Süddeutsche Zeitung

Natur- und Landschaftsschutz:Herr über den Georgenstein

Als neuer Vorsitzender des Isartalvereins kümmert sich Martin Kiechl um den sensiblen Flussbereich von der österreichischen Grenze bis in den Norden Münchens. Der 67-Jährige setzt auf Ausgleich und Kooperation, um Naherholung und Naturschutz unter einen Hut zu bringen.

Von Udo Watter

Manche Adressen passen einfach. Der Firmensitz von Biontech in Mainz etwa ist "An der Goldgrube 12". Die Straße im Baierbrunner Ortsteil Buchenhain, an der Martin Kiechl, der neue Vorsitzende des Isartalvereins, wohnt, heißt "Am Georgenstein". Den eindrucksvollen Felsblock im Flussbett der Isar sieht man von hier aus zwar nicht, aber man muss nur einige Meter östlich über die Bundesstraße Richtung Hangkante schlendern und schon findet man eine Stelle, an der man einen grandiosen Blick hinab auf den Fluss und den Georgenstein hat, der einst bei den Flößern gefürchtet war. Schon als Bub ist Kiechl hier oft entlang gestreunt, auf dem Weg zur nahe gelegenen Baierbrunner Grundschule. Und sein erster Aufsatz hieß: "Ich habe den schönsten Schulweg der Welt."

Dass diese Strecke und darüber hinaus der ganze Flussbereich vom Oberen Isartal an der österreichischen Grenze bis in den Norden Münchens schön bleibt (oder noch schöner wird), das liegt nun auch in der Verantwortung Kiechls. Der 67-Jährige ist seit Jahresbeginn erster Vorsitzender des Isartalvereins und hat damit die Nachfolge von Erich Rühmer angetreten, der den Verein 17 Jahre lang mit großem Engagement und Erfolg leitete. Dass die Fußstapfen groß sind, die Rühmer, der auch 28 Jahre lang Bürgermeister von Schäftlarn war, hinterlassen hat, ist Kiechl bewusst: "Ich habe einen Riesenrespekt vor der Aufgabe, freue mich aber auch drauf, weil sie so vielfältig ist."

Rühmer selbst hat den gebürtigen Münchner Kiechl davon überzeugt, für den Posten anzutreten, die zwei kennen sich schon lange, unter anderem aus der Zeit, als sie Jugend- respektive Schülertrainer der Fußballabteilung des TSV Schäftlarn waren. Kiechl, der Maschinenbauingenieur und Studiendirektor ist und viele Jahre die Stahlgruber-Stiftung in München leitete, hat sich denn auch, obwohl er zunächst nicht den ersten Vorsitz anstrebte, "vom lieben Erich" überzeugen lassen. Ihm zur Seite steht, ebenfalls vom Ausschuss gewählt, als zweiter Vorsitzender Josef Kellner aus Egling, Schatzmeister wird Peter Bromberger.

Naherholung und Naturschutz zusammenbringen? Eine "Wahnsinnsaufgabe"

Die großen Themen, die die alte Vorstandschaft beschäftig hat, werden weiter im Fokus stehen, wie Kiechl erklärt: "Wie gehen wir etwa mit dem Naherholungsdruck um? Ein großes Problem sind nach wie vor die Mountainbiker im Münchner Süden, die keine Trassen benutzen und dort fahren, wo keine Wege sind, auch weil das Landratsamt München diese Trassen noch nicht festgelegt hat." Kiechl, der ein kultiviertes Münchnerisch spricht und seine Worte sorgfältig wägt, betont aber, dass er keinesfalls dogmatisch und auf Konfrontation aus ist.

Er selber fahre gern Mountainbike und es sei eine "Wahnsinnsaufgabe, Naherholung und Naturschutz unter einen Hut zu bringen". Da gilt natürlich auch in anderen Bereichen, so wird die neue, durch die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und München sowie die Stadt München erlassene Bootsverordnung als großer Erfolg des Vereins gewertet: Sie legt klare verbesserte Regeln vor, welche die Sicherheit und den Naturschutz auf dem viel befahrenen Fluss betreffen.

Kiechl, der im vergangenen Jahr schon viel mit Rühmer unterwegs war, ist zudem angetan vom Renommee, das der 1902 von Gabriel von Seidl gegründete Verein, "die älteste Naturschutzvereinigung Bayerns", bei anderen genießt - politischen Institutionen, dem Wasserwirtschaftsamt oder anderen Umweltverbänden wie dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern. "Erich Rühmer hat da ein großartiges Netzwerk aufgebaut." Besonders gut funktioniere die Kooperation mit dem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen.

Neben weiteren großen Aufgaben wie der "objektiven Verbesserung bei der Neu-Konzessionierung Walchenseekraftwerk", der Instandhaltung der rund 160 Bänke des Vereins und Erhaltungsmaßnahmen bei Wanderwegen und eigenen Grundstücken (rund 150 Hektar) oder der Beteiligung des Vereins bei Planungsverfahren, wie jüngst die Umbaupläne des Chemie-Konzerns United Initiators in Pullach betreffend, will Kiechl die Mitgliederzahl vergrößern. "Aktive Mitgliederwerbung", nennt er das. Derzeit hat der Verein, der demnächst einen weiteren Wanderführer über das Isartal von Wolfratshausen bis Vorderriß herausbringt, etwas mehr als 2000 Mitglieder.

Das "Juwel vor den Toren Münchens" ist bedroht

Da dem Verein, der finanziell ordentlich dasteht, inzwischen die früheren Zinseinnahmen wegfallen, ist er stärker auf die Unterstützung durch seine Mitglieder angewiesen. Der Hauptzweck des Vereins, dessen Geschäftsstelle sich in der Münchner Innenstadt befindet, sind Schutz und Pflege des Isartals sowie die Erhaltung der landschaftlichen Schönheiten entlang des - zumindest in Bereichen - letzten Wildflusses Deutschlands.

Das "Juwel vor den Toren Münchens", wie es auf der Homepage heißt, ist wegen des steigenden Erholungsdrucks letztlich immer bedroht, aber Kiechl, der sich lösungsorientiert und offen gibt, betont: "Der Isar ist es schon mal schlechter gegangen." Für die Ermöglichung diverser Verbesserungen, unter anderem Renaturierungen oder Erholung der Fischbestände, zeichne nicht zuletzt die Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds verantwortlich.

Kiechl, der früher auch für die Überparteiliche Wählergruppe im Baierbrunner Gemeinderat saß und lange Jahre Aufsichtsratvorsitzender der Raiffeisenbank Isar-Loisachtal war, ist inzwischen pensioniert - bei seiner Verabschiedung als Aufsichtsratvorsitzender hieß es augenzwinkernd, jetzt sei er nicht mehr Vorsitzender einer Bank, sondern von 160 Bänken. Von diesen Ruhebänken hat er inzwischen schon einige mit einem Kollegen repariert. Mit seiner Frau Ingrid hat er im vergangenen Jahr zudem eine Fahrradtour von der Isarquelle im Karwendel bis zur Mündung südlich von Deggendorf gemacht. Da waren ein paar Streckenabschnitte dabei, die fast oder vielleicht sogar genau so schön waren wie sein einstiger Schulweg.

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SZ vom 09.01.2021/hilb
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