Mitten in Grünwald:Flusskrebse an der Isar

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Beim Lese-Wettbewerb der Bibliothek zwischen Jung und Alt führen die Kinder. Die Eltern haben aber noch die Chance aufzuholen, mit Hilfe eines Bestsellers aus den USA

Kolumne von Claudia Wessel

Es ist schön und schrecklich zugleich, ein richtig gutes Buch zu lesen. Beispielsweise "Der Gesang der Flusskrebse" von der US-amerikanischen Autorin Delia Owens. Eine Freundin hat es empfohlen mit dem Hinweis, dass man es mögen werde, wenn man "Natur mag". Und wie man Natur mag, vor allem seit der Corona-Pandemie. Denn an der Isar ist der Himmel weit und das Wasser erzählt vom "Leben im Fluss", vom Flow und der Leichtigkeit, von der Weisheit des griechischen Philosophen Heraklit, die mit zwei Worten die Welt erklärt: "Alles fließt".

Mit der Ankunft des Buches ist man dann erst mal weg von der Natur und auch von der Familie. Denn es ist leider so gut, dass man nicht aufhören kann zu lesen, und bei 464 Seiten der im Januar 2021 erschienenen Taschenbuch-Ausgabe des einstigen Spiegel-Bestsellers taucht man schon für eine ganze Weile ab in die Welt des "Marschmädchens", das von allen verlassen in einer verfallenen Hütte an der Meeresküste von North Carolina lebt. Würde man damit beim Sommer-Lese-Club der Grünwalder Gemeindebibliothek mitmachen, würde es mit seinem dicken Buchrücken auch eine Menge beitragen dazu, den 27 Meter hohen Stapel zu erlesen, der dort gefragt ist - so hoch wie die Distanz zwischen der Grünwalder Brücke bis hinunter zur Isar.

Dass die Kinder und Jugendlichen bei diesem Lese-Wettbewerb zwischen Jung und Alt beziehungsweise Kindern und Eltern vorn liegen, liegt vermutlich daran, dass es für Eltern nicht ganz einfach ist, in ein dickes Buch abzutauchen und alles rundherum zu vergessen, erst recht nicht in den Sommerferien, wenn die Kinder beschäftigt werden wollen. Nur 2,70 Meter hoch ist der Stapel, den die Erwachsenen bisher erlesen haben. Die Kinder dagegen haben schon acht Meter geschafft - sicher ermuntert von Mama und Papa, die froh sind, wenn die Kinder lesen, weil sie dann mal wieder in Ruhe einen Cappuccino trinken können.

Doch noch haben die Erwachsenen Zeit zum Aufholen. Der letzte Abgabetermin in dem Wettbewerb ist erst der 20. September. Und am 14. September fängt doch die Schule wieder an. Für diese Zeit sollte man sich schon mal die Flusskrebse bestellen. Und sich darauf vorbereiten, dass man auf Seite 464 total traurig ist, weil die Geschichte schon zu Ende ist.

© SZ vom 01.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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