Mit der Autobahnpolizei unterwegs:Das tägliche Chaos

Feuerwehr - Gefahrgutunfall

Nichts geht mehr: Wenn Lastwagen in Unfälle verwickelt sind, wie vorige Woche bei Aschheim, dann ist die A 99 regelmäßig blockiert.

(Foto: Thomas Gaulke)

Baustellen, Unfälle, Umleitungen - auf dem Autobahnring München Ost müssen Verkehrsteilnehmer viel Geduld aufbringen. Ausgerechnet der achtspurige Ausbau, der den Abschnitt zwischen Kreuz Nord und Kreuz Süd beschleunigen soll, führt zunächst zu weiteren Behinderungen

Von Sabine Wejsada

An diesem Vormittag fließt der Verkehr auf dem Münchner Ostring ganz ordentlich. Unzählige Lastwagen rollen aufgereiht wie an einer Schnur auf der rechten Spur in Richtung Stuttgart. Einige Kilometer vor dem Autobahnkreuz München-Nord und kurz vor der großen Baustelle kommt der Verkehr ins Stocken, aber nicht zum Stillstand. "Läuft ganz gut heute", sagt Richard Kutscherauer, der Chef der Autobahnpolizei in Hohenbrunn.

Doch dann geht über Funk die Meldung ein, dass in der Gegenrichtung ein Auffahrunfall passiert ist. Ein Lastwagen hat ein Auto gerammt. Kutscherauer gibt an die Zentrale durch, dass er gleich hinfährt. Ein paar Minuten später treffen zwei Kollegen an der Unfallstelle ein und übernehmen. Der Chef kann weiterfahren. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert. Blechschaden, kein großes Ding.

Manchmal aber ist es für die Beamten zum Verzweifeln. Da organisieren sie eine Abstandsmessung für Lastwagen auf dem Münchner Ostring und müssen relativ bald Personal und Equipment wieder abziehen, weil Sattelschlepper und Transporter kilometerlang im Stau stehen. Den bei einem Tempo von 50 Stundenkilometern vorgeschriebenen Abstand von mindestens 50 Metern hält in einer solchen Situation kein Brummi-Fahrer ein. Zwischen Vorder- und Hintermann liegen oft weniger als zwei, drei Meter. "Da ist dann nichts mehr zu machen", sagt Kutscherauer. Seit ein paar Monaten, genauer gesagt, seit die A 99 auf acht Spuren erweitert und auf dem ersten Abschnitt in Höhe des Nord-Kreuzes gearbeitet wird, steht der Verkehr immer wieder still oder rollt zumindest so langsam dicht an dicht, dass Kutscherauer und seinen Kollegen die Abstandsmessung abbrechen müssen.

Die Hohenbrunner Station kümmert sich um insgesamt 57 Autobahn-Kilometer. Die Zuständigkeit der Dienststelle umfasst die polizeiliche Betreuung der Autobahnen A 94 München-Passau zwischen Steinhausen und der Anschlussstelle Pastetten im Landkreis Erding sowie den Großteil des Autobahnostrings der A 99 zwischen dem Kreuz Nord und dem Kreuz Süd bei Brunnthal. Der Ostring gehört zu den meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands. Bis zu 165 000 Fahrzeuge sind dort am Tag unterwegs, angesichts der Belastung bekommt die A 99 bis zum Jahr 2019 zwischen dem Autobahnkreuz München-Nord und der Anschlussstelle Aschheim-Ismaning auf jeder Seite einen zusätzlichen Streifen. Dann kann der Verkehr auf acht Spuren fließen.

Der erste, mehr als sieben Kilometer lange Bauabschnitt des achtstreifigen Ausbaus zwischen den Autobahnkreuzen München-Nord und München-Süd kostet rund 153 Millionen Euro. Seit vergangenem März wird auf der Nordseite in Fahrtrichtung Stuttgart, zwischen der Isarbrücke und dem Autobahnkreuz, gearbeitet. 2018 werden die Arbeiten an der Südfahrbahn folgen, 2019 soll die Erweiterung der Nordfahrbahn von der Isarbrücke bis östlich der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning fertig sein. Danach wandert die Baustelle weiter Richtung Süden. Der achtspurige Ausbau bis zum Kreuz Ost ist längst beschlossen und die Fortführung bis zum Kreuz Süd wird ebenfalls folgen. Die Autobahndirektion Südbayern geht davon aus, dass von 2020 an weiter gebaut werden kann. Der Ostring wird auf die nächsten Jahre hin wohl eine Staufalle bleiben.

Für Polizei, Feuerwehren und Rettungsdienste stellen Baustellen auf der Autobahn eine große Herausforderung dar, für die vielen tausend Pendler und Lastwagenfahrer ebenso. Vor allem wenn es kracht, was es gefühlt jeden Tag auf dem Ostring tut. "Zum Glück nicht in der Baustelle, sondern im Stau davor", wie Kreisbrandinspektor Erwin Ettl sagt. Von ihm stammt das Einsatzkonzept für die Feuerwehren aus den Gemeinden an der A 99 und die Rettungsdienste, die ausrücken müssen, wenn auf der durch die Bauarbeiten eingeschränkten Autobahn ein Unfall passiert.

