Mitten in Pullach:Die Heftklammer in der Hand

Gemeinderäte, die ihre Unterlagen nicht digital bekommen, leben gefährlich. Ein Klammeraffe könnte helfen

Kolumne von Michael Morosow

Der Wandel des schriftlichen Kommunikationswesens ist zuletzt rapide vorangeschritten. So ist ein Postflugzeug inzwischen geradezu eine lahme Ente im Vergleich mit den elektronischen Blitzboten im Internet-Zeitalter. Ein Klick auf die Sendetaste - und ab geht die Post, zum Beispiel Sitzungsunterlagen von der Rathausverwaltung an die Gemeinderatsmitglieder in einer Millisekunde. Das ist durchaus sinnvoll, spart man doch damit nicht nur Porto, sondern auch Ressourcen.

Und so muss es für die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, die ja eine Grüne durch und durch ist, zuletzt eine helle Freude gewesen sein, als Johannes Burges von der FDP darum bat, künftig alle Unterlagen aus dem Rathaus per E-Mail und nicht mehr in Papierform zu bekommen. "Wollen wir auch", bekundeten darauf spontan neun weitere Umweltschützer, während die restlichen zehn Gemeinderäte sich schweigend an circa 150 DIN-A-4-Blättern festklammerten, die als schwerer Packen vor ihnen lagen. Aber weil die Gelegenheit günstig war, regte Tausendfreund darüber hinaus an, sämtliche Unterlagen für öffentliche und nicht-öffentliche Sitzungen von nun an farblich nicht mehr zu unterscheiden, was denn auch einstimmig beschlossen wurde.

So geschah es, dass für die nächste Sitzung zehn Gemeinderäte ihre Unterlagen in Digitalform erhielten, die anderen zehn wie immer einen Packen Papier aus ihren Briefkästen zogen, darunter auch Holger Ptacek von der SPD. In der jüngsten Sitzung nun sah er die Zeit gekommen, auf ein Problem hinzuweisen, das ihn wohl schon länger gezwickt hat. Ptacek hob seine auf den ersten Blick unverletzte rechte Hand und machte das Gremium auf eine Schwachstelle der von ihm favorisierten Papierform aufmerksam - die Heftklammer an der Ecke des Bündels. Entweder müsse er das ganze Eck wegschneiden, oder er verletzte sich beim Entfernen der Heftklammer am Finger, klagte Ptacek. "Dann schneid' lieber das Eck weg", möchte man ihm zurufen. Besser aber macht man ihn auf eine technische Innovation aufmerksam, die im Jahr 1876 extra für Heftklammerngeschädigte erfunden worden ist: der Heftklammernentferner, vulgo Klammeraffe.

Steckt ihm die Bürgermeisterin das nächste Mal heimlich einen Klammeraffen zu? Werden aus Rücksicht auf seine körperliche Unversehrtheit die Blätter nun ungeklammert zugestellt? Wechselt Holger Ptacek demnächst ins digitale Lager? Wir bleiben dran.

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