Gesundheit:Herzuntersuchungen machen Schule

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Einmal genau messen: Die Nicolas-May-Stiftung ermöglicht Kindern an der Oberhachinger Mittelschule eine kostenlose Herzuntersuchung. Rund 200 Mädchen und Buben nutzen die Gelegenheit. (Foto: Claus Schunk)

Unerkannte Herzfehler sind auch schon in jungen Jahren ein Risiko. Deshalb können sich Oberhachinger Mittelschüler mithilfe der Nicolas-May-Stiftung von Kardiologen der Uni-Klinik Großhadern untersuchen lassen. Ziel der Aktion ist, dass die Vorsorgeuntersuchungen zur Regel bei Kindern und Jugendlichen werden.

Von Daniela Bode, Oberhaching

Was esse ich denn am liebsten, wie oft und wie viel davon? Und wie schaut es mit Sport aus? Man muss schon ehrlich sein, wenn man den Fragebogen ausfüllt, und genau. Konzentriert notiert der Schüler die Antworten. Er sitzt im Kunstraum an der Mittelschule Oberhaching. Hier ist an diesem Tag ein Untersuchungszimmer eingerichtet worden. Seinen Mitschüler kann er von hier aus nicht sehen, der ist auf einer Liege hinter Trennwänden mit Elektroden an das EKG angeschlossen. Beide Buben nehmen an den Orlando-Herzwochen teil. Rund 120 der insgesamt 200 Schülern haben sich angemeldet, auch einige Geschwister und Grundschüler lassen sich untersuchen. Das Interesse ist groß.

Ins Leben gerufen wurde die Aktion nach dem Tod des 14-jährigen Nicolas May: Der Schüler der Orlando-di-Lasso-Realschule in Maisach starb vor drei Jahren infolge eines unentdeckten Herzfehlers an einem plötzlichen Herztod. Sein Vater Manfred May gründete daraufhin die „Nicolas-May-Stiftung“, zusammen mit Professor Nikolaus Haas, dem Leiter der Abteilung für Kinder-Kardiologe am Münchner LMU-Klinikum Großhadern, der den Jungen obduziert hatte. Das Anliegen der Stiftung: spezielle Check-ups für Kinder und Jugendlichen, damit Herzfehler nicht unentdeckt bleiben.

Ziel sei, dass Herz-Kreislauf-Vorsorgeuntersuchungen in die Regeluntersuchung U10 aufgenommen werden, erklärt Manfred May, der am Mittwoch selbst zu der Aktion nach Oberhaching gekommen ist. „Am besten auch in die J1 und J2, weil sich das Herz-Kreislauf-System in der Pubertät noch einmal ändert.“ Die J1 und die J2 sind im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren vorgesehen. Bisher kontrollieren Kinderärzte in der Regel das Funktionieren des Herz-Kreislauf-Systems nicht. Das möchte May mit seiner Stiftung ändern – und anderen Eltern das Schicksal ersparen, das ihn getroffen hat.

Vor dem Start der Herzwochen an der Oberhachinger Mittelschule gab es einen Elternabend, auch die Schüler selbst wurden über das Projekt informiert. Aufklärung über die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen ist ein Anliegen der Herzwochen. An der Oberhachinger Schule untersucht zwei Wochen lang im Januar ein Team aus drei Ärztinnen und ein paar Medizinstudenten um Professor Haas die Schülerinnen und Schüler. Bei der Anmeldung erhalten diese zunächst einen Fragebogen zu ihren persönlichen Daten und eine Nummer, damit die Angaben für eine wissenschaftliche Studie anonymisiert an die Klinik in Großhadern weitergegeben werden.

