Schließung von Bankfilialen:Suboptimale Lösung: Dem Nachbarn die Geheimzahl verraten

Mindestgebühr für Geldabhebung - Kunden müssen sich umstellen

Sind auch Geldautomaten verzichtbar? Die Banken kalkulieren scharf und stellen manche Gewohnheit in Frage.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Banken schließen Filialen, dünnen das Automatennetz aus und verweisen auf Abhebungen im Supermarkt. Doch Senioren kommen damit oft nicht zurecht.

Von Sebastian Franz, Landkreis München

Die Postbank hat ihre Filialen nach eigener Aussage "kontinuierlich reduziert", die Sparkassen "passen ihr Standortnetz an". Auf gut Deutsch heißt das: Bankfilialen werden geschlossen und auch das Automatennetz ausgedünnt.

Vielen jüngeren Menschen ist egal, ob ihre Online-Bank in München, in Berlin, oder in den Niederlanden sitzt; Senioren stehen angesichts des ausgedünnten Filialnetzes oftmals vor größeren Herausforderungen. Manche finden dann suboptimale Lösungen, um an Bargeld zu gelangen. Zum Beispiel geben sie Nachbarn oder Bekannten ihre EC-Karte inklusive Geheimzahl mit, wie Eva Pabst von der Fachstelle für pflegende Angehörige im Landkreis München berichtet.

Ein Sprecher der Postbank verweist darauf, dass gemeinsam mit der Deutschen Post sichergestellt sei, dass an betroffenen Standorten die Grundversorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen weiterhin gegeben ist. Kundinnen und Kunden würde man rechtzeitig über geplante Schließungen informieren, per Aushang, Handzettel und persönlichem Anschreiben. Denn: "Auch in Zukunft wird die Postbank ihr Filialnetz mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, Kundennutzung und Optimierungsmöglichkeiten prüfen und dort anpassen, wo es notwendig ist."

Außer den eigenen Geldautomaten könnten Postbankkunden auch die Automaten der Cash-Group-Partner Deutsche Bank, Hypo-Vereinsbank und Commerzbank kostenlos nutzen. Immerhin: Laut Sprechern der Deutschen Bank und der Hypo-Vereinsbank plant derzeit keine der beiden Banken, Filialen im Landkreis zu schließen. Anders die Commerzbank: Bis Ende 2022 werden die Filialen in Oberschleißheim und Unterhaching geschlossen. Die Kreissparkasse München, Starnberg, Ebersberg gab im April mehrere kleinere Filialen im Landkreis München auf. Stattdessen gibt es dort noch Selbstbedienungsautomaten, an denen Geld abgehoben werden kann und Überweisungen möglich sind.

Belegschaft nicht ausgelastet

Die Volksbank-Raiffeisenbank München Land will keine Filiale schließen. Allerdings sei geplant, die persönlichen Service-Angebote zu reduzieren. In Filialen mit mehreren Beratern sei die Belegschaft oftmals nicht mehr ausgelastet, heißt es. Die Gründe sind die gleichen wie bei den anderen Banken: Mehr und mehr Menschen nutzen ausschließlich Online-Banking. Bei der Postbank stellt man fest, dass sich das Kundenverhalten durch die Digitalisierung stark ändert, das eigene Online-Angebot werde "über alle Altersgruppen hinweg" stärker genutzt, heißt es.

Wenn Werner Scheibel im Seniorenclub Haar Computerkurse anbietet, dann streift er das Thema Internet und damit auch Online-Banking in der Regel nicht einmal. "Die meisten sind froh, wenn ich ihnen zeige, wie sie ihre Fotos auf der Festplatte wiederfinden." Es gehe um rudimentärste Dinge am PC. Einen Text mit MS-Word zu schreiben, das sei bei den Teilnehmern bereits etwas für Fortgeschrittene. Die Deutsche Bank verweist explizit auf Telefon-Banking. Das falle gerade Senioren oftmals leichter.

Alle Banken bieten mittlerweile die Möglichkeit des "Cashback-Verfahrens" an. Dabei können Kunden, die ihren Supermarkt-Einkauf mit EC-Karte bezahlen, zusätzlich kostenlos Bargeld abheben; in der Regel maximal 200 Euro auf einmal, ab einem Einkaufswert von fünf oder zehn Euro. Cash-Group-Kunden können zusätzlich an Shell-Tankstellen Geld abheben - auch ohne zu tanken. Über 40 Prozent der Deutschen nutzen die Möglichkeit, beim Tanken oder Einkaufen Geld abzuheben, so ein Postbank-Sprecher; Tendenz steigend. 2019 seien es noch 27 Prozent gewesen.

Für Eva Pabst sind schließende Bankfilialen nur ein Aspekt eines größeren strukturellen Problems. Für viele ältere Menschen, die kein Auto haben, die nicht mehr fahren dürfen oder können, sei es sehr schwierig, mobil zu sein. Viele von ihnen kämen nicht nur schwer zur Bank, sondern auch nicht zum Arzt, zur Apotheke oder zum Liederabend. Gerade auf dem Land gebe es häufig nicht mehr dieselben Familienstrukturen wie früher, Senioren würden öfter vereinsamen.

Gleichzeitig fallen Läden und eben Banken weg. Und leichter verständlich als Cash-Group, Cashback und Online-Banking ist es eben für einige, dem Nachbarn die Karte mitzugeben.

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