Mobilität:Da ist was im Anrollen

Bundeskabinett - Elektro-Tretroller

Flott unterwegs kann man mit den E-Rollern von Bird, dem Ableger eines US-amerikanischen Branchenriesen, schon länger in Bamberg sein. Demnächst soll das auch in Unterschleißheim funktionieren.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Nach den Metropolen entdecken Anbieter von E-Scootern auch das Umland als Geschäftsfeld. In Unterschleißheim will ein Branchenriese von Frühjahr an seine Roller auf die Straße schicken. Der Stadtrat befürchtet Konflikte

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Kreuz und quer herumliegende Elektroroller, die Gehwege versperren und zu Stolperfallen werden, dazu üble Unfälle und Konflikte mit Fußgängern, Radlern und Autofahrern - was viele Menschen in München erleben und beklagen, befürchtet man jetzt auch in Unterschleißheim. Denn das Unternehmen Bird Rides Germany will in der Stadt E-Scooter aufstellen, mit denen man nach einer Anmeldung per App durch die Stadt brausen kann. Die Stadt hat dabei keine Wahl. Einfach verbieten lassen sich die Scooter nicht. Deshalb will Unterschleißheim mit dem Unternehmen ein Konzept entwickeln, um die Flitzer einigermaßen geordnet auf die Straße zu bringen.

Bisher sind Elektroroller, die gegen Gebühr ausgeliehen und frei in einem Stadtgebiet abgestellt werden können, vor allem aus Metropolen bekannt. In München gehören sie fest zum Stadtbild. Die Firma Bird hat neuerdings auch das Münchner Umland entdeckt und seine Roller mittlerweile in Dachau, Germering, Fürstenfeldbruck aufgestellt. Unterschleißheim soll im Frühjahr 2022 folgen. Dann soll jeder, der mindestens 14 Jahre alt ist, nach einer Anmeldung per App losflitzen können. Einen Euro kostet es, den Roller zu entsperren. Dazu kommen in Deutschland, je nach Stadt, noch einmal 15 bis 25 Cent pro Minute oben drauf.

Die Firma Bird mit Sitz in Berlin, die zum globalen Branchenprimus in den USA gehört, war 2018 die erste, die E-Roller in Deutschland aufstellte: zusammen mit der Stadt Bamberg. Man sieht sich nach eigener Darstellung als Pionier einer neuen Form der "Mikromobilität". Nach viel Ärger, Chaos und Klagen in der wilden Anfangszeit zählt mehr denn je, Vorbehalte auszuräumen. Das Unternehmen hat sich daher an das Rathaus in Unterschleißheim gewandt und angeboten, mit der Stadt "Rahmenbedingungen" festzulegen. Dennoch ist die Skepsis bei einigen groß. So sagte etwa Martin Reichart (Freie Bürgerschaft) im Umweltausschuss des Unterschleißheimer Stadtrats, wo das Ansinnen von Bird vorgestellt wurde: "Ich sehe da nur ökologischen Schaden. Das ist Spielzeug, kein Fahrzeug. Die Zustände in München sind eine Katastrophe." Rebecca Riedelbauch (Grüne) warnte zudem davor, dass die E-Scooter den MVG-Leihrädern Konkurrenz machen werden.

Das Rathaus strebt ein Abkommen an, um sich abzeichnendem Ärger im Voraus zu begegnen. Von einem zunächst sechsmonatigen Probebetrieb ist die Rede, an dessen Ende die Erfahrungen aufgearbeitet werden sollen. 50 bis 80 E-Scooter sollen im Stadtgebiet aufgestellt werden, die Flitzer regelmäßig eingesammelt und geladen werden. Die Kooperationsvereinbarung soll Festlegungen zu Parkverbotszonen und Reparaturen treffen, zudem ist ein Beschwerdemanagement vorgesehen. Die Stadt soll außerdem die Bewegungsdaten zur Verfügung gestellt bekommen. Auch können präferierte Parkbereiche markiert werden. Wer dort seinen Roller nach der Fahrt ordnungsgemäß abstellt, wird über ein Bonussystem belohnt. Mittlerweile ist es zudem Pflicht, ein Foto vom abgestellten Roller zu machen. Bei Bird checkt dann eine KI-Software, ob der Roller so abgestellt wurde, wie es sein soll.

Bedeutsam dürfte werden, wie groß das Geschäftsgebiet wird, also wo die Rollerfahrer unterwegs sein und wo die Fahrzeuge abgestellt werden dürfen. Gerade letzteres dürfte noch Diskussionsstoff liefern. So will die Stadt etwa Schulhöfe freihalten von den Scootern und auch das Gelände des Business-Campus. Am Sehbehindertenzentrum und am Seniorenzentrum soll das Abstellen verboten sein. Über den Rathausplatz will die Stadt die Zweiräder nicht rollen lassen, damit Fußgänger nicht gefährdet werden. Gehwege seien sowieso tabu, sagte Bürgermeister Christoph Böck (SPD) im Ausschuss.

Ein kritisches Gebiet ist die Bezirksstraße als zentrale Einkaufsstraße. Dort flott hin- und wegkommen zu wollen, sei nachvollziehbar, sagte SPD-Stadtrat Thomas Breitenstein. Doch die Gehsteige seien schmal, abgestellte Roller würden zum Hindernis. Im Valentinspark soll den Rollern sogar von alleine der Saft ausgehen. Niemand soll dort über Kieswege brettern. Technisch lässt sich vieles regeln. So kann laut Bastian Albrecht aus dem Bauamt mit Hilfe des Ortungssystems GPS auf acht Meter genau festgelegt werden, wo die E-Scooter gestartet werden können und wo nicht.

Bürgermeister Böck sprach sich im Ausschuss gegen eine Komplett-Verweigerung aus und warb für einen Kooperationsvertrag. "Sonst machen die es einfach." Die Straßenverkehrsordnung erlaube das. Seit dem Chaos von früher habe sich viel verbessert. Im Rathaus sieht man durch die Roller Chancen, Menschen auf dem ersten und letzten Kilometer vom und zum Bahnhof ein neues Fortbewegungsmittel zu bieten. Allzugroße Einschränkungen des Geschäftsgebiets, etwa an den Bahnhöfen, machten das Ganze uninteressant, warnte Bastian Albrecht vom Bauamt. Ende des Jahres soll die Vereinbarung mit Bird stehen. Im März, April sollen die Roller rollen.

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