Mitten im Landkreis:Gute und allzu gute Vorsätze

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Vorsätze schön und gut. Es kommt darauf, die richtigen zu fassen und seine Mitmenschen nicht mit seinem Ehrgeiz zu frustrieren

Von Wolfang Schäl

Der Weg zur Hölle sei mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es im Volksmund, und der muss es wissen, ist er doch die Stimme all der Sündigen und Schwachen, die mehr wollen, als sie am Ende vermögen, all derer, die immer wieder der kleinsten Versuchung erliegen. Nach der garantiert letzten Zigarette zünden sie die neue erste an, kaum dass die Silvesterböller verhallt sind, der erklärte Wille abzunehmen versinkt in der Sahnetorte, und der feste Entschluss, mehr Sport zu treiben, bleibt träge auf dem Sofa sitzen. Ganz zu schweigen von der Absicht, weniger zu trinken: Auf die stößt man auch gern nach dem Neujahrstag noch an.

Muss man sich deshalb grämen? Wir sagen ganz entschieden nein, denn der allzu gute Wille führt nur zu einem Resultat: zu lähmender und appetitfördernder Übellaunigkeit. Es ist der Tanz im Teufelskreis, der wie schon erwähnt , abwärts in die Hölle führt. Stattdessen plädieren wir für den gleitenden guten Vorsatz. Jeder entspannte Lebenskünstler weiß doch: Morgen ist auch noch ein Tag, und übertriebener Ehrgeiz schadet dem Gemüt. Dabei bräuchte man als wild entschlossener Titan des Willens doch nichts mehr als gute Nerven. Überhaupt darf man sich nach unserer Überzeugung grundsätzlich nicht mit derlei stereotypen, jedes Jahr wiederkehrenden Erwartungen an sich selbst behelligen, solange noch ein Flügel von der Weihnachtsgans im Kühlschrank liegt.

Wen würden wir auch beglücken, wenn wir als einzige sportlich, drahtig und asketisch dastünden? Die vollschlanken Schwachen bestimmt nicht, die bekümmert in Richtung ihrer nicht mehr sichtbaren Schuhspitzen gucken. Und auch jene Bedauernswerten nicht, die unsere selbst verschuldete Frustration aus nächster Nähe aushalten müssen. Wir propagieren stattdessen gute Vorsätze anderer Art, solche, von denen alle was haben, und die ohne schmerzhaften Verzicht umzusetzen sind: Mal wen ausreden lassen, mal ein richtig hohes Trinkgeld geben, mal auf einen Sitzplatz im Bus verzichten. Sich eine unpassende Bemerkung verkneifen und mal bisschen offener sein gegenüber anderen Meinungen. Mit dieser hoffentlich erbaulichen Belehrung empfehlen wir uns selbstzufrieden ins neue Jahr.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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