Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Wird das Hachinger Tal nun doch vor Hochwasser geschützt?

Nachdem Neubiberg ein eigenes Schutzkonzept ankündigte und Oberhaching Starkregenereignisse selbst berechnen ließ, sollen sich Anrainer des Hachinger Bachs nun wieder an einen Tisch setzen. Seit Jahren warten sie auf eine Studie der Stadt München.

Von Iris Hilberth

Zumeist ist der Hachinger Bach ein harmloses Gewässer. Zwischen Oberhaching und München-Perlach plätschert er allenfalls knietief im Bummeltempo dahin und gerade in heißen Sommern wie diesen kann man froh sein, beim Eis-Essen auf den kleinen Brücken in Unterhaching mit den Füßen noch das Wasser zur zusätzlichen Abkühlung zu erreichen.

Doch der Bach kann auch ganz anders. Ein mehrtägiges Tiefdruckgebiet oder ein kurzer Starkregen lassen die gemütliche Wasserader des Hachinger Tals schnell zu bedrohlicher Größe anschwellen. Und was dann? Nach vielen Jahren des Abwartens kommt jetzt offenbar wieder Bewegung in die Bemühungen um ein gemeinsames Hochwasserschutzkonzept.

Schon lange bekräftigen die Anrainergemeinden ihr Interesse an einem abgestimmten Plan, denn bislang war man sich einig, dass ein Risikomanagement nicht im Alleingang, sondern nur durch interkommunale Zusammenarbeit gelingen kann. Diverse Gutachten wurden seit Anfang der Nullerjahre bereits in Auftrag gegeben, und Berechnungen zum sogenannten hundertjährigen Hochwasser angestellt.

Nach dem Pfingsthochwasser 2013 hatten alle nochmal bekräftigt, an einem Strang ziehen zu wollen, um ein abermaliges Absaufen bachnaher Grundstücke und Straßen zu verhindern. Aber bevor ein Konzept umgesetzt werden soll, warten alle seit Jahren auf eine Grundwasserstudie der Stadt München, die 2015 angekündigt und 2018 in Auftrag gegeben wurde. Seither passierte nichts. Für Mitte September hat das Wasserwirtschaftsamt München jetzt die Anrainergemeinden zu einem Gespräch gebeten.

Mit ein Grund für diese Einladung, die kurz vor den Sommerferien eintraf, waren offenbar eigene Hochwasserschutzpläne in Neubiberg. Denn dort dauert Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU) alles viel zu lange. "Seit 2014 wird gesprochen, aber bisher hat sich nichts Substanzielles ergeben ", hatte er kürzlich geklagt und angekündigt, Retentionsflächen möglicherweise auch im Alleingang zu schaffen. In Unterhaching hat man diese Pläne der Nachbarn überrascht zur Kenntnis genommen, bleibt aber gelassen. "Hochwasserschutz ist wichtig, aber wir warten noch auf die Ergebnisse der Studie", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl.

Diese Expertise hält man in Unterhaching deshalb für so wichtig, weil man dort weiß, dass etwa im Bereich des Wasserturms, wo immer wieder die Keller volllaufen, insbesondere das von unten drückende Grundwasser ein Problem ist. Es ist bekannt, dass der Pegel des Grundwasservorkommens entlang des Bachlaufs zwischen Deisenhofen, wo der Hachinger Bach der ehemaligen Gletscherabflussrinne entspringt, und der Versickerungsstelle Berg am Laim erheblich schwankt. Was die Berechnungen kompliziert macht.

Hötzl betont zwar, dass die kommunale Planungshoheit ein wichtiger Grundsatz sei und daher jede Gemeinde tätig werden könne. Gleichwohl wundert man sich in Unterhaching etwas über das Vorpreschen der Neubiberger, denn "letztlich profitieren die Anwohner am Unterlauf von Maßnahmen am Oberlauf", ist man im Rathaus Unterhaching überzeugt.

Dass man aber auch in dieser Gemeinde langsam nervös wird, weil nichts voran geht, zeigt ein Antrag der Grünen-Fraktion aus dem September 2021, der die Anpassung und Umsetzung eines interkommunalen Hochwasserschutzkonzepts anmahnt. Begründung: "Aufgrund der rasanten klimatischen Wetterveränderungen gibt es ein zunehmendes Regen-Risiko für Landkreis und Kommunen. Es wächst das Risiko von extremen Starkregenereignissen." In diesem Juni haben die Grünen noch einmal eine "dringende Behandlung" angemahnt.

Auch in Oberhaching war man im vergangenen Jahr von der Unwetterkatastrophe an Ahr und Erft aufgeschreckt, als dort im Juli durch starke Niederschläge die Flüsse zu reißenden Strömen anschwollen und mit ungeheurer Wucht alles wegspülten, was im Weg war. Einige Tage später wurde die Bob- und Rodelbahn am Königsee durch ein Unwetter mit Niederschlägen von etwa 100 Millimetern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zerstört.

Auch Oberhaching erlebte im Juni 2021 ein sehr lokales Hagelunwetter mit einem Niederschlag von 25 Millimeter pro Quadratmeter innerhalb von 25 Minuten. Im Januar beschloss der Umweltausschuss daher, die Hochwassersituation am Hachinger Bach in Hinblick auf Starkregenereignisse neu zu berechnen. Die Daten liegen mittlerweile vor und sollen in der Sitzung nach den Ferien vorgestellt werden. Laut Martin Weidenhiller, Leiter des Umweltamts im Rathaus, haben die neuen Berechnungen ergeben, dass auch bei stärkeren Regenfällen in der Gemeinde weiterhin nur die bereits als gefährdet bekannten 15 Haupt- und 15 Nebengebäude von einem Hochwasser betroffen wären.

Grundlegend neue Erkenntnisse für Oberhaching erwartet Weidenhiller auch nicht von der Grundwasserstudie der Landeshauptstadt. Die soll nach Angaben des Referats für Klima- und Umweltschutz dem Münchner Stadtrat Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres vorgestellt werden. Vorab will man sich dort dazu nicht näher äußern. Vom Vorhaben der Gemeinde Neubiberg sei dem Referat für Klima- und Umweltschutz nichts bekannt, teilt eine Sprecherin mit.

Im Wasserwirtschaftsamt in München hingegen, einer Behörde des Freistaats Bayern, kennt man den Vorstoß Neubibergs und sieht es daher als dringend an, alle Anrainergemeinden erneut an einen Tisch zu holen. Marian Gaertner, Abteilungsleiter für den Landkreis München, sagt: "Es wird bei dem Treffen um die Neuermittlung des Überschwemmungsgebiets gehen und um die Bekräftigung, gemeinsam die beste Lösung zu finden."

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