München: Bambi-Skandal:Oper setzt auf Re(h)produktion

Eigentlich wollte die Bayerische Staatsoper bei ihrer Rusalka-Inszenierung ein totes Reh auf der Bühne präsentieren. Doch dann empörten sich Tierschützer.

Tobias Dorfer

Es ist der Beginn des zweiten Akts von Antonin Dvoráks Märchenoper Rusalka. Gerade noch hat sich die Hauptdarstellerin von einer Nymphe in einen Menschen verwandelt, nun findet im Schloss die Hochzeit zwischen Rusalka und ihrem Prinzen statt. In einer Szene hängt an einem simplen Gestell - den Kopf nach unten - ein Reh. Es könnte ein künstliches Tier sein, ein Imitat. Aber das Reh, das am vergangenen Montag während der Fotoprobe auf der Bühne des Nationaltheaters hängt, ist echt. Es hat bis vor wenigen Tagen gelebt.

Reh

Lebendiges Reh in freier Wildbahn: Für die Rusalka-Inszenierung an der Münchner Staatsoper wird nach Protesten von Tierschützern nun eine Reproduktion eines Rehs verwendet.

(Foto: ddp)

Schon in seinem Macbeth, der in München vor zwei Jahren Premiere feierte, setzte der österreichische Regisseur Martin Kusej auf die Wucht von Blut und Nacktheit. Nun, in Rusalka, sollte ein Reh dran glauben - und zwar eines für jede der zwölf geplanten Vorstellungen. Das war zumindest der Plan.

Denn nach Protesten von Tierschützern rudert die Staatsoper nun zurück. Zusammen mit Regisseur Kusej habe man sich entschieden, "die Reproduktion eines Rehs zu verwenden", heißt es. "Es geht auf der Bühne um den Inhalt und die künstlerische Aussage der Interpretation", sagte Intendant Nikolaus Bachler. Die Rehjagd sei ein wichtiges Motiv der Oper Rusalka. "Daher wählen wir Mittel, die es den Boulevardmedien nicht ermöglichen, von der Kunst abzulenken."

Dieser, mit einer gehörigen Prise Verbitterung gewürzten, Stellungnahme waren empörte Wortmeldungen aus der Tierschützerszene vorausgegangen - zumal ein Sprecher der Oper zuvor der Münchner Abendzeitung gesagt hatte, die Tatsache, dass ein echtes Reh für die Inszenierung verwendet werde, hinge damit zusammen, dass der Regisseur einen "bestimmten Effekt" erzielen wolle.

"Absolute Frechheit"

Tierschützer empörten sich über diese Aussage. "Das ist eine absolute Frechheit", sagte die Präsidentin des Bayerischen Tierschutzbundes, Nicole Brühl und bezeichnete das Vorgehen als "völlig unmöglich". So solle zunächst geprüft werden, ob die Staatsoper mit ihrem Regie-Gag gegen das Tierschutzrecht verstoße. Die Oper entgegnete hierzu, die Tiere hätten "im Metzgereigewerbe erworben" werden sollen - und zwar Tage nach ihrem Tod. Daher stellt und stellte sich die Frage eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz nie. Kein einziges Reh sei aufgrund einer Bestellung der Bayerischen Staatsoper erlegt worden.

Auch der Bund Naturschutz in Bayern (BN) hatte die Staatsoper scharf kritisiert. Für "eine äußerst fragwürdige Inszenierung" würden tote Tiere zur Schau gestellt und anschließend weggeworfen, sagte der Münchner BN-Chef Christian Hierneis. "Es erschüttert mich zutiefst, dass ausgerechnet Kulturschaffende so unsensibel sind und jegliche Achtung vor Lebewesen vermissen lassen."

Für Aufsehen gesorgt hatte auch die Tatsache, dass das Reh nach der Aufführung von einem Metzger abgeholt und dann möglicherweise vernichtet werden sollte. Das Tier zu verspeisen sei aus hygienischen Gründen nicht möglich, sagte ein Sprecher der Oper der Abendzeitung.

Am Samstag feiert Kusejs Rusalka nun im Nationaltheater Premiere - ohne echtes Reh. Auf der Bühne wird dann eine Re(h)produktion zu sehen sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: