Grasbrunn:Park and ride

Grasbrunn: Parkplätze sind eigentlich nicht knapp in Möschenfeld.

Parkplätze sind eigentlich nicht knapp in Möschenfeld.

(Foto: Claus Schunk)

Die Milliardärsfamilie Finck plant in Möschenfeld eine Tiefgarage für die Nobelkarossen der dortigen Einwohner. Die Gemeinde will den Bau genehmigen, bestreitet aber einen Zusammenhang mit einem Radwegprojekt. Dies wäre ein unzulässiges Koppelungsgeschäft.

Von Leo Kilz, Grasbrunn

52 Sekunden dauert die Fahrt durch Möschenfeld mit dem Auto, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung hält - von Ortsschild zu Ortsschild. Die idyllische Siedlung ist bei Spaziergängern und Ausflüglern beliebt. Inmitten von Feldern schmiegen sich der großzügige Gutshof neben ein paar Wohnhäusern und Scheunen an die Wallfahrtskirche St. Ottilie. Die von 1640 an auf mittelalterlichen Mauern errichtete kleine Kirche und das repräsentative Hauptgebäude sind der Kern des Ortes. Das gesamte Gelände ist im Besitz der adligen Bankiersfamilie Finck. Inzwischen haben sich ein paar Unternehmen und Bewohner angesiedelt. Die Rasen sind gemäht, die Hecken gestutzt, die Häuser gänzlich renoviert, ein paar neue hinzugekommen. Gut Möschenfeld wirkt nobel, gut gepflegt und winzig.

Hier soll eine Tiefgarage mit 60 Stellplätzen entstehen, darüber sind etwa 45 Parkplätze für den Besucherverkehr vorgesehen. Die dafür benötigte Änderung des Flächennutzungsplans hat der Grasbrunner Gemeinderat schon verabschiedet, nun liegt ein entsprechender Bauantrag vor. Bauherr ist die Agrar Grasbrunn GmbH & Co. KG, die zur Finck-Gruppe gehört.

Der Bund Naturschutz (BN) ist alarmiert. Alleebäume seien in Gefahr und die weitere Bodenversiegelung schade Mensch und Natur. Auch gebe es in dem Gebiet umfangreiche Bodendenkmäler, was dem Tiefgaragenbau im Weg stehen könnte. Immerhin: Eine 80 Jahre alte Linde, die den Plänen ursprünglich zum Opfer fallen sollte, wird verschont. Nach einer Petition des Bundes Naturschutz verschoben die Bauherren die Garage in ihrem Entwurf um zehn Meter gen Norden, um den alten Baum zu retten. Die Initiative des BN zog aber auch einigen Unmut auf sich. Der Grasbrunner Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) ließ verlauten, die Petition trage nicht gerade zu einer guten Verhandlungsposition gegenüber der Finck-Gruppe bei.

Denn die Tiefgarage ist nicht das einzige Projekt, über das die Gemeinde mit der Finck-Gruppe spricht. Parallel zum Tiefgaragenbau verhandelt das Rathaus mit der Wilhelm von Finck Hauptverwaltung auch über einen Grundstückserwerb für den Bau eines Radwegs von Harthausen über Möschenfeld nach Grasbrunn. Das eine mit dem anderen zu verknüpfen, wäre allerdings rechtswidrig. Weder darf die Gemeinde den Radweg zur Bedingung für die Tiefgarage erklären, noch darf die Finck-Gruppe nur mit Tiefgarage den Radweg ermöglichen. Beides wäre ein illegales Kopplungsgeschäft.

Als der Radweg dennoch als Argument für den Tiefgaragenbau in der Gemeinderatssitzung fiel, intervenierte Bürgermeister Korneder. "Ich habe immer darauf hingewiesen, dass das nicht miteinander verbunden werden darf", bestätigt er. Natürlich wäre es aber für jede Verhandlung wenig hilfreich, wenn der Verhandlungspartner von vornherein verärgert sei. Ein durchgängiger Radweg von Harthausen nach Grasbrunn ist seit Jahrzehnten Thema in der Flächengemeinde, konnte aber nie realisiert werden.

Grasbrunn: August von Finck senior lebte so wie sein Enkel Wilhelm von Finck in Möschenfeld.

August von Finck senior lebte so wie sein Enkel Wilhelm von Finck in Möschenfeld.

(Foto: Imago/Sven Simon)

Die Grünen sind weiterhin gegen den Bau der Tiefgarage. "Wir sehen den Bedarf nicht", sagt Grünen-Gemeinderätin Mitchell Nelson. Der bestehende Kiesparkplatz, der ungefähr 20 Fahrzeugen Platz bietet, sei ohnehin nie ausgelastet. Trotz aller Beliebtheit sorge auch der Pilger- und Freizeitverkehr höchstens für fünf oder sechs motorisierte Besucher gleichzeitig.

Dennoch wird in der bereits beschlossenen Änderung des Flächennutzungsplans damit argumentiert, dass Möschenfeld ein Parkplatzproblem habe: Ein Verzicht auf die 100 Stellplätze in der Tiefgarage und auf dem Parkplatz würde "die Problematik des ruhenden Verkehrs nicht bereinigen". Kurios daran ist: Das Kleinod zählte vergangenes Jahr gerade einmal 20 Einwohner. Und bei einem von Finck geplanten Neubau wies der Bauherr ordnungsgemäß neue, eigene Parkmöglichkeiten aus. Außerdem gibt es in Möschenfeld bereits eine private Tiefgarage. Das 20-Seelen-Dorf dürfte also schon jetzt deutlich mehr Parkplätze als Einwohner haben. Aber selbst das könnte tatsächlich nicht ausreichen.

Nach Informationen der SZ ist die Garage nicht für Autos gedacht, die täglich genutzt werden. Vielmehr geht es um den "ruhenden Verkehr" in Möschenfeld: die hochpreisigen Dritt- und Viertwagen und Autokollektionen der wohlhabenden Anwohner, die sicher und trocken untergestellt werden sollen. Die Finck-Gruppe wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern.

Weil das von der Finck-Gruppe aber nicht klar kommuniziert wurde, hatte das Vorhaben Erinnerungen geweckt an die Diskussion um den Bau eines Golfplatzes auf dem Areal rund um Möschenfeld. Im Jahr 2008 hatte Wilhelm von Finck persönlich für die Erweiterung der Golfanlage in Harthausen geworben. Statt Äckern und Wiesen sollte eine 45-Loch-Golfanlage den Gutshof umgeben. Die Entscheidung sei gefallen, dass es langfristig keine Bewirtschaftung der Felder um Möschenfeld geben könne und ein Golfplatz sei von allen Alternativen mit Abstand die beste, hieß es in einem Brief Fincks an die Grasbrunner. Die Auseinandersetzung trug mit dazu bei, dass der Sozialdemokrat Korneder, ein Golfplatz-Gegner, zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Pläne fanden im Gemeinderat schließlich keine Mehrheit, die Kulturlandschaft blieb erhalten.

Die Fincks

Mehrere Tausend Hektar Land südöstlich von München sind im Besitz der Milliardärsfamilie Finck. Wilhelm von Finck junior wohnte selbst bis Anfang der 2000er-Jahre auf Gut Möschenfeld bei Grasbrunn, ehe er in die Schweiz zog. Sein Onkel August von Finck junior geriet immer wieder mit Millionenspenden an politische Parteien und Initiativen im rechten Milieu in die Schlagzeilen. Zuletzt wurden Verbindungen Fincks zur AfD öffentlich. Dessen Vater August von Finck senior gehörte in der Zeit des Nationalsozialismus zur Wirtschaftselite in Deutschland. Der Einfluss der Familie Finck in Grasbrunn ist seit bald einem Jahrhundert ungebrochen. Die Familie unterstützt auch heute noch Ehrenamt und Vereine mit Spenden. lkil

Inzwischen ist Korneder ein Fürsprecher der prominenten Familie. Er sieht das Möschenfelder Idyll durch die Pläne nicht in Gefahr. Der Bauherr habe den Gutshof in der Vergangenheit stilsicher und bedächtig ergänzt. Ein Parkplatz sei schließlich schon da, der werde nur aufgewertet, und von der neuen Tiefgarage soll außer einem Häuschen als Einfahrt nichts zu sehen sein, sagt Korneder. Er sei sicher, dass auch diese Tiefgarageneinfahrt "baulich ansprechend" gestaltet werde.

Das überdimensionierte Tiefgaragenprojekt weckt nun die Sorge, die Familie Finck könnte erneut Neubauprojekte in Möschenfeld planen. Auch dazu wollte die Finck-Gruppe keine Stellungnahme abgeben. Aber Bürgermeister Korneder versichert: "Diese Sorge ist unberechtigt." Für den Ortsteil Möschenfeld hat die Gemeinde eine Ortsabrundungssatzung verabschiedet, die es nicht ohne Weiteres zulässt, dass außerhalb der bestehenden Bebauung neue Gebäude entstehen.

Es scheint also tatsächlich nur um einen sicheren Hafen für Möschenfelds Luxuskarossen zu gehen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Bau der Gemeinde am Ende in der Radwegfrage Türen öffnen könnte, die zwei Jahrzehnte verschlossen geblieben sind.

Der Streit um den Tiefgaragenbau ist nur ein weiteres Kapitel in dem komplizierten Verhältnis des Gemeinderats mit der Finck-Gruppe. "Wir wünschen uns mehr Transparenz von Fincks Unternehmen", fordert die Grüne Mitchell Nelson. Der Eindruck, dass alles, was mit dem Namen Finck in Verbindung steht, im Gemeinderat einfach durchgewunken werde, fördere kein Verhältnis auf Augenhöhe.

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