Grünwald:Krakelige Autogramme vom Heavy-Metal-Monster

Grünwald: Mr. Lordi kümmert sich selbst um seine Maske - und gibt wenig über den Menschen dahinter preis.

Mr. Lordi kümmert sich selbst um seine Maske - und gibt wenig über den Menschen dahinter preis.

(Foto: Claus Schunk)

Der finnische Musiker Mr. Lordi trifft in der Bavaria-Filmstadt Fans, fachsimpelt mit einer Maskenbildnerin - und kann sich in seinem schweren Horrorkostüm kaum bewegen.

Von Tilmann Wensky, Grünwald

Es ist ein furchteinflößender Anblick in der Bavaria-Filmstadt in Grünwald: Eine über zwei Meter große Gestalt, deren Körper von einer steinernen Rüstung eingerahmt wird, schreitet durch einen dunklen Gang. Ihr Gesicht mit roten Pupillen ist von tiefen, blutigen Furchen durchzogen und mit sechs Hörnern besetzt. Ihre Hände gleichen Krallen. Es ist eine Kreatur wie aus einem Horrorfilm. Doch als sie spricht, überrascht sie mit sanfter und freundlicher Stimme.

Es handelt sich um den finnischen Rockstar Mr. Lordi, der als Gründer und kreativer Kopf der Heavy-Metal-Band Lordi Kult-Status erreicht hat. Er ist in Grünwald zu Gast, um seine Fans zu treffen. Die Sieger eines Gewinnspiels des Radiosenders Rock Antenne erhalten Gelegenheit, ihrem Idol in thematisch passenden Filmkulissen nahe zu kommen. Der Rockstar befindet sich aktuell auf Promotiontour für das neue Album seiner Band, das am 31. März veröffentlicht werden soll. Es trägt den Titel "Screem Writers Guild", was als Wortspiel und Horror-Hommage an die Drehbuchautoren-Gilde "Screenwriters Guild" aus dem frühen Hollywood zu verstehen ist.

Das Markenzeichen der fünfköpfigen Band sind ihre detailliert gestalteten Monsterkostüme, die Frontsänger Mr. Lordi selbst in Handarbeit herstellt. Er ist professioneller Visagist und hat sich auch für diesen Termin vier Stunden lang selbstständig geschminkt. Hinter der Kunstfigur Mr. Lordi verbirgt sich Tomi Petteri Putaansuu. Bis auf seinen Namen und ein Foto kursieren nur wenige Informationen über ihn. Die Konzert-Auftritte der Band mit ausgefallenen Bühnenbildern erinnern an eine menschgewordene Geisterbahn. Der internationale Durchbruch gelang Lordi 2006, als sie den Eurovision Song Contest (ESC) gewannen.

Die Gesichtsfurchen sind aus Klopapier

Mr. Lordi wartet auf die Sieger des Gewinnspiels bereits in einem spärlich ausgeleuchteten Set des Films "The Magic Flute", das an einen orientalischen Tempel erinnert. Über Lautsprecherboxen ertönt laut das neue Album, als die sechs Gewinner im Alter von Anfang 20 bis Mitte 4o ebenfalls kostümiert den Raum betreten. Sie gleichen Zombies mit blutigen und fahlen Gesichtern und tragen sackartige Kleidung. Um den Rockstar geschart, wirken sie wie seine Schergen, als sie sich strahlend vorstellen. "Toller Bart", kommentiert dieser höflich die Haarpracht eines Fans, die der seinen ähnelt. Er begutachtet interessiert ihr Gesichts-Make-up und fachsimpelt mit der Maskenbildnerin Christina Ropele, die die Fans geschminkt hat, über verschiedene Techniken. Ropele zeigt sich von Mr. Lordis selbst aufgetragenem Make-up sehr beeindruckt und freut sich über die Empfehlung, zukünftig Klopapier für die Modellierung von Gesichtsfurchen zu verwenden.

Grünwald: Die Fans sind für die Begegnung mit ihrem Idol ebenfalls geschminkt worden.

Die Fans sind für die Begegnung mit ihrem Idol ebenfalls geschminkt worden.

(Foto: Claus Schunk)

Felix Dempf ist wie so viele 2006 zum Lordi-Fan geworden. Als damals 13-Jähriger verfolgte er vor dem Fernseher, wie die Band mit dem Song "Hard Rock Hallelujah" den ESC gewann. Er habe an dem Gewinnspiel nur aus Spaß teilgenommen, sagt er. "Ich habe es gar nicht gepackt", beschreibt er den Moment, als er eine Woche zuvor erfuhr, dass er Mr. Lordi treffen werde. Dempf ist extra aus Köln nach Grünwald angereist und hat seine erste Lordi-CD mitgebracht. Die vielen mit Tesafilm geklebten Bruchstellen der Plastikhülle zeugen davon, wie oft er sie gehört hat. Stolz zeigt er die Rückseite, die sein Idol gerade signiert hat. Die Unterschrift ist etwas krakelig geraten, was Mr. Lordis überlangen Fingernägeln geschuldet ist. Zum Halten einer Zigarette beim Rauchen reicht es. Beim Trinken dagegen ist er auf Hilfe angewiesen. Ein Assistent reicht ihm zwischendurch eine 1,5-Liter-Cola-Flasche mit geöffnetem Deckel, die er gekonnt mit den Handflächen greift, um sie an die Lippen zu setzen.

Den ESC-Gewinn sieht Mr. Lordi als Fluch und Segen zugleich. Zunächst hatte die Band nach seinen Worten das Gefühl, ausschließlich darauf reduziert zu werden. Ein Mitglied habe zeitweise Interviews abgebrochen, sobald das Wort "ESC" fiel. Inzwischen überwiege jedoch der Stolz, das kommerzielle Event gewonnen zu haben, ohne die künstlerische Vision daran angepasst zu haben: "Wir sind Teil des ESC und der ESC ist Teil von uns." Zum Abschluss des Treffens steht der Dreh einer kurze Filmszene im Klassenzimmer des Sets von "Fack ju Göhte" an. Den kurzen Weg kann Mr. Lordi in seinen schweren Schuhen mit 20 Zentimeter hohen Absätzen jedoch nicht zurücklegen. Er muss in einem Golf-Cart gefahren werden.

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