro gearbeitet, gelernt und viel Zeit miteinander verbracht. Wir sind jeden Tag Mittagessen gegangen, haben Gruppenarbeiten gemacht, Kaffee getrunken und auch in der Freizeit viel unternommen. Dann kam Corona und ab Mitte März 2020 wurden wir ins Home-Office geschickt. Es ging alles sehr schnell, wir saßen auf einmal zu Hause und mussten von da aus unsere Ausbildung machen. Trotzdem können wir aber einiges aus der Ausbildung mitnehmen. Wir haben Computer nach Hause geschickt bekommen, iPads und sogar Bürostühle. Außerdem stehen uns Online-Programme zur Verfügung, durch die wir selbständiger lernen können. Dadurch können wir fast ganz normal wie im Büro arbeiten und auch von zu Hause aus Kunden betreuen.
Auch im Home-Office arbeiten wir zu unseren Kernzeiten: Wir fangen jeden Tag um 9 Uhr an und besprechen den Tag miteinander, virtuell vor der Webcam. Wir quatschen auch erst mal ein bisschen, um den sozialen Kontakt nicht zu verlieren - das ist uns allen wichtig. Dann machen wir Aufgaben, Schulungen oder lernen gemeinsam, meist bis 15 Uhr wie an einem normalen Arbeitstag. Am Anfang ist es mir schwergefallen, ohne den gewohnten Alltag und meine Kollegen genauso weiter zu arbeiten. Aber durch die Online-Meetings mit den Ausbildern und den anderen Auszubildenden wurde uns das schon erleichtert. Man musste sich zwar daran gewöhnen, aber ich glaube wir haben das gut gemeistert. Ich hoffe natürlich, dass sich die Situation bessern wird, aber ich gehe davon aus, dass ich die Ausbildung bis zum Ende im Home-Office verbringen werde. Das müssen wir jetzt einfach noch durchstehen.