Mitten in Taufkirchen:Berührungsängste im Rathaus

Der ILT-Antrag auf die Abschaffung des Defilees beim Neujahrsempfang löste eine handfeste Diskussion aus

Kolumne von Patrik Stäbler

Die Tradition des Händeschüttelns ist schon im antiken Rom gang und gäbe gewesen. So zeigen Münzen aus jener Zeit feierlich gereichte Hände als Zeichen der Eintracht - was einen, nun ja, nicht gerade direkt zum Taufkirchener Gemeinderat bringt. Denn dort wird üblicherweise ein Debattenton angeschlagen, der mit dem Wort diskussionsfreudig noch harmlos umschrieben ist. Und Eintracht herrscht in dem Gremium ungefähr so oft wie im Dorf der unbeugsamen und für ihre Raufereien bekannten Gallier. Sogar das friedfertige Thema Händeschütteln hat nun im Gemeinderat eine zwar nicht handgreifliche, wohl aber handfeste Diskussion ausgelöst.

Anlass war ein Antrag der Initiative Lebenswertes Taufkirchen, deren Fraktion mit Blick auf den Neujahrsempfang der Gemeinde am Mittwoch das dort übliche "monarchische Defilee" der Gäste abschaffen wollte. Nicht nur müssten die Eingeladenen mitunter ewig in der Warteschlange ausharren, ehe sie zum Bürgermeister und dessen Ehefrau vorgedrungen seien, was gerade für ältere Menschen eine Belastung darstelle, so die ILT. Sondern "diese anachronistische Zeremonie" sei auch aus hygienischen Gründen bedenklich - Stichwort Händeschütteln. "Gerade in der jetzigen Grippe- und Erkältungszeit ist das wegen des Infektionsrisikos nicht sinnvoll", betonte Edith Hirtreiter. Und ihre ILT-Kollegin Beatrice Brückmann sprach sich gar - mit Blick auf das anschließende Essen - für die Bereitstellung von Desinfektionsmittel aus.

Die übrigen Gemeinderäte wussten so viel Fürsorge indes nur bedingt zu schätzen. "Es ist nicht an Ihnen, hier das Kindermädchen für alle Leute zu spielen", befand Christiane Lehners (CSU) in Richtung ILT-Fraktion, deren Antrag letztlich mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. Und so wird der Bürgermeister am Mittwoch wohl wieder Aberdutzende Hände schütteln - es sei denn, Ullrich Sander beschlösse spontan, es doch mal mit einem anderen Begrüßungsritual zu versuchen. Die Inuit in der Arktis etwa setzen dabei auf Nasenküsse. Und in Neuguinea wird Männern mitunter zur Begrüßung respektvoll der Bart gekrault. Ob die Gäste beim Neujahrsempfang derlei innovative Ansätze gutheißen würden? Das erscheint dann doch in etwa so wahrscheinlich wie eine Taufkirchener Gemeinderatssitzung in trauter Eintracht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: