Mitbestimmung in der Kommune:Der Draht zur Jugend

Mitbestimmung in der Kommune: Ungewohntes Bild im Ratssaal: Bürgermeister Wolfgang Panzer blickte bei der Versammlung im November 2015 in viele junge Gesichter. 200 Kinder und Jugendliche waren gekommen.

Ungewohntes Bild im Ratssaal: Bürgermeister Wolfgang Panzer blickte bei der Versammlung im November 2015 in viele junge Gesichter. 200 Kinder und Jugendliche waren gekommen.

(Foto: Claus Schunk)

Sie wollen nur shoppen und am Smartphone spielen - Teenagern wird oft Politikverdrossenheit unterstellt. Dabei zeigen Beispiele in Unterschleißheim und Unterhaching: Sie bringen sich in die Kommunalpolitik ein, wenn man ihnen die Chance dazu gibt.

Von Jana Treffler, Landkreis

Bevor nach der an Konsum und Lifestyle orientierten "Generation Y" reflexartig eine noch unpolitischere, desinteressierte "Generation Z" ausgerufen wird, verlangt es nach einem Realitätsabgleich. Wie sieht es aus mit der politischen Partizipation von Jugendlichen hier im Landkreis München?

Werden Möglichkeiten wie Jugendparlamente oder politische Themenabende in Jugendzentren wahrgenommen, oder wollen die Teenies nur twittern, shoppen und Fotos posten? Vertreter aus Jugendarbeit, Politik und Jugendliche selbst zeigen, dass im Landkreis bereits mehr Beteiligung läuft als vielleicht angenommen wird. Luft nach oben bleibt natürlich trotzdem.

Sascha Melinz, Konstruktionsmechaniker aus Unterschleißheim, ist mit seinen 20 Jahren ein ziemlich junger Parlamentsvorsitzender. Und doch mit der Älteste des demokratisch legitimierten Organs, dem er angehört. Das Jugendparlament Unterschleißheim bringt seit mehr als 15 Jahren die Wünsche der jungen Unterschleißheimer in den Stadtrat ein. Mit Antragsrecht und dem Schlüssel zum kleinen Sitzungssaal, in dem sie sich einmal im Monat treffen, sind die jungen Volksvertreter ganz gut ausgestattet, findet Melinz. Mit konkreten Projekten beschäftigt sich das Parlament: Ein Jugendtreff am See, - "mal ohne Psychologe", wie Melinz sagt, - wurde zum Beispiel schon beantragt, genehmigt und realisiert. "Da gab es ein schnelles o.K. vom Stadtrat und wir bekamen sofort Unterstützung", sagt Melinz.

Mitbestimmung in der Kommune: Offline, mit dem Bürgermeister an der Seite. Zur Versammlung in Unterhaching kamen 250 Jugendliche ins Rathaus.

Offline, mit dem Bürgermeister an der Seite. Zur Versammlung in Unterhaching kamen 250 Jugendliche ins Rathaus.

(Foto: Claus Schunk)

Für hohe Politik fühlt sich das Jugendparlament nicht zuständig

Er ist zufrieden mit der Arbeit des Parlaments und findet nicht, dass es sich mit den so genannten höheren politischen Themen befassen sollte, dafür seien die Jugendabteilungen der Parteien zuständig. Ihn störe allerdings, dass vieles von der für sie zuständigen Jugendbeauftragten von vornherein abgelehnt werde. Als eigentliches Bindeglied zwischen Jugend und Stadtrat gedacht, stehe sie ihnen mehr im Weg als dass sie helfe und habe zu viel zu sagen. Da müssten sie dann direkt zum Bürgermeister in die Fragestunde ziehen.

Grundsätzlich positiv schätzt Hugo Fischer vom Kreisjugendring München-Land, der sich momentan dem Jahresthema "Partizipation" widmet, die Arbeit von Jugendbeauftragten ein. Etwa die Hälfte aller Gemeinden im Landkreis hätten so eine Stelle. Die sei allerdings nur ein Instrument unter vielen, um Jugendlichen mehr Gehör zu schenken. Denn die wollten auch gehört werden. Desinteresse zu unterstellen sei falsch. Aber Demokratie wolle gelernt sein und dabei brauche es fachliche Begleitung und die Themen müssten lebensnah sein. Gut geklappt habe das bei der ersten Jugendbürgerversammlung in Unterhaching, meint Fischer.