Mit einer Echokardiografie wird von allen Teilnehmern das Herz untersucht. (Foto: Claus Schunk)

Rund 20 Seiten umfasst der Fragebogen, in dem die Schüler nicht nur Angaben zu Größe und Gewicht machen, sondern auch zu ihren Lebensgewohnheiten zu machen – etwa wie sie sich ernähren, ob sie rauchen, wie es sich mit ihrer individuellen Bildschirmzeit verhält. Neben einem Elektrokardiogramm (EKG) erfolgt anschließend auch eine Echokardiografie, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens. Für beide Untersuchungen hat die Stiftung eigens mobile Geräte angeschafft. Auch Blutuntersuchungen werden angeboten. Bei einem Test müssen die Teilnehmer zudem vier Stockwerke so schnell wie möglich hinauf und hinunterlaufen. Vor und nach dem Treppensteigen werden Puls und Sauerstoffsättigung überprüft. Eine Software wertet die Ergebnisse aus und stellt nach einem Ampelsystem das Endergebnis dar. Steht der Pfeil auf einem grünen Smiley, ist alles in Ordnung.

Die Schüler, die an diesem Mittwoch in Oberhaching untersucht werden, sind angetan von dem Projekt – auch wenn der eine oder die andere vorher ein wenig Sorgen hat, es könnte ein Herzfehler festgestellt werden. „Ich finde es gut“, sagt Helena aus der Klasse 7a, die gerade mit einem Handgrip ihre Kraft misst. „Wenn jemand ein Problem mit dem Herzen hat, wird es herausgefunden.“ Auch Schülersprecher Destiny aus der 5b sieht das so, obwohl er zugibt, ein wenig Angst vor der Untersuchung zu haben. „Man kann dann sehen, ob man Probleme mit dem Herzen hat.“

Stiftungsgründer Manfred May hat seinen Sohn durch plötzlichen Herztod verloren

Je mehr Daten durch Untersuchungen an Schulen gesammelt werden, umso größer ist die Aussagekraft der Studie, die vom Uni-Klinikum Großhadern begleitet wird. Bisher nahmen an der Orlando-di-Lasso-Realschule in Maisach und der benachbarten Mittelschule, wo die Herzwochen voriges Jahr gestartet wurde, schon etwa 1000 Kinder und Jugendliche teil. Das Projekt läuft noch bis 2029, bis dahin will die Stiftung 10 000 Kinder untersucht haben. Das reiche für eine repräsentative Studie, sagt Stiftungsgründer May. Mit dieser wolle man das Thema anschließend „groß machen“. Zu diesem Zweck sei man bereits mit der Bayerischen Versicherungskammer im Gespräch.

Manfred May hat die Stiftung, die Herzuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen zur Regel machen will, gegründet. (Foto: Claus Schunk)

Wie notwendig die Vorsorgeuntersuchungen sind, zeigen die Ergebnisse aus der Realschule in Maisach. Etwa zehn Prozent der Probanden zeigten laut May eine Auffälligkeit am Herzen. Drei Kinder wurden sogleich an Spezialisten verwiesen. An der Oberhachinger Schule wurde bis jetzt noch kein ernster Fall diagnostiziert. Im Ultraschall wurden laut Ärztin Meike Schrader, die die Untersuchungen leitet, allerdings bei einem Kind eine Leitungsverzögerung im Herzmuskel und bei einem anderen eine „kleinere Klappenundichtigkeit“ festgestellt. Beides sei aber nicht bedenklich. Sollte ein ernsthafter Herzfehler festgestellt werden, würden die Eltern umgehend informiert. Zudem geben die Ärzte in einem solchen Fall eine Empfehlung für eine weitere Untersuchung beim Kinderarzt oder Kardiologen ab.

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Finanziert werden die Herzgesundheitswochen in Oberhaching aus Spenden der Nicolas-May-Stiftung. Für die Schüler und deren Geschwister selbst sind die Untersuchungen kostenlos. Allein in Maisach haben sich die Kosten auf etwa 200 000 Euro belaufen. Die Oberhachinger Schulleiterin Claudia Sanders ist begeistert von dem Engagement. „Es ist gigantisch, dass ein Mann seine Kraft und sein Geld investiert, um andere Kinder vor dem Schicksal seines Sohnes zu bewahren“, sagte sie vor dem Start der Herzwochen in einem SZ-Interview. Die Nachfrage ist groß: Bis Ende 2027 sind alle Termine „ausreserviert“, wie Stifter Manfred May sagt. Ihn freut das.

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