Zusammen mit Kollegen von der Berufsfeuerwehr München und in Abstimmung mit der Autobahnpolizei, der Verkehrsleitstelle in Freimann und den Kommandanten der ehrenamtlichen Wehren hat Ettl Pläne erstellt, die eine schnelle Hilfe bei Unfällen möglich machen sollen. So werde zum Beispiel grundsätzlich "gegenspurig alarmiert", sagt Ettl. Das heißt: Nicht nur die Feuerwehren rücken aus, die wegen ihres Standorts in Fahrtrichtung zu dem Unfall gelangen können, sondern auch jene von der anderen Seite. Wegen der kilometerlangen Staus, die vor allem Karambolagen zwischen Lastwagen auslösen und den Helfern das Erreichen des Unglücksorts erschweren, weil die Rettungsgasse nicht funktioniert, eine sinnvolle Lösung.

Manches Mal aber klappt auch das nicht - etwa wenn auf der einen Seite alles steht, weil ein Unfall passiert ist, und in Gegenrichtung Gaffer den Verkehrsfluss zum Erliegen bringen. Da kann es sein, dass Feuerwehrleute und Sanitäter zu Fuß zum Ort des Geschehens laufen müssen, samt Ausrüstung. Oder wie in dieser Woche, als die A 8 nach einem Unfall zwischen Hofoldinger Forst und Holzkirchen gesperrt werden musste, damit ein Hubschrauber landen konnte, weil Autofahrer keine Rettungsgasse bildeten und so die Helfer daran hinderten, durchzukommen.

"Wir haben bislang großes Glück gehabt", sagen Kreisbrandinspektor Ettl und Autobahnpolizeichef Kutscherauer übereinstimmend. Denn an der aktuellen Baustelle am Nord-Kreuz, die wegen ihrer Lage auf einem Damm und der Isarbrücke besonders prekär ist, hat es bisher keinen schweren Unfall gegeben. So etwas wäre für alle der Super-GAU - für die Helfer, weil sie die Stelle schwer erreichen können und für den ganzen Münchner Nordosten, was die Verkehrslage angeht. Als unlängst an zwei Tagen hintereinander gleich viermal Lastwagen auf der A 99 zwischen Aschheim und Unterföhring ineinander rauschten und die Autobahn wegen der Bergung und Aufräumarbeiten gesperrt werden musste, kam es zu kilometerlangen Staus. Nicht nur auf der Autobahn, auf die angesichts des Stillstands niemand mehr fährt, sondern auch in den umliegenden Kommunen und Stadtvierteln.

Die A 99 ist nach Einschätzung von Polizeichef Kutscherauer zwar schon immer "unfallträchtig" gewesen, allerdings ist die Zahl der Unfälle durch die Baustelle gestiegen. Dabei, so berichtet der Hohenbrunner Dienststellenleiter, handele es sich meist um Karambolagen "mit viel kaputtem Blech". Tempolimits und Überholverbote drosseln die Geschwindigkeit der Fahrzeuge schon vor der Baustelle, das hohe Verkehrsaufkommen tut sein Übriges. Und je langsamer Autos und vor allem Lastwagen unterwegs sind, umso größer sei die Chance, dass es bei einem Unfall keinen Schwerverletzten oder gar Tote gibt, wie Kutscherauer sagt. Da der Ostring aber eine wichtige Route für den Warentransport ist, sind Unmengen an schweren Lastwagen unterwegs. Diese sind oft zu schnell, halten zu wenig Abstand oder die Fahrer sind unaufmerksam. Werden tonnenschwere Fahrzeuge in einen Unfall verwickelt, birgt das enormes Stau-Potenzial.

Die Hohenbrunner Polizisten kontrollieren nicht nur den Abstand zwischen Sattelschleppern und Transportern. Wenn ein Lkw-Fahrer zum Beispiel trotz zahlreicher Schilder das Überholverbot ignoriert, bei Fahrbahnteilung partout die rechte Spur nicht nehmen will oder auf dem Pannenstreifen verbotenerweise eine Rast einlegt, weil er sonst die Lenkzeit nicht einhalten kann, kennen Kutscherauer und seine Kollegen kein Pardon: Das wird teuer. Eine Pause auf der Standspur etwa kostet 98,50 Euro.

An diesem Vormittag erwischt es den Fahrer eines Lastwagens, der stur auf der mittleren Fahrspur bleibt. Kutscherauer schaltet das Blaulicht ein und lotst den Lkw an der Ausfahrt Haar von der Autobahn. Am Straßenrand kriegt er eine Strafe verpasst: 103,50 Euro. Wenigstens ist nichts passiert.

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