Süddeutsche Zeitung

Mitten in Grünwald:Anrüchiges Endlager

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Hundekot in den Beutel tun, ist einfach. Aber wohin dann damit? Vor allem, wenn mitten im Wald weit und breit kein Abfalleimer steht

Von Michael Morosow

Wenn ein Hund sich hinsetzt, tut er dies meist nicht, um über sein Dasein zu sinnieren, sondern weil ihn was drückt. So auch der kleine Mischling nahe dem Walderlebniszentrum Grünwald, der in Begleitung seines Frauchens und deren Tochter sich neben einem Weg erleichtert, was ihm wirklich niemand übel nehmen kann, selbst wenn seine Hinterlassenschaft zum Himmel stinkt. Eine anständige Hundebesitzerin geht dann nicht einfach weiter, als wäre nichts geschehen, sondern packt das, was ihrem Lumpi, Wastl oder Bonzo so lange gedrückt hatte, in einen Hundekotbeutel, schnürt diesen zu und wirft ihn, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet, in einen Abfallkorb.

Soweit die Theorie. In der Praxis aber zeigt es sich oft, gerade in Waldstücken, dass sich weit und breit keine Gelegenheit bietet. Und auch im Grünwalder Forst steht nicht vor jedem Baum ein Abfallkorb, auch wenn sich das die Gemeinde mit links leisten könnte. Die Frau also steht nun kurze Zeit ratlos im Forst und hält den gefüllten Kotbeutel mit gespreizten Fingern vor sich. Die Lösung des Problems macht die Tochter zu ihrer Sache. Sie packt den Plastikbeutel ebenfalls mit gespreizten Fingern und hängt ihn über einen Ast. Das ist keine sonderlich neue Problemlösung, Gartenbesitzer, Landwirte, Waldbauern im ganzen Land können ein Lied davon singen. Hier und dort sieht man sogar Sträucher, die mit so vielen Kotbeuteln beladen sind wie kein Christbaum mit Weihnachtskugeln.

Eine Spaziergängerin bemerkt freilich diesen Frevel und macht das Frauchen einigermaßen freundlich darauf aufmerksam. Was sie nicht wusste: Die Tochter hat den Hundekotbeutel im Baum natürlich nur zwischengelagert. "Wir nehmen ihn auf dem Rückweg wieder mit", sagt ihre Mutter. Es muss aber ein sehr ausgedehnter Spaziergang gewesen sein, vielleicht sogar einer von Grünwald nach München und zurück. Jedenfalls hing der Beutel Stunden später immer noch an gleicher Stelle. Und wird dies wohl auch bis zum nächsten Frühjahr tun, wenn die Gemeinde Grünwald zum Ramadama aufruft.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2020
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