Mitten in Ottobrunn:Der Reiz des Verbotenen

Normalerweise werden mit Ladenschluss die Bürgersteige hochgeklappt. Jetzt zieht es die Menschen in der verbleibenden Zeit bis zur Sperrstunde in Scharen nach draußen

Kolumne von Stefan Galler

Wenn der Holländer sogar seine Fahrräder anzündet, muss die Empörung wirklich riesengroß sein. Am Montag kam es in den Niederlanden in zahlreichen größeren Städten zu schweren Ausschreitungen. Grund ist die nächtliche Ausgangssperre, die wegen der heftigen Corona-Ansteckungszahlen seit dem Wochenende dort gilt.

Wie friedlich geht es da doch hierzulande zu. Der dauerhafte Schneefall sorgt sowieso schon für eine Art verspätete Weihnachtsstimmung. Durch den Lockdown ist auf den Straßen auch tagsüber wenig los, abends wird es dann aber richtig romantisch: In vielen Gärten leuchten noch die Lichterketten aus dem Advent, der Schnee steht überall einen halben Meter hoch. Und am Montagabend begegneten einem in Ottobrunn scharenweise Gruppen von Spaziergängern, die zwischen 20 und 21 Uhr die letzte Stunde Freigang nutzen wollten. Und - psst! - mancher trieb sich auch noch ein paar Minuten nach der Sperrstunde draußen herum (zumindest wurde das dem selbstverständlich pünktlich zu Hause eingetroffenen Autor dieser Zeilen im Nachhinein zugetragen).

Das ist insofern kurios, als im Landkreis - und da macht Ottobrunn keine Ausnahme - oftmals mit dem Ende der Ladenöffnungen auch die Bürgersteige hochgeklappt werden. Kaum eine Menschenseele ist dann noch draußen zu sehen, selbst im Sommer. Das führt sogar bisweilen dazu, dass im Biergarten am Rathaus schon zur letzten Runde geläutet wird, wenn die Sonne gerade mal hinterm Wolf-Ferrari-Haus versunken ist.

Die aktuellen Beschränkungen treiben die Menschen aus den Häusern. Weil bekanntlich das, was ohnehin immer erlaubt ist, keinen hinter dem Ofen hervorlockt. Aber wehe, es gibt Reglementierungen! Dann erwacht der Revoluzzer, sogar im bravsten Landkreisbürger. So lange sich der Widerstand hierzulande allerdings in Spaziergängen bis knapp nach dem Zapfenstreich äußert, ist alles im grünen Bereich. Nur gut, dass Ottobrunns Bürgermeister keine MVG-Leihräder in seiner Gemeinde haben will. Dann kann sie auch keiner anzünden.

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