Mitten in Grünwald:Ardwarmte als Leuchtturm

Schlösser, Seen, bayerische Gastronomie - das ist alles nichts. Was Touristen wirklich anzieht, ist eine schmucke Geothermie-Anlage wie in Grünwald

Von Claudia Wessel

Wie lockt man internationale, prominente Gäste in seinen Ort? Etwa mit Schlössern, Seen oder bayerischer Gastronomie? Sicher, all das nehmen Weitgereiste gerne mit. Doch der wahre Grund dafür, dass sie ins Flugzeug steigen, eine vielstündige Reise auf sich nehmen und mitsamt vielköpfigen Delegationen beispielsweise in einem kleinen Ort namens Grünwald bei München landen, sind weder alte Gemäuer noch glitzernde Wasseroberflächen oder abgebräunter Leberkäs. Angelockt werden sie vielmehr von einer Produktionsbohrung in 4083 Meter Tiefe, einer Schüttung von 140 Litern pro Sekunde und einem Redundanz-Heizkessel mit 19 Megawatt. Ganz zu schweigen von einer Netzverdichtung von 12 000 Quadratmetern, einer Rücklauf-Temperatur von 60 Grad Celsius und der Pumpentechnologie Centrilift Baker Hughes.

All das nämlich hat die Erdwärme Grünwald zu bieten und ihre Besucherzahlen sprechen für sich. In regelmäßigen Abständen treffen Pressemeldungen ein, in denen von Ministern und ähnlich Hochrangigen aus aller Herren Länder geschrieben wird, die mit großen Delegationen in der Laufzorner Straße zugegen waren, um die technischen Errungenschaften Grünwalds zu bewundern - und sie alsbald daheim zu kopieren.

So konnte man im Winter chinesische Gäste vom Ministry of Housing and Urban-Rural Development begrüßten, darunter die Abteilungsleiter Zhang Fulin, Xue Jun, Liao Xu und Xu Jiaquiang. Es folgte als Highlight Ende April der Überraschungsbesuch von Julia Timoschenko, ehemaliger Ministerpräsidentin der Ukraine. Und Anfang Mai standen schon wieder die nächsten Neugierigen da: Annemie Turtelboom, Vizeministerpräsidentin Flanderns und zugleich Ministerin für Haushalt, Finanzen und Energie, begleitet von 35 Politikern, Unternehmern, Ingenieuren und Beratern. Die "Ardwarmte", wie das Ganze auf Flämisch heißt, faszinierte sie ebenso wie alle anderen internationalen Gäste zuvor.

Fragt man Geschäftsführer Andreas Lederle, wie er das macht, sagt er vielsagend: "Die Erdwärme Grünwald ist ein Leuchtturmprojekt." Vielleicht sollten auch Gemeinden, die Probleme mit dem Fremdenverkehr haben, mal eine Delegation nach Grünwald schicken. Dann erfahren sie vielleicht, wie aus einer Bohrung in die Tiefe ein bis ins Ausland strahlender Leuchtturm wird. Für Grünwald eine der leichtesten Übungen.

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