Mitten in Garching:Silvesterrakete als Dauerbrenner

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Erst zischt sie, dann fliegt sie und dann fällt sie tot vom Himmel. Dabei könnten Silvesterraketen länger leben

Von Michael Morosow

Die Raumfahrttechnik hat ja erst kürzlich neue Höhen erreicht. Der Jubel in Cap Canaveral war jedenfalls grenzenlos, nachdem erstmals eine ins All geschossene Trägerrakete nach ihrem Flug heil und aufrecht zu ihrem Startplatz auf der Erde zurückgekehrt war. Die geglückte Landung der SpaceX-Rakete könnte die Raumfahrt revolutionieren, sagen die Amis. Und wir sagen: Was in Cap Canaveral möglich ist, das müsste doch auch im technikaffinen Landkreis München klappen. Zum Beispiel in der Universitätsstadt Garching, wo das berühmte Atomei wissenschaftliche Größe ausstrahlt, oder in der Gemeinde Ottobrunn, die für eine jahrzehntelange Raumfahrttradition steht, aber auch in Haar, wo der galaktische Professor Harald Lesch wohnt.

Bis auch uns der große Schritt für die Raumfahrt gelingt, muss freilich noch an kleineren Objekten geübt werden, sagen wir an Silvesterraketen, welche heute millionenfach in die Nacht geschossen werden. Sie alle stürzen ausgebrannt und unkontrolliert auf die Erde zurück. Noch zu gebrauchen von der ganzen Konstruktion, etwa in chinesischen Restaurants, ist allenfalls das Holzstäbchen. Diese Verschwendung von Ressourcen müsste nicht weiter unser Gewissen quälen, wenn endlich eine wiederverwendbare Silvesterrakete erfunden würde. Eine, die ihre Startrampe vom Typ Henkel Trocken mit einem "Zisch, Kawumm, Uiiii" verlässt, im Himmel den Farbenzauber "Cliffhanger" oder "Dubai at Night" entfacht, dann an einem kleinen, biologisch abbaubaren Fallschirm mit eingebauter GPS-Technik auf die Erde zurück schwebt, um schließlich mit dem Steckerl voran wieder in den Hals der Sektflasche zu stoßen, bereit zur Neuaufladung.

Bis das Modell "Comeback" seinen Jungfernflug wird antreten können, ist Paragraf 23 Absatz 1 der Sprengstoffverordnung für uns das Maß aller Dinge. Die Stadt Garching macht uns auf dieses Regelwerk aufmerksam, laut dem "das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern" verboten ist. Die Münchner Polizei legt nach mit dem Warnhinweis, dass laut dieser Sprengstoffverordnung das Abfeuern von Raketen nur "vom 31. Dezember 00:00 Uhr bis 1. Januar 24:00 Uhr" erlaubt sei. Wie sehr die alljährlichen polizeilichen Präventionstipps zum Jahreswechsel Wirkung zeitigen, kann man eine Polizeimeldung dahinter lesen: "Mehr als 35 Einsätze wegen unerlaubtem Zünden von Pyrotechnik im Stadtgebiet und im Landkreis", heißt es im Pressebericht vom 30. Dezember. Daran sieht man, wie dringlich die Erfindung der wiederverwertbaren Silvesterrakete wäre. Etwas Neues einfallen lassen müssten sich dann aber jene, die an Silvester gerne alte Laster oder Probleme mitsamt dem Feuerwerk zum Mond schießen wollen und zu diesem Behufe "den letzten Zigarettenstummel" an die Rakete heften oder heimlich einen Zettel mit der Aufschrift "Frau", "Mann" oder "Chef". GPS-Technik lässt sich freilich auch deaktivieren.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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