Jugendparlament

In den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts bildeten sich in Frankreich erstmals sogenannte "conseils des jeunes" auf kommunaler Ebene mit dem Ziel, Ideen der Jugend miteinzubinden. Nach deren Vorbild wurde 1987 in Filderstadt (Baden-Württemberg) der erste Jugendgemeinderat in Deutschland gewählt. Jugendparlamente haben - wie etwa in Unterschleißheim - Satzungen oder Statuten, um ihre Tätigkeit im Sinne der Geschäftsordnung des Gemeinde- oder Stadtrats festzulegen. Eine Jugendbürgerversammlung gilt im Vergleich dazu als niedrigschwelliges Instrument, das Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess ermöglicht. In Pullach etwa, in Unterhaching und Kirchheim wurde damit bereits ein Stimmungsbild eingeholt. Ein Jugendforum, wie es in Pullach schon angewandt wurde, bietet auf nicht-institutionalisierter Ebene die Möglichkeit, Jugendliche über Arbeitsgruppen in Planungs- und Gestaltungsprozesse einzubinden. jtr

Auf die Onlinebefragung folgte das Treffen mit dem Bürgermeister

Vergangenen November hatte die Gemeinde ihre Jugend eingeladen und zusätzlich vorab eine Onlinebefragung angesetzt, um die Themen einzugrenzen, die zu besprechen wären. Ein Viertel der jungen Unterhachinger nahm online teil, was ein sehr guter Beteiligungswert sei und etwa 250 kamen "offline" zur Versammlung mit Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD), um ihre Interessen zu vertreten. Die Bereitschaft sich einzubringen, wenn die Möglichkeit besteht, ist also vorhanden.

Ein ähnliches Procedere könnte bald in Ottobrunn zu erleben sein. Seit etwa einem Jahr liegt ein Antrag der FDP-Fraktion im Rathaus vor, eine Jugendbürgerversammlung abzuhalten. Diesen Dienstag berät der Hauptausschuss des Gemeinderats darüber. Es gehe darum, Zugang zu den Jugendlichen zu finden, sagt Antragsteller Gerald Kunzmann (FDP), dies sei für einen Gemeinderat gar nicht so leicht. Der Vorteil dieses Ansatzes sei nun die Niederschwelligkeit. Bei einer Versammlung hätten die Jugendlichen weniger Hemmungen mitzumachen, weil sie sich nicht auf zwei Jahre zur Arbeit in einem Jugendparlament verpflichten müssten. Die Verantwortung, Jugendliche an abstrakte politische Themen heranzuführen, sieht Kunzmann bei Parteien und Schulen.

Auch Fischer siedelt die politische Bildung in der Schule an. Es liefen momentan nur vereinzelt Projekte dazu im Landkreis. Politische Aufklärungsarbeit sei eine unglaublich wichtige Aufgabe der Jugendarbeit. Denn "Parteien wollen zuerst einmal ihr Parteiprogramm verkaufen und betreiben oft Desinformation", sagt Fischer. Die Jugendlichen müssten von anderer Stelle ihre Informationen bekommen können.

Das "Planet O" bietet Vorträge zu politischen Themen an

Genau das bietet das "Planet O" in Oberschleißheim. Das Jugendzentrum veranstaltet regelmäßig Abende zu politischen Themen und lädt dazu ernst zu nehmende Referenten ein, also nicht nur den örtlichen Stammtischexperten. Das zieht vor allem bei den älteren Jugendlichen. Auch Vorträge zu abstrakteren Themen, die keinen direkten lokalen Bezug haben, sind gut besucht. Max Biebel arbeitet in der offenen Jugendarbeit beim "Planet O" und stellt bei den Jugendlichen keine besondere Politikverdrossenheit fest. "Nicht mehr als beim Rest der Gesellschaft", sagt er. Die Erwachsenen müssten als Vorbilder fungieren und selbst wählen gehen, bevor sie den Jugendlichen Desinteresse vorwürfen.

Die von der FDP angestoßene Debatte in Ottobrunn bringt die Frage nach den Partizipationsmöglichkeiten wieder einmal auf die Tagesordnung. Es ist ein Thema, das in Kommunen oft wenig Beachtung findet. So wie die Arbeit des Jugendparlaments in Unterschleißheim. Mehr Werbung, sagt dessen Vorsitzender Melinz, wäre eine gute Sache. Dann müsste nicht immer "der harte Kern" die Arbeit leisten.

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