Mitten in Pullach:Nachgeholte Naherholung

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Das Isartal werde von den Ausflüglern zu Tode geliebt, heißt es. An einem Montag ist davon wenig zu sehen

Kolumne von Udo Watter

Zu den Vorteilen des Home-Office gehört es, dass man viel an der frischen Luft ist. Jenseits der Argusaugen des Chefs mal kurz eine längere Mittagspause einlegen. Im nahen Park unter der Vorfrühlingssonne spazieren oder antizyklisch an der Isar entlang radeln. Ja, wie sieht so eine Landschaft eigentlich aus, nachdem am Wochenende die Naherholung suchenden Massen über sie hergefallen sind? Angeblich vereinsamen ja die Menschen in der Pandemie. Wer allerdings an einem halbwegs schönen Tag vor die Tür tritt und dann noch dort wohnt, wo ein wenig Grün und ein Gewässer ist, der hat eventuell schnell wieder Sehnsucht nach Einsamkeit. Eine merkwürdige Betriebsamkeit, ein mikrokosmischer Mobilitätsehrgeiz schlägt einem vielerorts entgegen.

Hinter der Großhesseloher Brücke, im Grenzgebiet zwischen Stadt und Landkreis, steht ein Schild, auf dem die dazu passende Frage gestellt wird: "Das Isartal - zu Tode geliebt?" Nun, das Isartal sieht jedenfalls an diesem Montag danach nicht so aus, als sei es zu Tode geliebt und jetzt von postkoitaler Tristesse befallen. Vielmehr: sonnendurchfluteter Optimismus. Auf dem Weg nach Pullach wird es einsamer, die meisten Menschen sind wohl doch im Office, dahoam oder anderswo. Nur eine Dogwalkerin, die mit sieben Hunden Gassi geht, quert die Brücke beim Kraftwerk und wird von einem Radler freundlich angesprochen. Ansonsten funkelnde Stille, schweigende Bäume - so idyllisch kann's hier sein.

Wie's wohl oben ausschaut? Der steile Weg hoch in die Ortsmitte ist wie fast jeder anständige Weg in Deutschland nur "auf eigene Gefahr" zu betreten. Puh, es ist anstrengender als gedacht, das Rad hoch zu schleppen, und es zieht sich länger hin. Und jetzt kommen von unten auch noch zwei Menschen nach. Kann man nicht einmal in der Pullacher Steilwand alleine sein? Schnaufend wird das Mountainbike, so schnell es, geht nach oben getragen ("Die hinter mir überholen mich nicht!"). Oben in Pullach ist auch ganz schön was los: Passanten gehen spazieren, holen sich Kaffee, Menschen sitzen auf Rundbänken, mit Abstand. Und doch ist es ein Bild, das so viel Nähe ausstrahlt. Wie schön.

© SZ vom 23.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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