Mitten in Haar:Loriot lässt grüßen

Weil fast ein Viertel der Amtsträger im Gemeinderat einen Doktortitel hat, geraten die Debatten schon mal zum Gelehrtendisput

Kolumne von Bernhard Lohr

Wer kennt sie nicht, die beiden Herren, die sich nackt in der Badewanne formvollendet begegnen. "Angenehm", sagt Herr Müller-Lüdenscheid. "Angenehm", antwortet Herr Dr. Klöbner. Und dann tauschen sie in dem Sketch von Loriot in gewählten Worten ihre unterschiedlichen Standpunkte aus, was das Baden in fremden Wannen angeht. Sie bewahren Haltung, auch wenn die Situation fordernd ist und der andere auf seiner Meinung beharrt. Am deutlichsten wird Herr Müller-Lüdenscheid noch, als er Herrn Dr. Klöbner an den Kopf wirft, dass er in einer "Fremdwanne" sitzend sich "eine eigene Meinung gar nicht leisten" könne.

Die eigene Meinung haben sich die Vertreter von CSU, SPD und Grünen im Haarer Gemeinderat in der Vergangenheit nicht abgesprochen. Doch weil der Ton manchmal rau wurde und von Wertschätzung wenig zu spüren war, war der Wunsch groß, nach der Kommunalwahl einen anderen Umgang zu finden. Die ersten Sitzungen zeigen nun, dass es im Gremium tatsächlich anders zugeht. Herr Dr. Keymer (CSU) und Professor Dr. Gantzer (SPD) tauschen ihre konträren Meinungen erst aus, nachdem sie sich ihrer gegenseitigen Wertschätzung versichert haben. Die Auseinandersetzung gerät schon mal zum Gelehrtendisput. Oft ist man sich am Ende auch noch einig.

Man muss abwarten, ob der Loriot-Effekt im Haarer Gemeinderat anhält. Helfen kann dabei, dass die Rathausspitze mittlerweile fast komplett mit akademischen Weihen aufwartet. Bürgermeister Dr. Bukowski von der CSU zitiert auch mal den spätantiken Philosophen Boetius, während sein Stellvertreter Dr. Leiner von den Grünen eloquent Brücken schlägt, wenn zwei unterschiedlicher Meinung sind. Dr. Siemsen von der FDP glänzt mit guten Umgangsformen. Und dann sind da noch der grüne Dr. Seckinger und rote Dr. Zill, die vor der Wahl schon dem Gemeinderat angehörten. Jetzt hat fast ein Viertel der Amtsträger in Haar promoviert.

Aber man weiß ja, wie das bei Loriot endet. Als Dr. Klöbner seine Ente mit in die Wanne nehmen will, fallen die beiden Herren doch aus dem Rahmen. Und als Herr Dr. Klöbner anmerkt, dass es Menschen gebe, die gar keine Wanne besäßen, ist bei Müller-Lüdenscheid das Maß voll und dieser fährt den Herrn Dr. an: "Ach, Sozi sind Sie wohl auch noch."

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