Süddeutsche Zeitung

Mittagstisch:Rezept gegen die Einsamkeit

Monika Geiselbrechtinger und Kerstin Domabyl bekochen jede Woche bedürftige und alleinstehende Menschen bei der Nachbarschaftshilfe in Ottobrunn. Nach einer Corona-Pause ist wieder geöffnet

Von Daniela Bode, Ottobrunn

Mittwoch, halb zwölf. Die geschnittene Petersilie liegt auf dem Tisch. Monika Geiselbrechtinger rührt in dem großen Topf mit Suppe. Kerstin Domabyl hat das Gemüse geschnipselt. Jeden Mittwoch machen die beiden das. Schließlich muss um 12 Uhr das Essen fertig sein, wenn die Gäste kommen. Zum Mittagstisch der Nachbarschaftshilfe Ottobrunn, Hohenbrunn, Neubiberg in der Putzbrunner Straße 52. Willkommen sind Menschen, die einsam oder bedürftig sind, und sich über eine warme Mahlzeit in Gesellschaft freuen.

Die Idee einer Suppenküche hatte schon die frühere Leiterin der Nachbarschaftshilfe in Ottobrunn, Helene Nestler. So etwas in der Art gab es dann eine Weile, aber schon länger nicht mehr. Irgendwann traten Geiselbrechtinger und Domabyl an die Nachbarschaftshilfe heran, sie würden das gerne organisieren. "Sie sind beide erfahrene Hausfrauen und Mütter in Rente", sagt Elke Schiller von der Nachbarschaftshilfe der Arbeiterwohlfahrt. Ende Januar startete das Projekt Mittagstisch, wegen der Corona-Pandemie musste es Mitte März zunächst wieder eingestellt werden. Seit Anfang September kochen die beiden Frauen wieder jede Woche im Sozialraum des Gebäudes, in dem auch die Nachbarschaftshilfe sitzt. Anders als noch im Januar bedienen die beiden nun und tragen Maske. "Das macht alles starrer, aber wir sind froh, dass der Treff wieder stattfinden kann", sagt Schiller.

Welche Suppe Geiselbrechtinger und Domabyl auf den Tisch zaubern, entscheidet sich immer recht kurzfristig, so auch dieses Mal. "Ich hole die Kiste mit dem Gemüse immer am Abend zuvor beim Früchtemarkt Lechermann ab", sagt Domabyl. Das Lebensmittelgeschäft in Ottobrunn spendet die Waren jede Woche, "je nachdem, was sie übrig haben", sagt Domabyl. Dann wird improvisiert. An diesem Mittwoch gibt es Gemüsesuppe mit Zutaten wie Zucchini, Sellerie, Petersilienwurzel und Nudeln. Letztere sind zugekauft. "Vorige Woche haben wir einen riesigen Kürbis bekommen, da gab es Kürbis-Kartoffelsuppe", sagt Domabyl. Auf dem Tisch stehen außerdem Körbe mit Brot bereit, das die Bäckerei Fiegert jede Woche gratis zur Verfügung stellt.

Zwölf Uhr. Allmählich trudeln die Gäste ein. Eine ältere Frau mit Rollator und Maske kommt herein, etwas später zwei weitere Frauen, dann ein Mann mit grauen Haaren. "Unsere Klientel sind Sozialhilfeempfänger und Leute, die einsam sind", sagt Geiselbrechtinger. Acht bis zehn Personen kämen in der Regel, so auch an diesem Tag. Sie setzen sich an den Tisch, die beiden Köchinnen servieren die duftende Suppe. "Mmh, schmeckt gut", sagt eine der zwei älteren Frauen, die zum ersten Mal gekommen sind und den Treff ausprobieren wollen. Die Frau mit Rollator hat schon öfter hier gegessen. "Ich lebe alleine und muss zuhause alles selbst machen. Es ist schön, hier wird gekocht und es sind sehr nette Leute", sagt sie. Der Mann, der auch allein lebt, genießt ebenfalls die Gesellschaft. "Ich war von Anfang an da, ich wohne im Haus", sagt er. In der Mitte des Tischs steht ein gelbes Sparschwein, hier sollen die Gäste einen Euro für das Essen einwerfen. Für Kinder ist die Mahlzeit umsonst.

Ein rotes Papiertischtuch schmückt die lange Tafel. Es entspinnen sich nette Gespräche, es wird gelacht. Bei Geiselbrechtinger und Domabyl sind die Gäste bestens aufgehoben. Denn sie haben beide gerne Leute um sich, kommen gut mit anderen ins Gespräch. Damit die Atmosphäre noch netter ist, gibt es nach der Suppe neuerdings auch Kaffee und süße Teilchen vom Vortag, die ebenfalls die Bäckerei Fiegert spendiert. "Es kommen ja auch einsame Menschen, die nicht mehr so viel zur Kommunikation beitragen können", sagt Domabyl. Da sei es schön, wenn es gelinge, ein wenig aus ihnen herauszukitzeln. "Treff zum Mittagstisch - einfach köstlich miteinander" passt da als Projektname sehr gut.

Den Gästen schmeckt es auch an diesem Mittwoch, manche lassen sich einen zweiten Teller der warmen Gemüsemahlzeit servieren. Was übrig bleibt, dürfen sie mit nach Hause nehmen. Bestimmt werden sie auch nächsten Mittwoch zwischen 12 und 13.30 Uhr wieder zum Mittagstisch kommen. Wer weiß, welche Suppe sie da erwartet.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2020
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