Coronavirus:Auf der Jagd nach gefälschten Impfpässen

Coronavirus: Apotheker müssen manchmal richtige Ermittlungsarbeit leisten, um Fälschungen aufzudecken. Die Zahl der Täuschungsversuche nimmt zu.

Apotheker müssen manchmal richtige Ermittlungsarbeit leisten, um Fälschungen aufzudecken. Die Zahl der Täuschungsversuche nimmt zu.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Apotheker bekommen es vermehrt mit Leuten zu tun, die sich Nachweise einer Immunisierung erschleichen wollen. Eine neue Software soll bei der Aufklärung helfen.

Von Lukas Koperek und Yannik Schuster

Seit Donnerstag steht auch den Apotheken im Landkreis München eine neue Funktion zur Verfügung, um gefälschte Impfpässe leichter zu erkennen. Die Software, die Chargennummern von Impfstoffen abgleichen und deren Gültigkeit erkennen soll, ist einer von wenigen konkreten Vorstößen im Kampf gegen den florierenden Markt mit Impfpass-Blüten. Die Neuerung kommt gerade richtig: Sowohl Apotheker als auch die Polizei nehmen derzeit einen deutlichen Anstieg von Täuschungsversuchen wahr. Gleichzeitig gestalten sich manuelle Kontrollen zunehmend schwieriger - denn für Telefonate mit Arztpraxen oder Impfzentren fehlt den Apothekern oft schlichtweg die Zeit.

Ulrike Bigott, Inhaberin der Apotheke am Kirchplatz in Oberhaching, erklärt ihre Situation: "Schwierig ist es zurzeit wegen der Booster-Impfungen. Wir stellen täglich 100 bis 150 Impfzertifikate aus. Bei dieser Menge kann man nicht immer so genau hinsehen, wie es vielleicht nötig wäre. Gestern hatte ich auch so einen Fall, bei dem ich zuerst gezögert habe." Genau hinsehen - das war bis vor kurzem noch die einzige Möglichkeit, einen gefälschten Impfpass von einem echten zu unterscheiden. Ist das Dokument neu oder alt? Gibt es Voreinträge oder nicht? Sogar die Rechtschreibung und die Qualität des Stempels können als Indizien für eine Fälschung herangezogen werden. Ein falsch geschriebenes Wort muss im Einzelfall nichts heißen. Treten diese Merkmale aber in Kombination auf, wirkt das verdächtig. "Für uns ist es aber noch relativ transparent", sagt Bigott, "weil die Menschen sich bei den ansässigen Arztpraxen impfen lassen und wir die Echtheit so einfach überprüfen können."

Die Apothekerin erinnert sich bloß an einen Fall, noch zu Beginn der Impfkampagne, den sie zur Anzeige gebracht hat. Die Arztpraxis, in der die Impfung angeblich durchgeführt worden war, befand sich in Frankfurt. Das habe sie stutzig gemacht. "Dort hat man uns dann bestätigt, dass es schon mehrere Fälle gab. Vermutlich war da ein gefälschter Stempel im Umlauf." Die betreffende Person, so Bigott, sei bekannt gewesen - "jemand aus der Mitte der Gesellschaft, der auch eine repräsentative Funktion hat".

Martina Haasemann von der St. Korbinians Apotheke in Unterschleißheim berichtet von sechs Fällen allein in der vergangenen Woche. Auch hier achtet man auf örtliche Abweichungen: "Wenn die Person angeblich in Düsseldorf geimpft wurde, aber hier das Zertifikat möchte, dann ist das erstmal auffällig", sagt Haasemann. Ein weiterer Anhaltspunkt für eine Fälschung ist ihr zufolge die sogenannte Impfpass-Montage: Wenn die Außenhülle nicht zur Innenhülle passt. Haasemann ergänzt: "Wenn man die Leute fragt, wie sie die Impfung denn vertragen haben, dann merkt man meistens schon, ob da alles mit rechten Dinge zugeht." Das neue System zur Überprüfung von Chargennummern nennt sie ein "wertvolles Instrument". Zur Anzeige bringe sie die Betrugsversuche noch nicht, die Ausstellung des Zertifikats werde bei Verdachtsfällen aber verweigert. "Meistens kommen die dann auch nicht wieder."

Nachrichten zu Covid-19 - zweimal täglich per Mail oder Push-Nachricht

Alle Meldungen zur aktuellen Coronavirus-Lage in Deutschland und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Kostenlose Anmeldung unter sz.de/morgenabend. In unserer Nachrichten-App (hier herunterladen) können Sie den Nachrichten-Newsletter oder unsere Eilmeldungen auch als Push-Nachricht abonnieren.

Auch Katrin Thon, Inhaberin der Löwen-Apotheke in Gräfelfing, schöpfte aufgrund einer abweichenden Adresse Verdacht. "Bei dem einen Fall war der Impfort in Berlin, der Wohnort aber hier." Bei einem konkreten Verdacht sei sie als Apothekerin dazu angehalten, den Fall der Polizei zu melden, was sie auch getan habe. Dies sei jedoch der einzige konkrete Verdacht, den sie gehabt habe.

30 Impfpässe im Kofferraum

Wie viele bestätigte Fälle gibt es also im Landkreis? Genaue Daten kann die Polizei dazu nicht nennen. Das Problem liegt auch in der Art des Delikts: Während das Fälschen von Impfnachweisen bis vor kurzem nicht einmal ausdrücklich verboten war, wird es nun als Urkundenfälschung in das System eingespeist. Die Zahlen vermischen sich also etwa mit denen von gefälschten Reisepässen, Personalausweisen und Führerscheinen. Polizeisprecher Peter Werthmann betont jedoch, dass man eine erhebliche Zunahme an Fällen feststelle: "Die Kollegen werden zurzeit überrannt, was Anzeigen betrifft."

Coronavirus: Ottobrunns Polizeichef Armin Ganserer registriert vermehrt Anrufe von Apotheken.

Ottobrunns Polizeichef Armin Ganserer registriert vermehrt Anrufe von Apotheken.

(Foto: Claus Schunk)

Und auch Armin Ganserer, Chef der Polizeiinspektion Ottobrunn, bestätigt eine Zunahme von Anzeigen. "In letzter Zeit erhalten wir vermehrt Anrufe von Apotheken, dass Leute versuchen, mit gefälschten Impfausweisen digitale Zertifikate ausgestellt zu bekommen", sagt Ganserer.

Von einem bemerkenswerten Fund berichtet Stefan Schraut, Chef der Polizeiinspektion Oberschleißheim. Bei einer Verkehrskontrolle, erzählt er, habe man 30 Impfpässe im Kofferraum eines Automobils gefunden. "Das werden sicher nicht seine eigenen sein", sagt Schraut. Die Apotheken im Einsatzgebiet weise man darauf hin, sich bei Verdachtsfällen ohne Scheu an die Polizei zu wenden. Alles in allem handele es sich aber immer noch um ein sporadisches Aufkommen. Wie sich die Zahlen entwickeln, dürfte auch vom politischen Geschehen abhängen. Im Falle der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht etwa befürchtet Schraut einen weiteren Anstieg von Impfpass-Fälschungen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusMünchner Polizei
:Mit dem ungeimpften Kollegen im Streifenwagen

Die Impfquote bei der Polizei steigt, das Präsidium in München betreibt sogar ein eigenes Impfzentrum. Doch noch immer haben sich Hunderte Beamte kein Vakzin geben lassen. Wie geht man mit ihnen um?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: