Süddeutsche Zeitung

Schnelltestzentren in München:Das Geschäft mit dem Stäbchen

21 Euro pro Abstrich - die Schnelltests haben sich zu einem lukrativen Erwerbszweig entwickelt. Vor allem, weil jeder sie anbieten darf.

Von Irmengard Gnau und Iris Hilberth

Kurz zur Seite drehen, Maske abnehmen, den Kopf etwas zurück neigen und schon ist das Teststäbchen in der Nase. Auf dem kleinen Platz unterhalb des Unterhachinger Bahnhofs hat die Mitarbeiterin der örtlichen Apotheke mit ein paar routinierten Handgriffen den benötigten Schnelltest ruckzuck erledigt. Während der 15-minütigen Wartezeit, bis das Testergebnis vorliegt und das Zertifikat erstellt ist, können schon die nächsten vorrücken. Testen nonstop.

Seit der Negativnachweis fürs Shoppen, für den Friseurbesuch und sogar für Gemeinderatssitzungen notwendig ist, läuft der Laden bei den Teststationen im Landkreis auf Hochtouren. Neben den bestehenden Zentren, den Arztpraxen und Apotheken entdecken immer mehr das Geschäft mit den Antigen-Schnelltests. Denn man muss kein Arzt oder Apotheker sein, um in das Business mit den Spontan-Nachweisen einzusteigen.

Anders als bei den PCR-Tests, die nur von medizinischem Personal vorgenommen und in Laboren ausgewertet werden, kann nach einer Schulung durch einen Arzt jeder so eine Testbude eröffnen. In Garching haben Münchner Gastronomen auf dem Forschungscampus in dieser Woche ein neues Zentrum eröffnet, in Taufkirchen bietet der Extremsportler und Unternehmer Jochen Schweizer statt des derzeit geschlossenen Bodyflyings und Surfens neuerdings Antigen-Schnelltests in einem Drive-in neben seiner Arena an. Er wirbt damit, dass er neben dem Nasen- und Rachenabstrich auch einen speziellen Lutschtest für Kinder ab drei Jahren hat.

Die Genehmigungen für Teststationen werden durch den öffentlichen Gesundheitsdienst erteilt, etwa das Gesundheitsamt oder - bei generellen Genehmigungen für Apotheken - vom Gesundheitsministerium. Aufgrund der Vielzahl an neuen Testzentren sei eine Prüfung der Hygienekonzepte vom Gesundheitsamt im Einzelnen nicht machbar, heißt es aus dem Landratsamt. Die Einhaltung aller relevanten Vorschriften und Empfehlungen, auch bezüglich der Hygiene, liege in der Verantwortung des jeweiligen Betreibers. Mit seiner Unterschrift unter die "Beauftragung" erkläre der Betreiber, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Testungen garantiert werde, also auch die Einhaltung der allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln gewährleistet sind.

Die Kosten für die Tests trägt der Bund. Als Vergütung sind pro Antigen-Test sechs Euro für die Sachkosten, also das Material, und 15 Euro für die Vornahme des Tests durch einen Arzt beziehungsweise zwölf Euro bei nichtärztlichem Personal vorgesehen. Die Betreiber der Testzentren rechnen direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern ab. Kostenlos testen lassen kann sich jeder, solange die Kapazitäten ausreichen - auch mehrmals pro Woche. Denn laut Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums können die sogenannten Bürgertestungen "mindestens" einmal pro Woche in Anspruch genommen werden. Wie das Landratsamt weiter ausführt, ist für den Anspruch auf einen Test auch kein Wohnsitz oder Aufenthaltsrecht in Deutschland Voraussetzung. "Dieser besteht uneingeschränkt", heißt es aus der Behörde.

Zu den ersten, die Schnelltests im großen Stil in der Region angeboten haben, zählt der Human- und Zahnmediziner Gerald Heigis. Neben seiner Zahnarztpraxis am Münchner Olympiapark betreibt er mit seiner im Mai 2020 gegründeten Biotech & Capital Consulting GmbH inzwischen 13 Teststationen in der Landeshauptstadt, vier im Landkreis - in Taufkirchen, Neubiberg, Haar und Garching - sowie drei weitere in Germering, Freising und Eching. Bei der Standortwahl hat sich Heigis in vielen Fällen mit Gastronomen und Fitnessstudiobetreibern zusammengetan und bietet in den im Lockdown meist leer stehenden Räumen nun die Antigen-Schnelltests an, ohne Voranmeldung, täglich von 8 bis 18 Uhr. Firmen oder Einrichtungen können der Firma eine mobile Teststation buchen, um ihre Mitarbeiter vor Ort testen zu lassen.

Landrat Christoph Göbel (CSU) ist froh darüber, dass die Zahl der Teststationen im Landkreis wächst. "Je dichter das Netz, um so belastbarer ist es", sagte er beim wöchentlichen Presse-Jourfixe am Donnerstag. Dass die Antigen-Schnelltests relativ gut funktionierten, leitet er aus den Ergebnissen aus den Schulen ab. Dort habe es bislang 45 positive Tests gebeben, 40 seien bereits bestätigt worden, in drei Fällen habe es ein falsch positives Ergebnis gegeben. "Die falsch negativen kennen wir natürlich nicht", räumt Göbel ein.

Bislang hat nahezu jeder, der Schnelltests im Landkreis anbieten will, auch die Erlaubnis des Landratsamts erhalten. Nur in einem Fall sei ein Antrag abgelehnt worden, berichtet Jörg Spennemann, Leiter der Abteilung Infrastruktur und Gesundheit. Es habe sich um einen Unternehmer gehandelt, der bereits in der Stadt München Tests anbietet, dort aber aufgefallen sei, weil diese bei ihm viel zu schnell erfolgten. Inzwischen steigen auch Drogeriemärkte in das Geschäft mit den Schnelltests ein. Im Mai eröffnen Stationen bei DM in Unterföhring und Ismaning.

Die Nachfrage nach den Tests in Garching sei seit Beginn am Dienstag gut gewesen, sagt Maximilian Ashkar, der das neue Testzentrum auf dem Forschungscampus der TU für die Maxtrem GmbH mit Sitz in Gräfelfing leitet. Montag bis Freitag kann man sich dort zwischen 7 und 17 Uhr im Fünfminutentakt ein kostenfreies Ticket für einen Antigen-Schnelltest buchen. Am Tag der Eröffnung seien rund 80 Menschen gekommen, am Folgetag schon doppelt so viele, sagt Ashkar. Bei Bedarf wolle man das Angebot ausweiten.

Der Betreiber führt nach eigener Darstellung bereits Bewerbungsgespräche, um das Personal - bisher sind zehn Mitarbeiter beschäftigt - weiter aufzustocken. Gesucht würden allgemein "motivierte Leute", die "in Zusammenarbeit mit einem Arzt" eine Schulung erhielten. Man beschäftige viele Medizin- und andere Studenten, sagt Ashkar. Aber auch gelernte Barkeeper seien im Einsatz.

Ursprünglich ist die Maxtrem GmbH nämlich im Gastronomie- und Eventbereich tätig. Geschäftsführer Maximilian Gradl betreibt in München unter anderem die Herzog-Bar, das Kubaschewski und die Ory Bar im Hotel Mandarin Oriental. Der harte Lockdown macht die Wirte erfinderisch. "Dadurch, dass gar nichts mehr lief, haben wir uns eben nach etwas anderem umgeschaut", sagt Ashkar. Neben der Station in Garching bietet das Unternehmen auch in der Herzog-Bar sowie an der TU in München Schnelltests für jedermann an.

Die Universität begrüßt das Angebot. In einem Schreiben an die Studierenden in Garching bittet TU-Präsident Thomas Hofmann nachdrücklich, die Testangebote zu nutzen, bevor diese an Präsenzlehrveranstaltungen - in Garching fallen insbesondere Laborpraktika in vielen Studiengängen an - oder Präsenzprüfungen am Campus teilnähmen. Für ihre übrigen bayerischen Standorte arbeitet die TU-Leitung derzeit an ähnlichen Angeboten.

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SZ vom 30.04.2021/lb, kafe
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