Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Spatenstich mit Seitenhieben

Bei Kirchheim beginnt ein neuer Abschnitt des achtstreifigen Ausbaus der A 99. CSU-Minister Andreas Scheuer nutzt den Termin an der Autobahn für PR in eigener Sache und Sticheleien gegen Grüne und Naturschützer.

Von Martin Mühlfenzl, Aschheim/Kirchheim

"Die Autobahn" steht auf der Rückseite der grell orangefarbenen Jacke von Andreas Scheuer. Und genau darum geht es am Montagvormittag beim Besuch des Bundesverkehrsministers von der CSU an der Autobahnausfahrt Kirchheim in Richtung Salzburg: Scheuer setzt an zum symbolischen Spatenstich für die nächste Etappe des achtspurigen Ausbaus der wichtigsten Transitstrecke Mitteleuropas - der Ostumfahrung der A 99.

Von Osten tönt der Lärm der noch sechsspurigen Autobahn herüber. In Ferienzeiten brettern mehr als 160 000 Fahrzeuge über die Ostumfahrung, 120 00 sind es im Durchschnitt, davon etwa 30 Prozent Schwerlastverkehr. Alleine diese Zahlen verdeutlichen nach Aussage des Verkehrsministers, wie wichtig der achtspurige Ausbau der A 99 ist, der ja genau genommen ein zehnspuriger sein wird, schließlich soll auch künftig der Seitenstreifen bei hohem Verkehrsaufkommen freigegeben werden.

"Operation am offenen Herzen"

Bereits realisiert ist der Ausbau der Trasse vom Kreuz München-Nord bis zur Anschlussstelle Aschheim-Ismaning; nun wird bis Ende 2024 der Abschnitt von dort bis zur Ausfahrt Kirchheim erweitert. Insgesamt 125 Millionen Euro wendet der Bund für dieses Vorhaben auf. Der Ausbau, der im kommenden Jahrzehnt weitergehen wird und einmal bis zum Kreuz München-Süd reichen soll, sei auch angesichts der zu erwartenden Zunahme an Verkehr auf der Ostumfahrung zwingend erforderlich, sagte Scheuer. "Für das Jahr 2030 prognostizieren wir noch einmal einen Zuwachs von 15 Prozent", so der Minister.

Die Erweiterung der A 99 wird erneut bei fließendem Verkehr erfolgen, oder wie es ein Sprecher der Autobahn Südbayern ausdrückt: "Als Operation am offenen Herzen." Dies wurde bereits beim achtspurigen Ausbau im nördlichen Bereich so gehandhabt, der 2019 fertiggestellt wurde. Klar sei aber auch, sagte Scheuer, dass damit Beeinträchtigungen für die Verkehrsteilnehmer einhergehen werden. Mit enormem Flächenfraß wie bei anderen Verkehrsprojekten ist bei der Ostumfahrung indes nicht zu rechnen: Die Planer der 1975 in Betrieb genommenen Autobahn hatten mitgedacht und einen enorm breiten Mittelstreifen angelegt; die Autobahn wird also nach innen verbreitert.

Und sie soll vor allem den Anwohnern des leidgeplagten nördlichen Landkreises Entlastung und mehr Lebensqualität bescheren. "Wir sind sehr froh, dass diese Maßnahme jetzt kommt", sagte Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) beim Spatenstich. Neben Verbesserungen beim Lärmschutz müsse aber auch auf eine "Reduzierung der Geschwindigkeit" geachtet werden, auch "mit Kontrollen", forderte Glashauser; zudem verspreche er sich von den Brückenneubauten eine noch bessere Verbindung der Gemeinden Aschheim und Kirchheim untereinander.

Sein Kirchheimer Amts- und Parteikollege Maximilian Böltl verwies darauf, dass die Lärmschutzwände höher ausfielen als gesetzlich vorgeschrieben. Bis zu sieben Meter hoch werden die Schutzwände - zu den geplanten Maßnahmen auf Kirchheimer Flur gehört auch die Aufforstung von Wald auf einer Fläche von mehr als 18 000 Quadratmeter. Böltl lobte wie Verkehrsminister Scheuer den offenporigen Fahrbahnbelag der - wie schon zwischen dem Kreuz Nord und der Anschlussstelle Aschheim-Ismaning - verbaut werden wird; diesen Belag pries Scheuer als "modernsten der Welt", weil er die Lärmbelastung um nahezu die Hälfte reduzieren könne.

Und weil Wahlkampf ist, versäumte der Minister es nicht, dem politischen Gegner eine mitzugeben. Er freue sich über die Anwesenheit des Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch und des Bundestagsabgeordneten Florian Hahn (beide CSU) - nur Anton Hofreiter (Grüne) als lokaler Bundestagsabgeordneter sei nicht da, so Scheuer: "Vielleicht weil es ein Straßenbauprojekt ist." Und auch der Bund Naturschutz bekam sein Fett ab: Dieser habe vergangene Woche gefordert, in Bayern Straßenbauprojekte mit einer Gesamtlänge von 1500 Kilometern zu stoppen und das Geld lieber in Rad- und Fußwege zu investieren. "Das ist das Konzept ,entweder oder', wir haben das Konzept ,sowohl als auch'", so Scheuer. Schon deshalb freue er sich, als Verkehrsminister ein "Großprojekt" wie den Radschnellweg zwischen der Landeshauptstadt und Garching sowie Unterschleißheim unterstützen zu können.

Dann ging es an die Schaufel und der Startschuss fiel für den Ausbau der "europäischen Magistrale", wie Scheuer die A 99 nennt.

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SZ vom 24.08.2021/sab
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