München: Englischer Garten:Auf der Schmalspur zur Vereinigung

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Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben: Eine Münchner Initiative will einen Teil der Stadtautobahn unter die Erde verlegen - und damit den Englischen Garten wiedervereinigen. Mit Video.

Thomas Kronewiter

Vergleicht man die Idee mit dem Richard-Strauss-Tunnel oder den Röhren unter dem Luise-Kiesselbach-Platz, ist es ein sehr überschaubares Projekt. Gut 600 Meter Strecke inklusive Rampen, jeweils drei Fahrspuren, Abtauchen an der Schleife zur Ifflandstraße, Auftauchen am Nordufer des Kleinhesseloher Sees - die Eckpunkte der Initiative "Ein Englischer Garten" sind schnell aufs Blatt geworfen.

Doch bei einer Untertunnelung des Englischen Gartens steckt der Teufel im Detail, wie Helmuth Ammerl nur zu genau weiß. Drei Knotenpunkte hat der Isarring auf wenigen hundert Metern, dazu kommen der durchfließende Oberstjägermeisterbach, die Brücke über den Schwabinger Bach und der Ausfluss des Kleinhesseloher Sees. Das setzt Zwangspunkte, die das Straßenbauprojekt durchaus ambitioniert machen. "Es sind auch noch viele Probleme zu lösen", räumt der Ingenieur ein. Doch ist der Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik bei Obermeyer Planen + Beraten sicher, dass es funktionieren kann. "Wir haben mit Zahlen gearbeitet, die zuverlässig sind."

Obermeyer berät das Architekturbüro Grub-Lejeune. Das hat mit seinem ehrgeizigen Vorschlag, den trennenden Isarring in eine Röhre unter den einzigartigen Park zu verbannen und im Gegenzug den Englischen Garten in einem Stück zurückzubekommen, in den vergangenen Monaten viel Unterstützung gefunden. Hermann Grub und Petra Lejeune, deren Schwabinger Architekturbüro sich für Erholungsräume in der Stadt engagiert, stehen mit ihrer eigens gegründeten Stiftung für die Idee - und wollen mit Stiftungsgeld zunächst eine vertiefende Untersuchung realisieren helfen. Das Obermeyer-Team steht dafür, dass das Tunnelprojekt verkehrstechnisch realisiert werden kann.

Zeit soll eine provisorische Lösung verschaffen, die den seit Eröffnung des Richard-Strauss-Tunnels verschlimmerten Stau auf dem Isarring in nordwestlicher Fahrtrichtung entschärft. "Es ist bitter, wenn man aus einem frisch gebauten Tunnel kommt und nach 100 Metern schon wieder im Stau steht", sagt Ammerl. Dafür verantwortlich ist die ampelgeregelte Einschleifung der Ifflandstraße. Das Ausbau-Provisorium, das die Initiative vorschlägt, würde dem Isarring unter Reduzierung des derzeit 1,40 Meter breiten Mittelteilers auf 60Zentimeter eine fünfte Fahrspur verschaffen, wobei die dann insgesamt fünf Spuren jeweils knapp drei Meter (statt 3,50 Meter) breit wären. Ins Grün müsste dabei nur an einer kurzen Strecke eingegriffen werden - und dort wäre lediglich Straßenrandbepflanzung betroffen.

Das wäre eine schnelle Lösung, die Günther Schweigers Einschätzung nach inklusive Planung und Bau in längstens einem Jahr zu verwirklichen wäre. Schweiger muss es wissen: Er ist der Leiter der Bauüberwachung des Tunnelprojekts am Luise-Kiesselbach-Platz, und diese Funktion hatte der Obermeyer-Ingenieur auch schon an der Richard-Strauss-Straße inne. Zwischen einer und zwei Millionen Euro werde das Provisorium kosten, glaubt Schweiger.

Kompliziertester Teil ist die Straßenbrücke, über die der Ring derzeit in vier Fahrspuren fließt. Sie müsste im Hinblick auf die fünfte Fahrspur um 1,50 Meter verbreitert werden, zumal der dort asphaltierte Fuß- und Radweg statisch nicht für Autos ausgelegt sei. Allein das werde 300.000 bis 350.000 Euro kosten. Dazu kämen Markierungsarbeiten und die Lichtmasten müssten vom Mittelteiler an den Straßenrand verlagert werden. Aber, da ist sich Architekt Grub sicher, ein Planfeststellungsverfahren sei nicht notwendig, eine einfache verkehrsrechtliche Genehmigung reiche aus.

Das Ziel der Initiative "Ein Englischer Garten": Zwischen dem überbeanspruchten Südteil und dem naturbelasseneren Nordteil gibt es keine trennende Verkehrsschneise mehr. Damit dies möglich wird, muss die für den Stadtverkehr unverzichtbare Autobahn unter die Erde gelegt werden, was Verkehrsexperten auf ein Kostenvolumen von bis zu 60 Millionen Euro schätzen. (Foto: Robert Haas)

Und auch technisch sei die Verschmälerung machbar: Die Leopoldstraße habe stellenweise sogar nur 2,75 Meter breite Fahrspuren, erläutert Schweiger - und die Verkehrsbelastung des Isarrings liege bei deutlich unter 100.000 Fahrzeugen in 24 Stunden, während es am Luise-Kiesselbach-Platz deutlich mehr als 100.000 seien. "Und dort funktioniert es auch."

Ein solches Provisorium, glaubt man bei der Initiative "Ein Englischer Garten", würde die nötige Zeit verschaffen. Zeit, in der Experten die bisher nur ansatzweise vorliegenden Ideen von Obermeyer Planen + Beraten bis zur Entscheidungsreife vertiefen könnten. Und Zeit, um das Geld aufzubringen, die das Projekt kosten wird. 50 bis 60 Millionen Euro dürften das sicher sein, schätzt Helmuth Ammerl. Die Obermeyer-Planer stützen sich auf Vergleichszahlen aus dem Richard-Strauss-Tunnelprojekt.

Nicht allen kann es die Tunnel-Initiative recht machen. Zwar wäre der Englische Garten wieder, wie es Park-Planer Friedrich Ludwig von Sckell einst skizziert hat, als durchgängige Grünzone zu erleben. Zu hinterfragen bleibt aber, ob die derzeit drei Vollanschlüsse des Isarrings auf wenigen hundert Metern komplett erhalten werden können - und sollen. Und was geschieht mit den Parkplätzen am Seehaus? Sind sie vielleicht näher am Ring besser platziert? Was geschieht mit dem Abfluss des Kleinhesseloher Sees? Wahrscheinlich muss der verlegt werden. Im Gegensatz zum Oberstjägermeisterbach, der - dann wohl oberhalb eines scharf trassierten Tunnels - einfach über der Tunneldecke fließen darf.

Ob es so kommt? Hermann Grubs Befürchtung angesichts des Iffland-Staus ist noch nicht vom Tisch: Was wäre, wenn die Stadt eine Planung verfolgte, bei der in konventioneller Weise der Isarring beidseitig um je eine Spur verbreitert würde? "Das wäre der Todesstoß für den Englischen Garten." Verkehrstechnisch wäre es aber eine Lösung, die nicht nur Stockungen im Zuge der Iffland-Schleife, sondern auch den von vielen Autofahrern als ebenso schlimm empfundenen Stau aus der Gegenrichtung verflüssigen würde. Letzteres würde das Grub'sche Provisorium nicht schaffen. Nur der Tunnel könnte das.

Informationen über das Konzept der Initiative gibt es im Internet unter www.einenglischergarten.de.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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