Die Verkehrsnachrichten der vergangenen Tage für den Münchner Westen hatten es in sich. „20 Minuten Zeitverlust“ vermeldete der ADAC für Pendlerinnen und Pendler, die in den Hauptverkehrszeiten von Lindau aus kommend in Richtung Landeshauptstadt oder in entgegengesetzter Richtung zum Kreuz München Süd-West unterwegs waren. Teilweise standen die Fahrzeuge sogar noch länger im Stau. Denn seit der Nacht auf Montag hatte sich der Tunnel der A 96 bei Gräfelfing zu einem derart engen Nadelöhr verwandelt, dass im südwestlichen Landkreis München, dem angrenzenden Landkreis Fürstenfeldbruck und Teilen der Stadt München so gut wie nichts mehr ging. Und wegen der nur mehrere Hundert Meter langen Unterführung wird es auch in den kommenden Monaten zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommen.
Dass die verkehrliche Infrastruktur im Großraum München mittlerweile einen bedenklichen Zustand erreicht hat, ist längst kein Geheimnis mehr. Hunderte Brücken im Münchner Umland haben nach etwa fünf Jahrzehnten das Ende ihrer Lebensdauer erreicht und müssen saniert oder komplett neu gebaut werden; ebenso schlecht steht es um das Netz der Deutschen Bahn etwa bei der Münchner S-Bahn – unzählige Bahnübergänge sind veraltet, der Sanierungsstau bei Bahnhöfen und Gleisanlagen ist enorm.
Zu den drängendsten Sanierungsfällen im Straßennetz gehört seit Jahren der Tunnel der A 96 nahe dem S-Bahnhof Lochham. Seit Anfang September laufen die Arbeiten an der Unterführung zwischen dem Autobahndreieck München Süd-West und der Anschlussstelle Gräfelfing, durch den etwa 100 000 Fahrzeuge am Tag rauschen. Insbesondere an der Betondecke des Tunnels waren in der Vergangenheit erhebliche Mängel festgestellt worden. Bei laufendem Betrieb wird diese nun bis 2027 erneuert.
Dass der Verkehr in den vergangenen Tagen im Münchner Westen teilweise zum Erliegen kam, lag allerdings nicht an der Betondecke des Tunnels, sondern an mehreren Einlaufschächten der Fahrbahn für die Entwässerung, die in der Nacht auf Montag eingebrochen waren. Die für die Sanierung verantwortliche Autobahn GmbH des Bundes sah sich darauf hin gezwungen, die betroffene Fahrbahn sofort zu sperren und die in den Hauptverkehrszeiten noch verfügbaren fünf Spuren der eigentlich sechsspurigen Autobahn auf nur noch vier zu reduzieren. Und das hatte erhebliche Folgen: Bereits am Montagmorgen stockte der Verkehr im Norden des Autobahndreiecks München Süd-West auf der A 99 über den Aubinger Tunnel in nördlicher Richtung bis München-Lochhausen. Auch auf der A 96 und den Zu- und Abfahrten bildeten sich in den Folgetagen im Berufsverkehr erhebliche Staus. Diese reichten bis Blumenau und Unterpfaffenhofen im Landkreis Fürstenfeldbruck.

„Wir wussten, dass wir bei den Einlaufschächten Probleme haben, und es war klar, dass alle ertüchtigt werden müssen“, sagt Josef Seebacher, Pressesprecher der Autobahn GmbH für Südbayern. Dennoch sei der Einsturz der Schächte „nicht geplant“ gewesen, so Seebacher. „Es wurden alle untersucht. Aber man muss sich vor Augen halten, dass wir es hier mit einer veralteten Infrastruktur zu tun haben“, so Seebacher. „Wir merken an solchen Vorkommnissen, wie fragil unser Autobahnnetz ist. Und Schächte können bei einer Extrembelastung wie hier brechen – auch wenn wir nicht damit gerechnet haben, dass sie so schnell brechen.“

Verkehr:Die Zeit überbrücken
Von den Hunderten Brücken im Münchner Umland erreichen viele in Kürze das Ende ihrer Lebensdauer. Bis sie nach und nach saniert oder gar abgerissen und neu gebaut werden, müssen sie regelmäßig kontrolliert werden.
Bereits kurz nach dem Einsturz wurde eine Baufirma damit beauftragt, alle betroffenen Schächte und Abdeckungen auszubauen und neu zu betonieren. An diesem Donnerstag sollten die Arbeiten laut Seebacher abgeschlossen und die neuen Schichten ausgehärtet sein. Dann kann der Verkehr in den Hauptverkehrszeiten wieder auf fünf Spuren fließen. An Werktagen sind dann von 5 bis 12 Uhr mittags im Tunnel drei Fahrspuren in Richtung München sowie zwei in Richtung Lindau geöffnet; von 12 bis 21 stehen drei Fahrspuren nach Lindau sowie zwei in Richtung Landeshauptstadt zur Verfügung.
Mit der Erneuerung der Schächte auf der rechten Fahrspur der Fahrbahn in Richtung Lindau, auf der derzeit der Verkehr fließt, aber wird es nicht getan sein. In den kommenden Wochen müssten auf allen Fahrbahnen die Schächte erneuert werden, sagt Seebacher. Hierfür liefen derzeit die Planungen. „Wir versuchen dafür geeignete Zeitfenster zu finden. Vor allem an den Wochenenden, damit die Auswirkungen nicht so wehtun – und am besten noch vor dem Winter.“ Denn die vergangenen Tage hätten gezeigt, was es bedeute, wenn in den Hauptverkehrszeiten eine Spur auf der viel befahrenen A 96 fehle. „Das war schon dramatisch“, gesteht der Autobahn-Pressesprecher.
Die Beeinträchtigungen bei Gräfelfing aber werden ohnehin noch bis ins Jahr 2027 andauern. Insgesamt 40 00 Löcher müssen in die alte Tunneldecke gebohrt und ebenso viele Dübel verbaut werden, um darunter die neue Abdeckung anbringen zu können. Diese soll dann im besten Fall wieder fünf Jahrzehnte oder länger halten. „Aber ewig hält nichts auf Erden“, sagt Seebacher.