Mitten in Aschheim:Schlichte Schönheit in des Weges Mitte

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Kreisverkehrsinseln sind viel mehr als nur eine runde Fläche, an der Autos vorbeifahren - das zeigt das Beispiel Aschheim

Von Christina Hertel

Paris hat den Eiffelturm, Berlin das Brandenburger Tor. Und Aschheim? Einen Dax-Konzern, der in einen Finanzskandal verwickelt ist, eine Autobahnausfahrt, die ganz Bayern aus den Staumeldungen kennt, und: außergewöhnlich schöne Kreisverkehre. Wem das noch nicht aufgefallen ist, der hätte es spätestens in der jüngsten Gemeinderatssitzung gemerkt.

Die SPD hatte beantragt, die Kreisverkehre in der Gemeinde ganzjährig mit heimischen Gewächsen naturnah zu bepflanzen. Eine Trendidee in diesen Zeiten, dürfte man meinen. Doch Robert Ertl von den Freien Wählern fürchtete um das Ansehen seiner Heimat. Seine Haltung: Die Kreisverkehre - das "Aushängeschild einer Gemeinde" - sollten lieber bleiben, wie sie sind. Schließlich hätten ihm sogar Bürger, die nicht einmal in dem Ort leben, schon Briefe geschrieben, wie gepflegt die Aschheimer Kreisel seien.

Das ist tatsächlich erstaunlich. Denn in Aschheim wachsen nur Blumen und Gras auf den Verkehrsinseln in der Mitte der Kreisel. Wuchtige Skulpturen wie anderswo, die die Aufmerksamkeit des Fahrers wecken, ihn aber nicht zu sehr in seinen Sehgewohnheiten erschüttern soll - schließlich will er die richtige Ausfahrt nicht verpassen -, gibt es dort gar nicht. Auf der Website www.kunstimkreisverkehr.de können Nutzer über die schönsten Werke abstimmen. Den ersten Platz belegt eine überdimensionierte Pusteblume in Ebersbach an der Fils. Das liegt in Baden-Württemberg, dem Mekka des vom Feuilleton bislang missachteten Genres der Kreiselkunst.

In dem Bundesland stehen laut der Website 236 Kreisel-Skulpturen. Darunter ist viel Rätselhaftes - ein Wein trinkender Storch und eine riesige Bratpfanne zum Beispiel. Bayern hat nicht einmal ein Viertel solcher Werke zu bieten. München taucht auf der Seite gar nicht auf. Doch wer weiß, was die Zukunft bringt? Das Aschheimer Rathaus will nun prüfen, wie man die Kreisverkehre insektenfreundlicher bepflanzen könnte. Für die Freien Wähler vielleicht ein Trost: Ein Kreisel in Bisignano in Italien schaffte es mit etwas Wiese und einem dürren Bäumchen in der Mitte immerhin in die Top Ten der Kreisel-Hitliste.

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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